Paul gilt als Haudegen wenn es um die Kunst der elektronischen Soundtüfteleien geht. Er ist einer der wenigen nimmersatten Produzenten, ständig auf der Suche nach neuen Herausforderungen und Weiterentwicklungen eigener Projekte, die viel Disziplin fordern.
Paul Brtschitsch´s Projekte kennt man seit den Anfänger der 90er, mit Co-Produktionen wie TAKSI zusammen mit Andre Galluzzi oder Alben-Produktionen mit Anja Schneider. Zurzeit sitzt Paul an den Feinschliffen seines sechsten Albums, was nach dem Sommer 2012 erscheint. Es wird ein Best of Album, ein Resümee aus 15 Jahren Paul Brtschitsch. Zusammen mit Mocca bildet er ganz aktuell das Projekt Puresque, das man jeden zweiten Samstag im Tresor erleben kann.
Hallo Paul, hallo Mocca, Was für Equipment benutzt ihr beim Projekt? (Recording / Synthesizer / Software / Effects / Monitoring & Headphones)
Für das Puresque Projekt haben wir uns vorab für eine bestimmte Kombination aus Paul´s Equipment entschieden, welches wir fortan bei der Entstehung des Albums eingesetzt haben. Synthesizer: Kawai Spectra, Quasimidi Technox, Korg SX Software: LOGIC (anfangs auch Ableton, das haben wir dann aber doch weggelassen). Monitoring: JVL passiv mit Rotel Pre-Amp, Auratone Cubes. Sequencer: LOGIC, Korg SX, Yamaha SU 700 oder aber auch die Equipmentliste vom Album: Yamaha dmp7, Ashly sc 50, Ibanez ue 400, Kawei spectra, ESI 32, Korg dvp1, Korg sx, TR909, Yamaha su 700, Boss se 50, Quasimidi Technox, Behringer Ultrafex, Speaker Suratones, Rotel RX 608
Nutzt Ihr mehr analoge Geräte oder arbeitet ihr mehr mit Software?
Wir haben bei der Leitmotivproduktion bewusst auf die analoge Arbeitsweise gesetzt. Eingangs hatten wir bereits ein paar Titel ausgearbeitet, bei denen wir vermehrt softwarebasierte Instrumente und eben auch Ableton eingesetzt hatten. Unser Fazit: Es verhält sich ähnlich wie mit Fast Food: Es geht sehr schnell, aber man muss es auch mögen. Wir mochten jedenfalls nicht, diese Titel haben es dann final auch nicht auf „Leitmotiv“ geschafft.
Was ist euer aktuelles Lieblingstool?
Ich glaube da können wir uns beide schnell auf den Yamaha Dmp7 mit seinen internen Effekten einigen. Der ist alles andere als aktuell, aber er hat uns während der Produktionsphase des Öfteren immer wieder positiv überrascht. Seine Early Reflection Räume sind nach wie vor ziemlich zeitlos wie wir finden, auch wenn man sie nur ganz subtil einsetzt.
Wie kann man sich eure Zusammenarbeit im Studio vorstellen?
Mocca, Sohn einer schwäbischen Erfolgsfamilie, sitzt in Kolumbien und steckt sein Geld in deutsche Technoprojekte, wie mich z.B., um sein Geld zu waschen…den Projetknamen Puresque hat er sich dafür ausgedacht. Okay, in Wirklichkeit hingegen ist es doch leider ein wenig konservativer: Wir treffen uns, und da kommt jetzt zumindest das schwäbische doch noch ins Spiel um PUNKT 11 am Studio. Zumindest Mocca trifft sich um Punkt 11, ich eher gegen um 11:30Uhr. Nach leicht genervter erneuter Unterschiedsfeststellung der schwäbisch contra Berliner Pünktlichkeitsmentalität setzen wir uns dann ran. Wir hören zunächst verschiedene Sounds durch, finden mit irgendeinem dieser Sounds einen Anfang und am Ende des Tages steht eine Idee, manchmal auch schon ein ganzer Titel. Am nächsten Tag entscheiden wir mit „frischen Ohren“, ob wir daran weiter arbeiten, oder lieber gleich mit etwas neuem beginnen.
Wie fangt Ihr einen neuen Track an? Habt ihr ein Konzept oder „jammed“ ihr einfach drauf los und schaut, was dabei rauskommt?
Sowohl als auch. Für uns ist es sehr wichtig, das der kreative Moment und auch der Zufall nicht dadurch verdrängt werden, dass man zu geplant oder gar pragmatisch an die Sache rangeht. Allerdings haben wir für uns von vorne herein entschieden, wie „Puresque“ klingt bzw. was den Sound von dem Projekt ausmacht, etwas das eher für die konzeptionelle Herangehensweise steht. Eingangs haben wir einen eigenen „Leitmotiv“-Soundpool zusammengestellt, auf den wir während der gesamten Produktionsphase immer wieder zurückgreifen konnten. Meist stand am Anfang eines Titels die Fundamentschaffung mit Bassdrum/Bassline, bevor wir uns dann weiter bis zum „Dach“ vorgearbeitet haben.. wobei es für uns durchaus auch reizvoll war, dass ganze mal in umgekehrter Reihenfolge aufzubauen. „Im Keller“ z.B. ist so ein Titel bei den diese 16tel Phaser Hihats eine sehr wichtige Rolle spielen, diese waren somit als grundlegende Idee auch zu erst da.
Wie unterscheidet sich eure Arbeitsweise wenn Ihr alleine arbeitet, bzw. wenn ihr dann im Team arbeitet?
Ich kann von mir sagen, dass wenn ich alleine an einem Track sitze, ich des Öfteren das drei bis vierfache an Zeit benötige, bis ich etwas fertigstelle. Mit vier Ohren und doppelter Entscheidungskraft arbeitet es sich zumindest unter diesem Gesichtspunkt wesentlich effizienter. Bei meinen Produktionen schwingen die 90iger immer noch mehr mit, ferner bin ich in gerade auch mit dem neuen Brtschitsch Album in ganz anderen Tempis und Stilgefilden unterwegs. Mocca hingegen hat dadurch, dass er fast zehn Jahre jünger ist eine ganz andere Soundsozialisierung erfahren. Somit fließen auch seine entscheidenden Einflüsse beim Puresque Sound mit ein und prägen diesen. Ein wesentlicher Unterschied bei der Arbeitsweise beider Projekte: Meine Titel entstehen eher aus dem Live Kontext heraus, die von Puresque meist am Mischpult und von den einzelnen Geräten ausgehend.
DJ oder Live Act? Was macht ihr lieber und warum?
Es gibt hierfür keinen Vorzug. Beim Auflegen ist es immer wieder spannend seine neue Produktionen zu testen, zu erfahren wie sie sich im Umfeld anderer Produktionen anfühlen und wie die Reaktionen sind. Und Live bleibt eben Live und ist zumindest bei meinem Setup, dadurch das es wirklich live ist und alles „handmade“ passiert immer wieder für eine Überraschung. Solche Momente kann man dann nachträglich aufgreifen, um sie in Produktionen einfließen zu lassen. Ich möchte mich für keins der beiden entscheiden müssen, es hat definitiv beides seinen Reiz.
Was würdet ihr einem Anfänger raten, der selbst Musik produzieren möchte?
Follow your own „Leitmotiv“ vielleicht? Es ist wie bereits oben erwähnt für meinen Geschmack gerade etwas zu viel „Fast Food“ im Umlauf. Vieles schmeckt gleich und fad zu gleich: Leider sind es gerade auch die „Einsteiger“ die dazu neigen mit den „günstigsten“ Mitteln zu arbeiten, aus Sample-Soundbänken Sounds zu wählen, die sie selbst nicht mal kreiert haben, um daraus irgendwie Spuren „zusammen zu stapeln“, die dann alles enthalten, nur leider keine persönliche Handschrift.
Das ist meist auch das, was sich später häufig im Posteingang als einer der unzähligen digital Promomails stapelt, die ferner darauf hinweisen, dass es das Ganze dann bald auch noch auf einer Art „digitalen Mülldeponie“ zu kaufen gibt. Ehrlich, bei dem Thema werde ich wirklich emotional, da das Prinzip der Inflation leider hier genauso greift und sein Unheil anrichtet, wie es dies in anderen Bereichen auch tut. Man sollte teilweise wirklich mal mit mehr Verantwortungsbewusstsein produzieren, aber vor allem veröffentlichen, anstatt wild mit Tracks um sich zu schmeißen. Das nützt am Ende keinem etwas. Genervte DJs und das generell entwertende Gefühl gegenüber elektronischer Musik sind die bereits eingetretenen Folgen.
Zweifelsohne, diese „Spam“ Diskussion gab es schon zu Vinyl Zeiten, man muss aber dennoch feststellen, dass durch die Abkopplung des wirtschaftlichen Eigenrisikos bei der digitalen Soundabfertigung das ganze gerade auf eine ganz andere Spitze getrieben wird. Mein Appell an Einsteiger: Nicht alles was der Rechner hervorbringt, muss auch umgehend und zwangsläufig veröffentlicht werden. Auch wir haben für unser Album gerade wieder mindestens 5 Titel aussortiert. Die waren dann eben „nur“ dafür gut, dass ein anderer Titel daraus entstanden ist und sie waren Ihre Arbeit somit auf eine andere Weise wert. Im „Plattenveröffentlichungszeitalter“ hat man als Einsteiger durchaus erst mal zwei Jahre lang diverse Dat-Kassetten mit Tracks vollproduziert, bis man dann auf dem zehnten Dat endlich mal einen ersten Titel hatte, der es „WERT“ war, dass man ihn auch veröffentlichte.
Das ist wirklich mein größter Wunsch und auch Rat, dass man das Ganze wieder mehr wertschätzt, mehr respektiert, auch wenn die Industrie und die Hilfsmittel (Programme) einem anderes suggerieren. Auf der DJ Ebene gilt übrigens gerade genau das gleiche. Es ist und bleibt eben ein bisschen wie, und da finde ich die vergleiche zum Essen immer wieder passend: Wenn ich mir eine Tiefkühlpizza in den Ofen schiebe, kommt da am Ende keine „Casolare“-Steinofen Pizza bei heraus. Das Handwerk muss schon irgendwie erlernt werden, aber das ist ja eben auch das Schöne an der Möglichkeit, Computer als Hilfsmittel einzusetzen: man kann sich das Handwerk selbst beibringen, beibringen lassen und sich dabei selbst autodidaktisch ständig weiterentwickeln. Aber es es braucht eben auch seine Zeit, bis man das Handwerk dann verstanden hat!
Musik sollte immer ein Ausdruck eines persönlichen Gefühls sein, einer Stimmung, einer persönlichen Idee. In 80% der besagten Digitalpromos beispielsweise höre ich diese fantastische Möglichkeit der Umsetzung einer eigenen persönlichen Soundidentität nicht mal ansatzweise. Dies ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, warum das unpersönliche immer mehr mitschwingt.
Aber um es jetzt mal abzukürzen: Ich kann jedem Einsteiger raten, dass er an seiner persönlichen Sound-Marke von vorne herein arbeitet und sich vielleicht folgende Fragen mal stellt:
– Wofür steht mein Sound?
– Bin ich wirklich Künstler, oder mache ich es vielleicht wirklich nur zur persönlichen Bespaßung und der meiner Freunde?
– Was ist mein Alleinstellungsmerkmal?
Das könnte beispielsweise eine völlig eigene Art des Arrangierens sein, eine bis dato nicht existierende Form der Zusammenstellung von Geräten, das Schaffen eigener persönlicher Sounds, mit ganz verschiedenen Mitteln, als persönlicher Soundpool usw.
Dem Willen Musik zu machen sollten also kreative Energien vorausgehen, Experimentierfreudigkeit, Mut zur Lücke und nicht der vielleicht sogar Ego-beflügelte drang „ich bin jetzt auch ein Produzent“! Etwas mehr Respekt gegenüber dem uns gemachten Geschenk, die elektronische Musik als Plattform und Ausdrucksform haben zu dürfen, wäre durchaus zuweilen angebracht, respektive der Erkenntnis, dass man Musik, und das ist eigentlich das wichtigste, eben auch aus Spaß macht! Man muss sie deshalb nicht zwingend veröffentlichen..