2009.07.10 Jay Haze fabric 47

Fabric 47 > Jay Haze. Zweimal ohne eigene Verschuldung obdachlos …

Es ist schwierig einzuschätzen, wo man mit einem Künstler von solcher Komplexität und Vielfältigkeit wie Jay Haze anfangen soll.

Auf der einen Seite sind seine Kindheit und Jugend – trostlose Anfänge im mit Industrieanlagen verseuchten Nordosten von Pennsylvania, umgeben von Drogensucht, Tod, Obdachlosenheimen und Gefängnis – ein verdorbener Einblick in das Innere, die komplizierte Seele. Aber auf der anderen Seite hat trotz widriger Umstände nichts sein Talent verdüstert und seine Familie gleichgesinnter Künstler, die von ihm geprägt wurden, ist ein Zeugnis eines unerschütterlichen Geistes und seiner Fähigkeiten.

Jay Haze tritt als Visionär in der Welt von Techno und House auf, ein wahrer Nonkonformist in einer engstirnigen Szene.

Aber seine Arbeit unterstützt seinen Status als außergewöhnlich produktiver Musiker, DJ, live Künstler, Koolaborateur und Label-Head. Seine weiträumigen Labels klingen echt und richtig und werden nie korumpiert, jedes bleibt seinem eigenen Charakter und Künstlergruppe treu: das an House orientierte TuningSpork; das auf Tech-based harte Contexterrior und die Downtempo dubby Sounds von Future Dub.

“TuningSpork war schon immer mehr House. Leute zum Lachen zu bringen ist eine Art Verführung und darum geht´s bei TuningSpork: positiv, lustig sein, sich selbst nicht so ernst nehmen. Contexterrior war dann ernsthafter, eher Avantgarde, die Limits des Sounds vorandrängend. Ich startete TuningSpork mit Sean O’Neal alias Someone Else und Bjoern Hartman und dann fing ich alleine Contexterrior an. Future Dub war ein Label, das existiert, aber nie wirklich existierte. Wir hatten 6 Releases in 9 Jahren, es war nur für meine Liebe zu Dub-Reggae; wenn ein Track kommt, mache ich einen Release. Ich habe so viele verschiedene, musikalische Vorlieben.”

Jay gründete auch Textone in 2003, seine kreative Erfindung einer online Musikzeitschrift und eines Internet-Labels, Jahre bevor digitale Shops wie Beatport und die jetzt vorherrschenden online Zeitschriften/Blogs beliebt wurden.

Über seine eigenen Labels hinaus, erschienen Jay Hazes Genre-erweiternden, experimentellen Produktionen auf Playhouse, Kitty-Yo, Cocoon oder Get Physical und Remixe gingen an verschiedenste Labels, von Shitkatapult bis Playhouse und BPitch Control bis Soma. 2005 kam sein Debut auf Kitty-Yo ‘Love For a Strange World,’ ein Album, das Techno herausforderte, Genre-Linien in Frage stellte und alles Unkonventionelle und Unvorhersehbare umarmte.

Sein mehr auf Dancefloor (und Humor) bezogener Künstlername Fuckpony startete seinen Hype auf Get Physical, das Album ‘Children of Love’ war eines der gefeiertsten Underground Alben von 2006. Es ist interessant, dass jemand, dessen Lebensgeschichte so viele dunkle Abschnitte hat, immer noch einen großen Teil seiner Musik der Liebe widmet – seine Gefühle offen auf seinen Alben-Covers zeigt und sich endlos der Charityarbeit widmet.

“Ich war zweimal ohne eigene Verschuldung obdachlos – wegen wirren Lebenssituationen oder komischen Zufällen. Damals auf den Straßen habe ich die übelsten Sachen, die man sich denken kann, gesehen – Pädophile, Blutsauger, ich weiss, woraus diese Welt besteht. Diese Dinge sind meine Motivation zur Charityarbeit. Ich möchte Menschen helfen, denen es noch schlimmer geht als es mir ging. Als ich jünger war, habe ich nur daran gedacht, dass mein Leben so schlimm war, ich war verloren in düsteren, dunklen Zeiten – aber wie ich älter werde, denke ich nur noch daran, anderen zu helfen. Ich glaube, es kommt von dem Glücksgefühl, immer noch am Leben zu sein.”

Und das bringt uns zu fabric 47, einem unvergleichlichen Mix, der sich in mehreren Welten wandelt und das auf mehrere Weisen. Jay Haze schenkt einen Teil seiner selbst an die Musikwelt, aber wird auch alle Erträge dieser Compilation dem Rest der Welt schenken, der Demokratischen Republik Kongo. Mit seiner Aktion DJs for Congo bewegt er auch andere Kollegen etwas mehr Verantwortung zu übernehmen.

„Ich arbeite mit mehreren Charities, und weil Fabric einLabel aus England ist, wollte ich dort etwas tun. Deshalb arbeite ich mit Merlin Health Services. Was die tun, ist wirklich positiv und 95% jedes Dollars, den Du Ihnen gibst, wird weitergegeben, und das kann bewiesen werden. Jetzt arbeiten sie gerade im Kongo, einem Land mit 75 Millionen Menschen, die seit 50 Jahren in einen Bürgerkrieg verwickelt sind. 1200 Menschen sterben täglich an einfachen Dingen, vermeidbaren Dingen, und das bricht mir mein Herz.”

Fabric 47 ist der tiefe, wandernde Herzschlag von 4/4s kühnstem, tapfersten und vielseitigsten Charakter; ein heller, verbundener Mix, der durch und durch Jay Haze ist.

Tief in seinem freien und unberechenbaren Geist verwurzelt, schlägt diese einwandfreie Zusammenstellung von Tracks mit Seele und lockenden Exzentritäten. Mit einem Groove und ununterbrochenen Flow über einen großen Bereich von Rhythmen und Stilen, ist Fabric 47 ein charismatisches Porträt von Jay Hazes musikalischem Klan: der Mix präsenteirt nicht nur seine Label Mates, und die vielen Künstlernamen die Jay Haze beinhalten, dar, sondern ist auch ein Einblick in den von der Seele getriebenen, zukünftigen Sound, den sie zusammen gemeistert haben.

Er lockt durchgehend mit Stücken seines Fuckpony Tracks ‘Lady Judy’ (ein Lied, das der Fabric-Promoterin Judy Griffith gewidmet ist – und eine Anerkennung an das klassische ‘Baby Judy’ von Daniel Bell), nimmt die Dinge mehr Dubby mit Alex Cellers bezaubernden ‘Trapped In Dub’, flotter mit dem Groove-gefüllten ‘Mellow Dee’ (das mit seinem früheren Studiopartner Ricardo Villalobos ’08 kreiert wurde) und episch mit dem unvergesslichen Fuckpony Track, ‘Burning’. Fabric 47 verkörpert Jay Haze; es it tief, gewagt und mutig. Siebzig Minuten mit dieser Disc und du fühlst dich wie neu und dein Glaube in mögliche Brillanz der Musik wird wiederbelebt.

“Ich begriff, dass dieser Mix eine tolle Möglichkeit für mich war, meine Leute darauf zu packen, und sie repräsentiert genau das, wofür ich in dieser Szene stehe, und meine Beteiligung daran. Am Anfang dachte ich mir, soll ich wirklich die Musik meines eigenen Labels hier einsetzen? Ist das zu daft?
Aber nach längeren Überlegen kann ich wirklich nicht froher darüber sein, was dabei rausgekommen ist. Ich konnte ein paar der wichtigsten Künstler mit denen ich arbeite dazu bringen, mir exklusive Rechte zu geben, ein paar noch nicht herausgegebene und sogar ein paar Mixe von Tracks, die ich schon lange liebe. Und ich konnte alles mit einer guten Sache verbinden, von der ich glaube dass sie das Kämpfen wert ist. So hat mir die Musik meine Künstler näher gebracht und sie zu einem Teil meiner Erfahrung gemacht. Es ist ein sehr persönlicher Mix”