Hi Len, am 25.12. bist du mal wieder im „Ländle“ besser gesagt in Stuttgart zu Gast. Das ist für dich ja eigentlich wie „nach Hause“ kommen. Aufgewachsen bist du ja im Kreis Esslingen, wenn ich da richtig informiert bin. Freust du dich auf Stuttgart? Du hast doch sicher auch noch viele Freunde und Familie hier?
Ja, ich würde sagen es schwingt immer ein Hauch Nostalgie bei meinen Besuchen im „Ländle“ mit. Meine Familie und viele Freunde sind vor Ort, weshalb über all die Jahre stets eine Verbindung da war und immer noch ist.
Kommen denn deine Freunde/Familie auch zu deinen Gigs, wenn du mal in der Nähe spielst?
Sicherlich. Wobei einige Freunde wenig Berührung mit Techno haben. Es ist auch schön, gemeinsame Zeit in einem privaten Rahmen zu verbringen, sich zu sehen und sich in Ruhe unterhalten zu können.
Bei meinen Eltern ist es eher zeitliches Glücksspiel, da sie sich für die sonnige Seite des Lebens entschieden haben und mittlerweile sechs Monate pro Jahr in der Türkei verbringen.
Du lebst mittlerweile ja schon einige Jahre in Berlin. Was ist denn für dich der größte Unterschied zwischen Stuttgart und Berlin? Gibt’s etwas, das du an Berlin besonders schätzt oder gibt’s vielleicht auch etwas, das du gerade in Berlin vermisst, das es in Stuttgart gibt?
Um das schon mal vorweg zu sagen, auch nach all den Jahren ist es mir nicht gelungen ein Restaurant in Berlin zu finden, welches mir auch nur annähernd meinen geliebten Zwiebelrostbraten mit Spätzle zaubern kann! Im Ernst, das quält mich manchmal – lach! Okay, ernsthaft, alle Unterschiede hier aufzuzählen, ich glaube, das würde den Rahmen sprengen. Zusammenfassend kann man aber sagen das Berlin inzwischen eine Weltstadt geworden ist. Eine internationale Metropole, ein Magnet, welcher Strukturen und Möglichkeiten bietet, Ideen auszuleben und dementsprechend unterschiedlichste Menschen anzieht und miteinander verbindet. Viele kulturelle Möglichkeiten und deren Umsetzung sind schon alleine mit der Gesetzgebung im „Ländle“ nicht vereinbar.
Warum hast du dich eigentlich damals entschlossen, den Schritt zu wagen und vom Schwabenländle nach Berlin zu ziehen?
Es kamen etliche Punkte zusammen, die mir schlussendlich die Entscheidung vereinfacht haben. Ende der Neunziger stagnierte die Szene in Stuttgart ungemein, was auch viel mit den Behörden zu tun hatte. Ich war und spielte das erste Mal in Berlin 2001, damals im Ostgut, was heute sozusagen das Berghain ist. Ich fühlte sofort diese Energie und Power, welche die Stadt in mir ausgelöst hat. Kurze Zeit später brannte meine Nachbarwohnung, wodurch die meine gleich mit zerstört wurde. Das war glaube ich das letzte i-Tüpfelchen was noch gefehlt hatte. Ein halbes Jahr später habe ich mich in Berlin wiedergefunden.
Du warst ja auch schon vor deinem Umzug musikalisch aktiv. Aber so richtig los ging es dann erst in Berlin. War das auch so geplant bzw. hast du dir genau das von deinem Umzug versprochen?
Rückblickend, womöglich!? Unbewusst versprechen wir Menschen uns, sei es durch einen Jobwechsel oder einen Umzug, immer etwas positives, vorwärtsblickendes. Der Antrieb war voll da und ich konnte mich hier richtig entfalten. Ich schätze mich hierbei sehr glücklich. Es war mehr als die richtige Entscheidung diesen Schritt zu tun.
Was hättest du eigentlich gemacht, wenn sich alles nicht so entwickelt hätte, wie es jetzt ist? Wärst du zurück oder was denkst du würdest du jetzt machen, wenn du nicht ein international gefragter DJ und Produzent geworden wärst?
Ich soll mir also das Horrorszenario vorstellen – lach?
Ein Faible zum Kochen habe ich entwickelt, aber die Idee, Len Faki als Koch, gefällt mir im privaten Rahmen doch eher. Um ehrlich zu sein, ich bin überzeugter Positivist. Wenn du an eine Sache und an dich selbst glaubst, fest daran arbeitest, bringt es dich vorwärts und schrittweise immer näher an deine Wünsche und Ziele heran.
Aktuell bist du ja eigentlich nur Unterwegs, Rund um den Globus. Gefragt wie nie zu vor, könnte man meinen. Allein die letzten Wochen sprechen ja für sich. Japan Tour, I Love Techno, Barcelona, Mayday Polen usw.… Da bleibt ja kaum Zeit sich zu Erholen. Wie stehst du den Tourstress durch? Schaffst du es denn momentan überhaupt auch mal etwas abzuschalten und „runterzukommen“?
In der Tat, das Jahr war sehr intensiv, aber der verdiente Urlaub steht im Januar vor der Tür, den ich auch voll genießen werde. Ein off für iPhones, iPads und Macbooks – lach. Ich muss aber auch dazu sagen, dass ich in diesem Jahr wieder so tolle Momente miterleben durfte, was mir immer wieder Kraft und Licht schenkt. I feel gut!
Du bist ja auch Resident im wohl bekanntesten Technoclub Deutschlands, wenn nicht sogar im bekanntesten Club weltweit. Ich durfte erst vor wenigen Tagen dein Set im Rahmen der Drumcode Nacht dort genießen. Was bedeutet dieser Club und die dortige Atmosphäre für dich?
Nach sieben Jahren Residency, ein Stück Heimat, Freiheit und Wohnzimmer zugleich.
Inwiefern denkst du, dass dein Erfolg auf ein wenig mit dem Erfolg und dem Status des Berghains zusammen hängt ?
Wie schon in der letzten Frage erwähnt, bin ich seit Beginn des Berghains Resident. Bei so einer langen Zeitspanne, über so viele Jahre, findet eine stetige Entwicklung statt. So wohl für den Ort, als auch für den Künstler. Eine Symbiose die sehr positiv verlaufen ist.
Viele Berliner beschweren sich ja immer mehr über die Scharen an Touris, die jedes Wochenende dort einfallen. Wie siehst du eigentlich, als einer der ja selbst ein zugezogener oder Wahlberliner ist, das Thema „Techno-Tourismus“ in Berlin?
Im Bezug darauf bin ich sehr aufgeschlossen. Wie aber vorhin schon erwähnt, spiegelt das den Magnet-Effekt, den Berlin nun mal hat, wieder. Die Berliner wissen es aber auch, eine Hintertür zu finden, indem sie einfach morgens erst feiern gehen, wenn die meisten Touristen schlapp sind und sich auf den Heimweg machen – lach. Hier herrschen gerne mal ungewöhnliche Zeiten.
Ist das Problem, das Berlin bzw. Berliner mit Schwaben haben eigentlich wirklich so schlimm? Oder wird da durch die Presse viel gepusht und dramatisiert? Du müsstest ja beide Seiten kennen. J
Nun ja. Zugewanderte aus anderen deutschen Städten stellen inzwischen knapp 36 Prozent der Berliner Bevölkerung dar. Wie viele von ihnen aus Schwaben kommen, weiß kein Mensch, wird aber auf 350.000 geschätzt. Demnach kommt fast jeder 10te irgendwo aus dem „Ländle“ her. Der Begriff „Schwabenmafia“ kommt vom Protest gegen Gentrifizierung. Also gegen die Aufwertung der Häuser und die damit verbundene Mietpreiserhöhung. Ist schon klar, dass dann einige Leute ein Feindbild konstruieren müssen. Also die Schwaben. Wie es hier so schön heißt, Berlin ist arm, aber sexy. Natürlich gäbe es noch etliche Punkte zu erwähnen, aber es liegt mit Sicherheit nicht alles an den Schwaben und ich persönlich habe in all den Jahren keine schlechten Erfahrungen erleben dürfen. Ich fühle mich hier fest verbunden und ich, glaube das Merken die Berliner auch.
Neben deiner DJ-Tätigkeit bist du ja auch Labelboss von Figure und deren Sub-Label Figure SPC und Podium. Wie bringst du das alles unter einen Hut?
Kaufe dir einen Hut immer eine Nummer grösser, lach.
Es ist zeitweilig sehr arbeitsintensiv, macht aber auch sehr viel Spaß, Künstler zu fördern und eine Plattform zu schaffen, auf die man selbst dahinter steht. In absehbarer Zeit wird es aber ein Team von Mitarbeitern geben, denn alles allein wird man ab einem gewissen Punkt nicht mehr stemmen können.
Kannst du denn schon was zu kommenden Releases auf deinen Labels verraten? Stehen auch neue Len Faki Releases an?
Aktuell ist das Doppelpack Release „toys box“ von Leghau veröffentlicht worden. Ein sehr junger und talentierter Künstler aus dem Süden Frankreichs. Als Abschlussrelease für dieses Jahr, wird es eine neue A.Mochi EP geben, namens „black phantom“. Zu Anfang des nächsten Jahres ist eine neue Markus Suckut und Roberto Bosco EP auf SPC zu erwarten und nach längerem auch ein Release meinerseits.
Ist eventuell auch ein Len Faki Album geplant?
Das steht noch in den Sternen.
Abschließend vielleicht noch eine kurze Message an deine Fans in Stuttgart? Was dürfen wir am 25.12. von dir und deinem Set erwarten?
Da fällt mir der Lockruf unseres regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit ein. Der sagte nach ein paar Flaschen vom teuersten Kaiserstühler aus Franz Kellers Rebengarten, was den Schwaben am meisten fehlt: Dreck und Rock ´n´Roll!? Frohe Weihnachten.
Vielen Dank für das Interview !