Paul Brtschitsch 2018

Paul Brtschitsch vollzieht einen Klangwechsel und macht Hip Hop!

Schon über zwanzig Jahre her, dass Paul Brtschitsch als regelrechter Senkrechtstarter ins Technobusiness eingestiegen ist. Mitte der 90er ging es als Producer, DJ und Liveact los und bis zu seinem Abschied im Jahr 2013 war er  viel und sehr erfolgreich unterwegs. Jetzt ist Paul wieder da. Mit seinem neuen Projekt „Klangwechsel“ vereint er seine elektronischen Erfahrungen mit frischen Hip Hop Sounds und witzigen Texten.

Man soll aufhören wenn es am schönsten ist. Das dachte sich Paul Brtschitsch im Jahr 2013 und hat dem Wahnsinn der Technowelt erstmal lebewohl gesagt. Er ist dann aber zum Glück nicht in eine Phase der Untätigkeit verfallen, sondern viel mehr in eine Phase der Inspiration und Neuorientierung. Wie er jetzt zu grandiosen Songzeilen kommt, wie „Du bist der DJ und ein ganz geiler Typ. Du weist was läuft und wie man Frauen kriegt.“ lest ihr hier im Interview:

Paul Brtschitsch ist jetzt Klangwechsel. Vorher kannte man dich als Live-Electro-Act Paul Brtschitsch. Welche Musik machst du jetzt?

Beides! Momentan vornehmlich ersteres, da es für mich momentan reizvoller und auch inspirierender ist. Aber ich spiele ab und an auch immer wieder gerne mal ein DJ-Set oder meine eigentliche alte Königsdisziplin: Live-Instrumental improvisiert, nicht vorprogrammiert.

Songs über DJs gibt es schon zu Hauf – aber deiner hat einen besonderen Zugang. Wer ist für dich dieser „Gott im Club“?

Der Song trägt unüberhörbar eine ironische Note in sich. Der DJ ist „Gott im Club“, weil er sich oft so benimmt. Es geht keinesfalls um Degradierung oder Pauschalisierung, denn es gibt super Typen in der Zunft. Es geht vielmehr darum zu sagen: Nehmt euch nicht so wichtig, denn meist sind es nicht mal eure Produktionen, durch die ihr zu Ruhm gelangt. Gute Selbstvermarktung macht noch keinen guten Musiker, auch wenn die Kids auf euch abfahren. Bei der anfänglichen Arbeit am Album sind direkt an die fünf Titel in Folge entstanden, die sich mit Schwarmintelligenz, Facebook und der zu Teilen verdrehten Selbstwahrnehmung in der heutigen Zeit beschäftigten. „Du bist der DJ“ kratzt auch an diesen Gesellschaftsthemen, aber sie werden auf charmante Art und Weise bearbeitet, sodass der Titel es dann auch auf das Album geschafft hat.

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Ist der Song auch eine Anspielung auf deine Arbeit als DJ?

Die Anspielung kommt eher daher, dass ich einige Charaktere in meiner Laufbahn kennenlernen durfte. Dieser Wichtigtuer ist außerdem so eine spezielle Charaktertype, die immer wiederkehrt – nicht nur unter DJs. Aber eben genau dort ist er des Öfteren anzutreffen. Meine lange DJ-Vergangenheit spielt definitiv mit rein. Vielleicht ist es auch ein Titel, der mich etwas genug tuend mit einer alten Geschichte abrechnen lässt. Und natürlich nehme ich mich aus manchen Zeilen auch nicht komplett heraus, muss mir selbst einiges vorhalten oder höre mir die ironisch heroisierenden Komplimente an. Gerade die Deutungsoffenheit des Titels ist es, was ihn reizvoll macht.

Wie kommt man darauf ein Video zu einem „geilen DJ“ im Altersheim zu drehen?

Mein Freund und Regisseur Oli Rihs aus Berlin hat mir den Kontakt zu seinem Kollegen Robert Sieg vermittelt. Wir haben uns abgestimmt und er hat dann ein super Skript geschrieben. Darin auch die Grundidee hinter dem Video im Altersheim: Die großen Zeiten sind irgendwann vorbei. Er ist immer noch ein Profi. Seine Anmutung ist über jeden Zweifel erhaben. Der letzte große Auftritt im „Altershain“ steht an. Ich fand, Friedrich Liechtenstein war derjenige, der das perfekt hätte umsetzen können – auch weil das Instrumental ursprünglich seine „sehr sehr geil“-Zeilen als Sample enthielten. Zu Friedrich bekamen wir keinen Kontakt. Also ging ich auf die Suche und habe schließlich Wolfgang entdeckt. Ein Blick auf die Bilder seines Portfolios und ich wusste: Der muss das machen! Und so kam es auch.

Nach weltweiten Gigs als DJ hast du 2013 die Musik erst mal an den Nagel gehängt und bist Gärtner geworden. Warum war es Zeit für Neues?

Die inflationäre Wandlung in der Branche hat extrem genervt. Von allem gab es gefühlt zu viel: zu viele DJs, zu viele Live-Acts, zu viele verwässerte Mischformen. Die Technoszene war überlaufen. Ferner bot es mir irgendwann auch keine Existenzgrundlage mehr – u.a. auch, weil ich diese ganze Facebook-Likes, -Clicks, -„Friends“-Welle bewusst nicht mitmachen wollte. Es wurde Zeit zu fliehen, in den Garten. Es zog mich zu den Pflanzen, in die Grünpflege und vor allem zu den Stauden. Aber irgendwann als der Frust aufgearbeitet war, war es an der Zeit, auch musikalisch wieder aufzustehen – allerdings mit neuer Intention. Ein bisschen wie die Stauden, die kehren auch jedes Jahr immer wieder aufs Neue zurück.

Dein erstes Album „Schattenwald“ steht auch in den Startlöchern. Was können wir noch darauf erwarten?

So einiges. Der „Schattenwald“ ist ein fantasievoller Wald, der meine beiden Welten verbindet: Die Ruhe, die Pflanzen, aber auch mein Studio, der Ort der mich zu Klangwechsel inspiriert hat und dazu, mit der Vergangenheit abzuschließen und nach vorne zu schauen. Es gibt eher verträumte Titel, die von dem Wunsch der Flucht aufs Meer handeln, aber auch Songs mit progressiveren Instrumentierungen, die auch mal politisch sind. Manchmal ist es einfach ein dadaistisch anmutendes Worträtsel, welches einen Instrumentaltitel untermalt und sphärisch abfliegen lässt. „Schattenwald“ steht für das Lebensgefühl, das ich in mir getragen habe, als das Album entstand. Wer in den Schatten gestellt wird, erfährt Zurücksetzung und genauso ging es mir. Schatten ist nicht gleich Dunkelheit, Licht spielt eine wichtige Rolle. Der Schatten ist eine Mischform, genau wie meine Musik, und genau in den Zwischenräumen bzw. –tönen wird es interessant.

Ein Konzert hat dich wieder zurück zur Musik gebracht. Welches war es und wieso hat es dich so inspiriert?

Ich bin Beginner-Fan der (fast) ersten Stunde und das Konzert zur „Advanced Chemistry Tour“ in Frankfurt hat mir einen „Flash“ in mehrere Richtungen verpasst. Die Jungs haben in ihrem Genre mit Horror-, Macho- und Materialisten-Rap schlimme Zeiten durch und konnten dem doch noch etwas entgegensetzen: Spuren aus Vergangenheit gepaart mit viel Neuerfindung und dem Willen zur Ansage. Damit hat ihr Album so richtig gezündet und diese Energie kam auch entsprechend auf dem Konzert rüber. Dabei haben sie stets denen Respekt gezollt, die für den deutschen Hip Hop Pionierarbeit geleistet hatten – wie Torch und Advanced Chemistry. Ich hatte Hip Hop als wirklich inspirierende und aussagekräftige Musikform nahezu komplett vergessen und war von da an wieder „angefixt wie Doherty Peter“ (Zitat aus Beginner – „Es war einmal“).

Im Gegensatz zu vorher schreibst du nun auch Texte und singst. Wie hast du dich da herangetastet?

Da ich ja quasi schon einmal alles hingeschmissen hatte, war auch alles wieder offen. Weiterhin brave Instrumentaltitel zu produzieren, kam für mich jedenfalls zu der Zeit nicht in Frage. Also fing ich an, Texte zu schreiben. „Du bist der DJ“ gehörte zu einem der ersten Songs, den ich damals verfasst hatte. Als ich das dann Freunden vorgespielt hatte, war die erste Frage: „Wer singt da? Bist du das wirklich?“ Ich sehe mich überhaupt nicht als Sänger, ich bin eher der Erzähler, der gut mit den Titeln harmoniert. Aber auch hier gibt es keine feste Definition: Mal klingt es gesprochen, mal gereimt, mal minimalistisch und roboterartig. Was eben alles so aus dem Schattenwald schallen kann.

Deine Musik kann beides, aber was machst du lieber dazu: Tanzen oder die Seele baumeln lassen?

Rotwein trinken, oder mit meiner alten VW T3 Pritsche über die Landstraßen fahren. Nicht beides gleichzeitig natürlich. Tanzen funktioniert aber auch ganz gut!

Glückwunsch Paul zum ersten Schritt in die neue musikalische Welt. Wir sind gespannt aufs Album und wünschen allzeit gute Fahrt in deinem VW-Bus. 😆