Hm, jetzt, da ich gerade hier in Mexiko rumsitze fällt mir ein ich wollte Euch ja mal die Geschichte erzählen, wie ich mal im wilden Westen zu Fuß in die USA eingereist bin. Aber um ehrlich zu sein: Wayne interessiert`s! Nachdem ich bei den letzten Tourbook-Einträgen ja gerne mal vom Leder gezogen und mich über in die Hose gegangene Veranstaltungen beschwert habe, dachte ich mir, es wäre mal an der Zeit von einem richtig guten Gig zu berichten.
Sonst geht am Ende noch das Gerücht um „Ey, den Bau nicht einladen auf unsere Party, wenn der kommt geht immer was schief und er motzt dann nur endlos rum…“. Und das will ja keiner, vor allem ich nicht, schon aus ureigenstem Interesse. Auch wenn ich nach wie vor der Meinung bin daß man gerade dann die Wahrheit sagen darf, wenn sie auch mal weh tut, ist es an der Zeit mal von einem der Gigs zu berichten, die in die Kategorie „geil, voi leiwand oida, awesome, beleza, brilliant, tres bien“ und was weiß ich noch alles fallen. Und die sind Gott sei Dank der Regelfall, nicht umgekehrt. Und nur keine Sorge, es wird keine „Eigenspeichelleckerei“, ein wenig Reflektion inbegriffen.
Also. Ich schreibe und Du liest heute über Berlin. Ja, genau, die selbsternannte Partyhauptstadt der Republik. Das man da quasi von einem Club in den anderen stolpert hat sich ja eindrucksvoll von England über Skandinavien und via den Beneluxstaaten vor allem bis nach Italien und Spanien herumgesprochen. Die Motive sind unterschiedlich. Der gewöhnliche Engländer freut sich darüber daß der Easyjet-Flug inkl. Eintritt in einen Berliner Club sowie dem obligatorischen Begrüßungsbier immer noch billiger ist, als ein Clubbesuch in London. Der italienische oder spanische Sonnebrillenraver dagegen findet`s geil mal so richtig druff sein zu können ohne der Mama Miracoli am Sonntag morgen auf deren Weg zur Kirche unglücklicherweise in die Arme zu laufen mit Pupillen von Parma bis Schinken. und so ist das Ziel ist immer das Gleiche: Berlin.
Ganz so, als gäbe es in Deutschland nichts anderes mehr außer Berghain, Watergate, Tresor und so weiter. Warum ist das so? Seit Wowereit wissen wir es ja: Berlin ist zwar arm, aber sexy.
Also dachte ich mir „geil, mal wieder in den Tresor, das wird bestimmt fein!“ als ich hörte ebensolcher stehe wieder auf meinem Tourplan. Lange ist es her daß ich dort in diesem Keller zugange war, und nach ein paar anderen Partys in Berlin die eigentlich auch ganz ok waren stand für mich nach meinem Gig im Berghain Ende letzten Jahres fest: es gibt eigentlich für die Art von Sound, die ich gerne zum Besten gebe, nur zwei echte Alternativen an der Spree: Berghain oder Tresor. Also rein in den Flieger und ab nach Berlin.
Leider etwas verspätet angekommen und dummerweise den Rider zu Hause vergessen saß ich dann auf dem Hotelbett und dachte mir „Scheiße, wie sollst Du jetzt jemanden erreichen?“. Schon klingelte das Telefon und die Tresor-Crew lotste mich per Taxi zur Markthalle, dem tradiotionellen Pre-Party-Restaurant, gar nicht mal so weit weg vom Geschehen. Warum ich das erzähle wo Du dir berechtigterweise denkst „der soll jetzt nicht schwafeln wo er Essen fassen war, sondern wie die Bassdrums gedrückt haben…“? Ganz einfach. Als ich den Namen am Telefon hörte schoß mir Die Erinnerung an meinen ersten Gig im damals noch alten Tresor in den Kopf, auch da gab`s in der Markthalle das Abendessen. Und daß eine Premiere in dieser ehrwürdigen Geschichtsstätte elektronischer Musikkultur wohl bei jedem betroffenen DJ so was wie Gänsehaut erzeugen sollte, versteht sich hoffentlich von selbst.
Um jetzt mal auf den Punkt zu kommen, alleine schon der Gang durch den stroboskopbeleuchteten schier ewigen Tunnel hinunter in den eigentlichen Tresor mit dem Wummern des Bass am Ende und einem vernebelten Blitzlichtgewitter ist eine Reise wert und läßt einen als Act auch irgendwie in Ehrfurcht erstarren.
Ja, ihr Minimalhonks, so war das früher als alle einfach Bock auf Techno hatten. Nebel, Strobo, ne fette Anlage und Sound der drückt. Yeah!
Mehr brauchte es nicht, und in dieser Hinsicht wirkt der Tresor fast wie ein notwendiges Relikt aus grauer Technovorzeit, quasi eine Nachhilfeschule in Sachen „Techno“. Dann noch die zahllosen Tresorfächer und Gitterstäbe, die einen erinnern daß man sich in dem Club befindet, der schon vor 20 Jahren da war als noch so mancher Techhouse-Kindergarten im Rückenmark des Vaters Fahrstuhl gefahren ist. Noch Fragen? Die Party, nebenbei bemerkt eine Nachtstrom-Labelnacht, ein tolles Tehcnolabel auf dem ich aber aus studiobedingten Problemen meine Remix-Premiere erst verspätet ferien werde, also nach dem Gig, war fettestens. Der Keller voll mit Wahnsinnigen, denen es nicht Techno genug sein konnte. Es war so ein Abend, wie er nur an so einem Ort, in so einem Ambiente, mit so einer Anlage möglich ist: Du kannst als Act alles spielen, Mixes probieren, die Du sonst eventuell nicht machen würdest, die Musik in Einklang bringen mit den Ravenasen vor dir (Moment, eigentlich genau andersherum…) – solange es eines bleibt: Techno!
Nicht schnell, aber harte Kickdrums, immer eine Bassline, und metallische Groovegerüste aus Hihats die durch repetetive Signalsounds durchlöchert werden. Positive, tanzbare Energieentladung, quasi. Musik, die für den Tresor gemacht ist, und ein Tresor, der für diese Musik gemacht ist. Hier klingen Tracks anders als in jedem anderen Club!
Das führt mich dann (endlich) zu meiner eigentlichen Frage: wenn Du genau gelesen hast wird Dir auffallen, daß mein Versuch den Sound in Worte zu fassen eigentlich auch ein anderer Club in Berlin gemeint sein könnte, der in den letztem Jahren so ziemlich jedem anderen Schuppen den Rang abgelaufen hat: das Berghain, der mtitlerweile und zurecht auch legendäre Nachfolger des Ostgut.
Die Frage: wie kann es sein, daß ein Hype entsteht, der dann vor allem im Ausland dazu führt daß die Leute ihre Tresor-Shirts ausziehen um sich eines vom Berghain überzustreifen. klar, jetzt wird es gefühlte 1 Mio Argumente hageln warum das Berghain eben das Berghain ist und so weiter… mag ja alles richtig sein, aber ich meine, ist jetzt alles, was vorher schon da war und immer noch da ist jetzt weniger wert? Wieso stürzen sich alle auf etwas wie die Lemminge in den Abgrund, nur weil jemand die Richtung vorgibt? Bitte nicht falsch vestehen, das Berghain ist ein Hammer-Laden, einzigartiges Ambiente, Wahnsinns-Sound, super Lineup und vor allem eine in sich einzigartige Philosophie und Idee, die wie ein schützender Schatten über diesem Riesengebäude liegt. Aber ist es nicht so daß es auch in anderen Städten, ja sogar vielleicht in anderen Dörfern, nicht ebenso fette Partys geben kann, nur eben auf eine andere Art und Weise und nicht durch Partytourismus propagiert und weiterverbreitet wird? Um auch mal aus eigener Erfahrung zu sprechen, was haben wir im Silo1, in Töging am Inn, mitten auf dem Land, nicht schon für geile Feste gefeiert, um die uns so manch andere beneidet haben!
Der Tresor hat mich einfach wieder daran erinnert, daß man ab und zu auch mal einen Blick zurück werfen sollten um schätzen zu lernen was man evtl. aus den Augen verloren hat. Ob das jetzt der Tresor oder die Disko XY ist, egal, die Party bist immer Du! Wie schrieb ein begnadeter Musiker einmal in einem großartigen Song: „When you think you tried every road, every avenue, take one more look what you found old, and in it you`ll find something new!“ Danke, Herr Gore. Was für ein fast schon philosophisches Ende der heutigen Ausgabe, aber ich hoffe es kam an! Das nächste mal wieder mehr Trash, und jetzt ab in den Club nebenan.
Das Berghain gibt`s auch nächste Woche noch, den Club um die Ecke aber vielleicht nicht wenn Du nicht wieder regelmäßig hingehst. So brutal einfach ist das!