Es gibt zwei Sorten von Compilations und es gibt zwei Sorten von Remixes / Coverversionen. Zu den Compilations: Man kann zusammentragen / – kaufen, was die letzten Monate so an Hits gebracht haben, das Ganze mit ein paar „Gefälligkeitstracks“ aufstrecken, knallig aufmachen, knallig ankündigen und muss sich dann um den Absatz keine Sorgen mehr machen. Das ist die eine Sorte, seit der ersten „Bravo Hits“ oft kopiert und – das liegt ja wohl in der Natur der Sache – jedesmal erreicht. Die zweite Sorte kommt dabei raus, wenn irgendwelche Hyperaktiven aus der – im weitesten Sinne – „Szene“ sich in eine Idee, ein Konzept, einen Musikstil oder etwas in der Richtung richtiggehend verlieben. Dann wird monatelang gearbeitet, dann werden die Warnungen der nüchternen Rechner in den Wind geschlagen, dann werden alte Connections mobilisiert und irgendwann hat man etwas geschaffen, das neu und einmalig ist. Man braucht also Pioniergeist.
Denn auch, wenn das Produkt der Mühe allerorten Lorbeeren erntet, heisst das noch lange nicht, dass man damit nicht voll gegen die Wand fahren kann, was die Kohle angeht. Das ist der Einatz, wenn man auf seine Compilation nicht die Stücke packt, die jeder haben will, sondern die, die’s verdient haben. Ganz ähnlich verhält es sich mit Remixes und Coverversionen – es gibt die, die sich ins gemachte Nest setzen, die auf einen Hype aufspringen und – oh Wunder – plötzlich auf die Idee kommen, Gassenhauer aus den 80ies neu zu vertonen.
Oder nachzuspielen, bloss diesmal mit voll fett verzerrter Gitarre, ganz weit vorn…Da kann dann jeder mitsingen und findet das total witzig und das ist der Ausverkauf der Kreativität. So ein Projekt dauert zwei Tage und bringt sechsstellige Summen. You know who you are – shame on you!!! Und es gibt die, die mit den Vorbildern spielen, sich selbst und ihre Ideen einbringen, Grenzen überschreiten und aus alten Steinen ein neues Haus bauen. Das muss nicht bedeuten, dass man vor dem Original in Ehrfurcht erstarrt – die respektloseste Herangehensweise hat in der Beziehung schon zu den schönsten Ergebnissen geführt. Und normalerweise stellt sich die Frage nach Respekt da sowieso nicht, weil in den allermeisten Fällen die Hymnen der eigenen Jugend verarbeitet werden, da muss man schon allen Mut zusammen nehmen, um sich überhaupt dran zu wagen.
NEO POP aus dem Hause 1st Decade ist ein gutes, wenn nicht das beste Beispiel dafür, wie man’s machen soll, möchte man sein Künstler/Producer Karma nicht beschädigen. Die Jungs von „Northern Lite“ haben den minimalistischen und trotzdem extrem fetten Elektrosound quasi neu erfunden letztes Jahr. Sie sind damit fast Baden gegangen, haben die Durststrecke überstanden, weil sie an sich und ihre Mission geglaubt haben, ernten nun die verdienten Lorbeeren und legen – aus purem Bock – die zweite Folge einer der kernigsten Compilations des letzten Jahres nach.
Mit tatkräftiger Unterstützung von Gunjah, der für den (auf Vinyl gemixten) Inhalt der zweiten CD verantwortlich zeichnet und unter Einbeziehung derjenigen, die diesen Sound in diesem Jahr massgeblich beeinflusst haben, ist da ein wirklich würdiger Nachfolger gelungen – dat Teil rockt einfach unglaublich! Die Tatsache, dass man mit „Star Bugs“ – a division of Polystar – auch noch einen Partner ins Boot holte, der in der Vergangenheit weniger durch gewinnorientierte als durch aussergewöhnliche Projekte von sich reden machte – da sei nur „Kim will Kiffen“ erwähnt – passt auch ganz wunderbar ins Gesamtbild vom „Herzensanliegen Neo Pop“. Also ein Teil, das man guten Gewissens und uneingeschränkt empfehlen kann. Passt nur auf Eure Haustiere auf – wer bei dem Sound nicht anfängt, zu tanzen, der hat keine Beine.
NEO POP Part Two
Star Bugs in Cooperation with 1st Decade Records
Compiled and mixed by Northern Lite (CD 1, digital) and Gunjah (CD 2, Vinyl)
Artists:
Golden Boy with Miss Kittin, Northern Lite, Peaches, Märtini Brös, Kristall, Slam, Autotune, E – Man, Marc Verbos, Lasse Lundmark, Flash and Gordon, Dan Maxem vs. Polygen, Green Velvet, Frank Müller vs. Takkyo Ishino, Sigue Sigue Sputnik vs. Northern Lite, Steril, Nietsch und Gleinser, Kiko, John Starlight, Binge Purge, Ural 13 Diktators, FPU, Heinz, Queens of Japan, Fisherspooner, Neon Man, Maru und Comix