August, der Festival-Monat. Ein Großevent nach dem anderen, stundenlange Anfahrt, Stau, Hitze oder Kälte oder beides, Staub oder Matsch, je nach Wetterlage, Zeltplätze und so weiter.
Wie hat`s der Sänger der Foo Fighters auf einem Festival mal während einer Pause zwischen zwei Songs so schön auf den Punkt gebracht: „You know the nice thing about festivals? No? You go there, you can listen to great music, you get drunk, you have fun and you are spending a good time, you meet a bunch of lovely, pretty girls, and then… you fuck them and the best thing is that you will never meet again…“.
Nun ja, gut daß wir keinen Rock hören bzw. machen. Schelm ist wer da was anderes vermutet!
Man kann dann allerdings statt Staub, Matsch und Zelten auch den Plan B anvisieren und einfach anläßlich der Streetparade in die Schweiz fahren, genauer gesagt in die seit Jahresbeginn 2012 nun offiziell teuerste Stadt der Welt, noch vor Tokio, New York, London oder Paris: Zürich.
Am einfachsten bildlich dargestellt ist das Preisnivieau der Stadt wohl dadurch, daß das Hilton in der Nähe des Flughafens noch eines der preisgünstigeren Adressen in der Stadt ist. Jetzt will ich aber nicht wieder anfangen Dir von Dönertellern für zehn Franken beim Newpoint an der Hardtbrücke zu erzählen, das gab`s schon zu einem früheren Tourtagebuch. Aber doch dreht es sich, wie auch schon beim Tourbook aus dem letzten Jahr wieder um das Thema „Vinylfrust“. Vielleicht erinnerst Du dich, damals hatte ich massive technische Probleme und so, am besten mal nachlesen, auf meiner Homepage sind ja alle alten Tourtagebücher verfügbar.
Ich war also gebucht für das Electric City Festival auf dem Maag-Areal an der Hardtbrücke, genau, gleich beim Newpoint, und dieses mal kam erst die Arbeit vor dem Pepito und nachdem ich mir die Parade am Nachmittag als „normaler“ Gast gegeben habe war ich doch erstaunt wie verzerrt manchmal Wahrnehmungen sein können. Die letzten Streetparade`s verbrachte ich ja immer auf einem Truck, und da hört man naturgemäß eher die Musik die man selbst spielt, aber nicht die Grausamkeiten die einem von so manch anderem Truck entgegenschallen. Meine Güte, jetzt habt ihr da nicht nur die einzige wirklich große Parade die der Welt geblieben ist, entlang am See durch die schönste Stadt der Welt und vorbei an festivalreifen Bühnen mit richtig gutem Lineup, und wieso ist ein Großteil der Musik auf den Trucks so billig in der teuersten Stadt der Welt? Das geht ja mal gar nicht!
Ich war hartnäckig und habe mir von Nummer 8 bis Nummer 23 also wirklich einen Großteil der Trucks angehört, und der einzige, der einem nicht musikalisch den Magen umgedreht hat (und irgendwie doch, aber im positiven Bass-Sinn) war einer, von dem ich zwar leider den Namen vergessen habe, aber der mit einer Monsteranlage einen so dermaßen geilen Drum & Bass Sound dargeboten hat, daß ich fast schon mit offenem Mund da stand und dem Herrgott am liebsten Stoßgebete in die Himmel geschickt hätte daß ich das nach mehr als 2h Kommerz und Trance sowie Handtschenhosue und Happyhardcore der übelsten Sorte noch erleben durfte.
Und das allercoolste an dem Truck: keine Sau drauf außer dem DJ! Wie geil ist das denn? Ein besseres Statement kann man nicht setzen! Music, nothing but music!
Also, am Abend dann Electric City, und das Lineup war sehr vielversprechend und vor allem eher technoid, genau meine „Bau“stelle 🙂 Wie immer in der Schweiz perfekt organisiert startete ich relativ früh mein Set, das jedoch kann nach Stunden in der Sonne für die meisten Gäste auch durchaus von Vorteil sein und so entwickelte sich eine geile Party mit einer super Crowd die sichtlich Bock auf Techno hatte.
Dieses mal auch komplett ohne technische Probleme, alles lief und lief und lief, und nach dem Vergnügen folgt bekanntlich das Vergnügen und so startete ich los zur Erkundungstour durch die Hallen des Maag Areals, und da sind wir auch wieder beim vorhin angekündigten Vinylfrust, und das obwohl ja alles in digitaler Hinsicht perfekt funktioniert hat: Sven Väth. Da stand er auf der Mainstage, das gewohnte Bild, eine Platte nach der anderen, zwei Plattenspieler, ein Mixer, schwarze Scheiben. Das war`s.
Wäre da nicht der Sven.
Keine Sorge, der Bau ist nicht übergeschnappt und legt sich jetzt mit dem Sven an, nein, und ich schreibe das auch nicht aus Gründen der Speichelleckerei. Nein, mit Vinylfrust meine ich dieses mal etwas anderes. Mir geht es bei elektronischer Musik wohl so wie vielen. Und uns allen, denen es so geht, ist der Name Väth da sicher mehr als nur irgendein DJ, der da Platten auflegt.
Ehrlich gesagt habe ich von so manchen in letzter Zeit gehört „Ach ja, weißte, der Sven, nix besonderes, war schon ok, spielt halt jetzt auch viel Deephouse und so…“ oder ähnliches, und als ich da nach doch einigen Jahren in Zürich dann endlich mal wieder die Gelegenheit hatte Herrn Väth etwas länger bei der Arbeit zuzuhören dachte ich mir „Ey, was wollen die eigentlich? Waren die schon auf den richtigen Partys? Das ist Techno!“.
Da stand ich in einer dicken Halle mit einem auf den Punkt abgestimmten Soundsystem, Sven zockte eine fette Technonummer nach der anderen, die Wellen gingen auf und ab, ebenso die Hände der Leute, und ich fühlte mich erinnert an alte Zeiten wie z.B. an das Heizkraftwerk in München in den 90ern. Dieser Vibe war, zumindest für mich, vollkommen offensichtlich. Jetzt war es zwar nicht mehr ganz so wie früher einfach weil der Faktor fehlte daß ich früher oft da stand und mir dachte „<Mann, wo hat er jetzt denn wieder diese fette Nummer her, was ist das?“. Nein, Tracks kannte ich einige die er so spielte, aber es geht auch um etwas ganz anderes.
Wenn eine Nummer fett ist, ist sie fett. Effekte, Loops, blablabla hin oder her. Ob von Platte oder Festplatte ist dann erstmal zweitrangig.
Es ist dann doch geil zu erkennen daß es doch vollkommen scheißegal ist von welchem Medium da die Beats durch die Boxen gejagt werden, ein Vinylset kann genauso mitreißen wie ein Set vom Laptop mit gut gesetzten Effekten, die es nicht übertreiben, sondern subtil und gekonnt das Salz in der Suppe sind. Sven Väth braucht das alles nicht, er schafft es eben wie kein zweiter mit nur zwei Plattenspielern und einem Mixer das zu erzeugen, was andere eben auf andere Art und Weise schaffen, nur eines ist den beiden Sets bzw. Setups gemeinsam: die Musik darf / soll / muß im Mittelpunkt stehen. Wenn eine Nummer fett ist, ist sie fett. Effekte, Loops, blablabla hin oder her. Ob von Platte oder Festplatte ist dann erstmal zweitrangig.
Musikalische Defizite lassen sich durch technischen Übereifer nicht ausgleichen, denn letztendlich geht es um die Party und um tanzende Menschen, und ich glaube den meisten, außer einer Hand voll Decksharks vielleicht, ist es ziemlich scheißegal zu welchem Medium sie gerade zappeln. Außer da steht ein Nerd hinter seinem Laptop versteckt auf der Bühne und sieht aus als würde er Emails checken. Und das tut Sven sicher nicht.
Wenn Du also auf der nächsten Party von irgendeinem Schwachmaten einen Kommentar hörst wie „pff, der spielt ja noch Vinyl, das ist ja so out…“ dann hab doch einfach die Eier und antworte „Na ja, zumindest fährt er nicht mit dem Traktor durch den Club!“. Und das alles sage ich trotz jahrelanger zufriedener Nutzung eines begriffsverwandten Programmes in Verbindung mit einem zweiten Laptop und dessen Zusatz-Schnickschnack. Es kommt eben drauf an was man draus macht, und vor allem wie.
Und das letzte was unsere für Offenheit und Toleranz bekannte Szene brauchen kann, sind irgendwelche Fachidioten und Musiknazis, die halt auch mal was sein wollen: nämlich scheiße, und sonst gar nichts. So, ich flieg jetzt erstmal nach Australien und erzähl Dir dann womit Techno dort aufgelegt wird.