Techno und Drogen

Techno, Drogen und der Lokaljournalismus

Wenn junge Menschen sich zu einer Party treffen wird getanzt, gefeiert und oft auch zu Alkohol oder Drogen gegriffen. Die Stimmung wird lockerer, neue Erfahrungen werden gemacht und meistens läuft das alles in einem friedlichen und ausgelassenen Rahmen ab. So weit, so normal. Kommt dann allerdings die Komponente Techno ins Spiel, werden die Augen vieler Medienmacher groß und eine Veranstaltung für sie plötzlich interessant. Vor allem im Lokaljournalismus.

Für alle Nörgler und Hater schon mal vorab: Nein, hier sollen weder die Folgen des Drogenkonsums verharmlost werden, noch der Fokus von Technoevents auf Veranstaltungen anderer musikalischer Genres geschoben werden. Es soll nur eine Anregung sein, worauf der Fokus auch gelegt werden könnte.

Leistet „WinterWorld“ Drogenkonsum von Minderjährigen Vorschub?

Beim Event „WinterWorld“ in Karlsruhe haben in diesem Jahr über 6.000 junge Menschen friedlich gemeinsam zur Musik internationaler Top Acts der elektronischen Musikszene gefeiert. Das Messegelände in Karlsruhe wurde mit Laser, Licht und Sound für eine Nacht in einen riesigen Club verwandelt. Ein gelungenes Event in einer Stadt wie Karlsruhe, in der House und Techno an den meisten Wochenenden des Jahres keine große Bedeutung im Nachtleben haben. Kleine Zwischenfälle lassen sich bei der Größe solch einer Veranstaltung nicht vermeiden und so mussten laut der Meldung der Karlsruher Polizei zehn Personen vom Rettungsdienst versorgt werden, vier in Krankenhäuser eingeliefert werden, zwei davon auf Grund ihres Drogenkonsums.

„Insgesamt wurden 80 Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz festgestellt und zur Anzeige gebracht. Es wurden Drogen unterschiedlichster Art in überwiegend geringen Mengen sichergestellt. Bei drei Fahrzeugführern wurde eine Blutprobe entnommen, da sie unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln standen. Durch den Rettungsdienst mussten zehn Personen versorgt werden. Vier Personen wurden zur Behandlung in umliegende Krankenhäuser eingeliefert, zwei davon wegen Betäubungsmittelintoxikation. Eine Person gelangt wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zur Anzeige. Aus polizeilicher Sicht verlief die Veranstaltung darüber hinaus durchweg friedlich.“

 

Eigentlich könnte man sich als regionales Medium über diese doch recht gute Bilanz bei einer Veransaltung mit über 6.000 Besuchern freuen. (Weiter unten folgen Zahlen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, welche die hier als „gut“ bezeichnete Bilanz belegen.) Ein Bericht über das 10-stündige Musikprogramm auf den drei Floors, dazu ein paar Statements von Gästen, den Zahlen der Polizei, einem persönlichen, gerne kritischen Eindruck vom Besuch und eine schöne Bildergalerie im Netz hätten die Nacht ausgewogen wiedergegeben. Leider sieht die Realität der Berichterstattung bei Events mit elektronischer Musik oftmals anders aus und es geht in vielen Fällen  nur um das eine Thema: Wie viele Drogen wurden konsumiert. Daraus entstehen dann Schlagzeilen, wie die folgende zum Event „WinterWorld“: „Leistet „WinterWorld“ Drogenkonsum von Minderjährigen Vorschub?“

Journalistische Information oder Quotenfang?

Ein regionales Medium hat die Aufgabe, die Menschen in der jeweiligen Region mit Informationen zu versorgen und damit zur Meinungsbildung beizutragen. Dazu gehört es, ausgewogen und kritisch zu berichten und alle Seiten eines Sachverhaltes zu beleuchten. Diese Grundsätze gelten für jegliche journalistische Arbeit, egal ob ein Redakteur für eine Regionalzeitung, oder einen bundesweiten Fernsehsender tätig ist. Journalismus bedeutet aber nicht, mit reißerischen Fragestellungen in der Schlagzeile eines Berichts auf ein bisschen Quote zu hoffen und darüber hinaus grundlegende Fakten wegzulassen, welche zur Einordnung der genannten Tatsachen wichtig und dienlich wären. Dafür gibt es in Deutschland schon eine große, boulevardeske Tageszeitung, die ihren Job in dieser Hinsicht gut macht und für diese Art der Berichterstattung bekannt ist. Von allen anderen Journalisten aber wird erwartet, dass sie recherchieren, Fakten schaffen und dadurch neutral ausgerichtete Berichte veröffentlichen.

Fakten statt Vermutungen. Die Stellungnahme des Veranstalters

Eine solche Art der Berichterstattung gab es für die Veranstaltung „WinterWorld“ seitens der regionalen Presse nicht, was die veranstaltende Agentur i-Motion zu einer Stellungnahme veranlasst hat. Hier ein paar Auszüge der Stellungnahme, in der die geschriebenen Schätzungen und Vermutungen zu Zahlen und Fakten gemacht werden.

„In Ihrem Artikel heißt es „Rund 25 Prozent, so die Schätzung aus Polizeikreisen, der Besucher der „WinterWorld“ waren Minderjährige im Alter zwischen 16 Jahren und 18 Jahren.“ 18-jährige sind keine Minderjährigen, sie sind Volljährige. Von den insgesamt 6.405 Besuchern bei „WinterWorld“ waren 589 16- bis 17-jährige, die Quote liegt also bei 9,2 Prozent und nicht wie „geschätzt“ bei 25 Prozent.“

 

„In der Drogenaffinitätsstudie 2015 der Bundeszentrale für gesundheitlich Aufklärung ist nachzulesen, dass 1,3 Prozent der 12-17-Jährigen regelmäßig illegale Drogen konsumieren, in der Gruppe der 18-25-Jährigen sind es sogar 4,1 Prozent. Bei der 30-Tage-Prävalenz (bei der der Konsum einer illegalen Droge nicht länger als 30 Tage zum Zeitpunkt der Befragung zurückliegt) geht der Anteil auf 2,5% (12-17-Jährige) bzw. 7 Prozent bei den 18-25-Jährigen hoch. Setzt man diese Zahlen ins Verhältnis zur Besucherzahl wird schnell klar, dass mehrere hundert Personen unter den Besuchern „regelmäßig“ illegale Drogen konsumieren. Und das tun sie eben völlig unabhängig davon, ob sie eine Musikveranstaltung besuchen, ins Kino gehen, sich privat mit Freunden treffen oder zu einem Schulfest gehen. Wo junge Leute sind, da sind auch Drogen. Vor dieser Realität darf man nicht die Augen verschließen.“

 

Wie einleitend erwähnt, soll hier in keinster Weise bestritten oder verharmlost werden, dass bei House- und Technoevents Drogen konsumiert werden. Es soll aber ein Anstoß dazu sein, die Berichterstattung von Veranstaltungen mit elektronischer Musik kritisch zu betrachten, da sie oftmals sehr einseitig und wenig unabhängig ausfällt.