Heute: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt…

alex sliderEin weiterer Monat mit einer Menge Bassdrums, Hihats und auch der für Leute wie mich dazugehörigen Reiserei, und ehrlich gesagt ist auch wieder einiges passiert worüber man ganz nett berichten könnte, aber dann kam der 11.März, und der hat vieles, ich will mal vorsichtig ausdrücken, „relativiert“. Um genau zu sein, eigentlich alles.

Klar, Du denkst jetzt vielleicht „Oh Mann ey, muß der jetzt auch noch anfangen mit der dieser Japan-Kiste…„, und eventuell hast Du ja auch recht damit. Ich habe die ganze Zeit überlegt ob ich jetzt eine weitere Anekdote zum besten geben soll wie ich z.B. kürzlich zu Fuß aus Mexiko in die USA eingereist bin oder irgend so etwas.

Aber was immer ich jetzt hier schreiben würde, erstens kann ich es zu einem späteren Zeitpunkt nachholen, zweitens würde ich mir dabei extrem schäbig und dämlich vorkommen, und drittens ist das alles im Vergleich zu dem, womit die Menschen in Japan zur Zeit Klarkommen müssen, nichts weiter als absolut belangloser Scheißdreck.

Nur so klar kann man es sagen.

Ich war ein öfters in Japan und auch wenn ich jetzt nicht gleich so überschwenglich in die totale Japan-Euphorie ausbreche wie so manch anderer DJ-Kollege (geile Partys gibt`s bei uns auch, da geht bei einem so weit entfernten Land wie Japan nur auch ganz gerne mal der Euphorie-Gaul durch…), es ist ein tolles Land mit super Partys, einer wahnsinnig faszinierenden Kultur, einer totalen Reizüberflutung, einem ganz eigenen Rythmus und vor allen Dingen einer Menge liebenswerter, gastfreundlicher Menschen.

Nun erduldet dieses Land fast schon mit stoischer Ruhe die Tatsache geographisch ungünstig gelegen einem Erdbeben nach dem anderen ausgesetzt zu sein, und weil das nicht reicht kommt da dann auf einmal auch noch diese scheiß Welle und kostet so vielen Menschen die Existenz und noch schlimmer, sogar das Leben.

Da sitzt man dann vor dem Nachrichtensender, checkt erst mal gar nicht was da gerade zu sehen ist bis man erkennt die kleinen weißen Punkte im Wasser sind Autos, die wie Spielzeug durch die Gegend geschwappt werden, und dann wird einem klar, daß man einfach nur fassungslos zusehen kann wenn die Natur wieder einmal das macht, was sie seit Jahrmillionen ohnehin schon tut, und wir Menschen da nur ein kleiner Pflasterstein auf dem Highway der Evolution sind.

Und genau wir, diese kleinen Pupser, machen das Ganze auch noch dadurch schlimmer indem wir glauben die Naturgesetze in unserem Sinne und immer so für uns nutzen zu können wie es uns beliebt, nach dem Motto „einfach die Stäbe tiefer in Wasserbecken, dann können uns die kleinen Atomkerne mal am Arsch lecken wenn sie sich einfach unkontrolliert spalten wollen“, und dann kommt da plötzlich so eine Menge Wasser daß am Ende genau an der Stelle, wo man es am dringendsten braucht, nicht mehr genug davon da ist, und es wundern sich alle warum diese Stäbchen immer heißer werden, und man stellt fest daß es keine so dolle Idee war gleich sechs Reaktoren in einem Erdbebenland direkt an die Küste zu bauen.

Bravo, ich glaube Pandora hat den Mietvertrag gekündigt, denn die Box ist offen und sie will uns da so schnell wie möglich raus haben.
Scheint zumindest so.

Ich hab, nachdem ich erst mal ein paar Emails nach Japan geschickt habe um zu sehen wie es den Leuten geht, die ich dort kenne, mir überlegt: „Mann, Alex, Du bist ja echt nicht dünnhäutig oder nah am Wasser gebaut, aber warum zieht dich das jetzt hier so in den Bann?

Das letzte Mal so mies während eines Gigs fühlte ich mich in Duisburg auf einer Bühne die sich „Love Stage“ genannt hat, und diese Tragödie in Japan hat es nun geschafft meine Gedanken ebenso zu fesseln, und ich überlege mir warum das so ist und vor allem fühle ich mich mies wenn ich mich dabei ertappe daß es beim Erdbeben in Haiti oder der Flutwelle 2005 in Asien zwar auch schlimm, aber nicht so krass war wie jetzt. Und das, obwohl dort ungleich mehr Menschen ihr Leben verloren haben. Bin ich ein schlechter Mensch wenn ich jetzt trotzdem Gigs spiele und einen auf „gude Laune“ mache?

Meine Antwort ist: Nein!
Ich komme langsam aber sicher zu dem Schluß, daß es dieses Mal etwas anderes ist weil Japan, nicht wie Haiti oder auch Thailand, ein Land ist, das vom Entwicklungsstatus her ziemlich vergleichbar ist mit meinem Heimatland, und das gepaart mit der Tatsache auch schon öfters dort gewesen zu sein, dort nette Freund zu haben und zu allem Überfluß auch zu wissen wie sehr dieses Land schon vor Jahrzehnten einmal unter der Entdeckung der „Möglichkeit zur Energiefreisetzung durch Kernspaltung“ gelitten hat, macht einfach alles anders.

Ich hatte schon als Kind immer ein mulmiges Gefühl wenn wir beim Verwandtenbesuch am ein oder anderen Sonntag am Kernkraftwerk Grafenrheinfeld vorbeifuhren, ganz so als gäbe es eine natürliche Intuition die einen vermuten lässt daß in dieser Betonkuppel Sachen geschehen, von denen wir Pupser in der Evolution lieber die Finger lassen sollten, aber das jetzt miterleben zu müssen wie über ein so zivilisiertes Land auf einmal so unfassbar viel Leid hereinbricht, das ist ein ganz anderes Kaliber.

Und gleichzeitig stelle ich dann fest, wie bewundernswert dieses Volk mit all dem umgeht und komme zu dem Schluß daß man sein Leben eben einfach weiterleben muß, nicht aufgeben darf, und vor allem nie die Hoffnung verlieren darf daß es auch wieder die Sonne scheinen wird. Und auf was könnte das besser zutreffen als auf das Land der aufgehenden Sonne?

Vielleicht sparst Du dir das Geld für den nächsten Wodkabull oder was Du sonst so konsumierst, und füllst dann am Montag einen Überweisungsschein aus, der an das Rote Kreuz in Japan geht. Da ist dein Geld zwar nicht so „hochprozentig“ angelegt wie in Wodka, aber sinnvoller dafür allemal…

Und feiern warst Du trotzdem, und hast damit so viel positive Energie freigesetzt wie es kein Reaktor der Welt jemals schaffen wird.

Hoffen wir einfach, daß die dann über Umwege durchs Universum bei den Menschen landet, die sie wirklich brauchen können.

Egal ob Japan, Haiti oder wo auch immer!