Florian Seyberth, Boozoo Bajou

Florian Seyberth, Boozoo Bajou. Ohne Ibiza-Sonnenuntergangs-Partykultur

Florian Seyberth, Boozoo BajouAm 7. August veröffentlichte das Nürnberger Produzenten- und DJ-Duett Florian Seyberth und Peter Heider unter dem Projektnamen Boozoo Bajou seine zweite Mix-CD. Juke Joint II ist eine musikalische Reise durch die globalen Spielarten von Soul und erscheint wie das zweite Album auf dem renommierten Berliner Electronica-Label !K7 Records; für Florian Seyberth ein Ritterschlag, doch es gab für ihre Musik auch keine Alternative.

Herr Seyberth, Ihr Debutalbum Satta bei Stereo Deluxe Records aus dem Jahr 2001 fand weltweit über 70 000 Käufer. Dust My Broom traf im vergangenen Winter den Geschmack nur eines Drittels dieser Zahl. Ist der Boom der Café Del Mar- und Lounge-Compilations nun vorbei?
Florian Seyberth (38): Zugegeben, wir haben mit diesem Hype, der nun abgeebbt ist, unser Geld verdient; Lieder von Boozoo Bajou sind auf etwa 130 Compilations vertreten. Doch wir haben uns nie dieser Ibiza-Sonnenuntergangs-Partykultur zugehörig gefühlt. Unser Spektrum ist viel weiter.

Boozoo Bajou bedient also nicht mehr die Käuferschaft von damals?
Nicht unbedingt, der Boom für elektronischen Downbeat ist aus verschiedenen Faktoren zuende: Der Umgang mit Musik hat sich geändert, die Leute haben weniger Geld zur Verfügung, man saugt viele MP3s von der Festplatte des Freundes und es gibt neue Modeströmungen.

Haben Sie sich mit dem zweiten Album vielleicht auch einfach zu viel Zeit gelassen?
Sicherlich auch das. Nick Cave zum Beispiel setzt sich selbst einen Stichtag und beginnt bis dahin, auch uninspiriert im Studio an Werk zu gehen. Er wartet nicht, bis ihn die Muse küsst. Das wollen wir auch so halten, zwar nicht mit der Brechstange, doch mit etwas mehr Mut beim Produzieren.

Bei der Berliner Plattenfirma !K7, auf der Fehlfarben, Nightmares on Wax, Stereo MCs und Rockers Hifi veröffentlichen, eine eigene Mix-CD-Reihe zu bekommen, ist eine große Sache…
Ja, es ist wie ein Ritterschlag, ein wirkich gutes Label mit guten Vertriebsstrukturen. Nach dem Tod von Oliver Rösch wollten wir weg von Stereo Deluxe Records. Dabei hatten wir gar nicht so viele Möglichkeiten mit unserer Musik.

Öffnet ein solches Label nicht auch Türen bei den Rechteinhabern für die Lizenzierung spezieller Lieder für eine Mix-Compilation?
Nein, auch für Juke Joint II haben die Labels nicht alle Lieder freigegeben, die wir haben wollten. Im Grunde ist jede Compilation ein Kompromiss. Daher bin ich erst recht stolz, dass wir ein rundes, flüssiges Set mit den Stücken hinbekommen haben, die wir letztendlich genehmigt bekamen.

Ihre Musik ist dem Bereich Downbeat zuzuordnen, auf Satta arbeiteten Sie viel mit Urwaldatmosphäre. Dust My Broom enthielt mehr Dub und mehr Gesangsparts. Der erste Juke Joint-Mix befasste sich mit Blues und Dub. Wohin geht der zweite Juke Joint- Mix?
Wir befassen uns mit langsameren Taktzahlen, soviel ist klar. Bei Produktionen arbeiten wir gerne mit filmischen Bildern, die Assoziationen hervorrufen, wie die Urwaldatmosphäre. Es geht sowohl ins Dunkle als auch ins Helle. Im Studio spielen Peter und ich mit verschiedenen Stilrichtungen und Sounds herum. Im Juke Joint II-Mix sind zwei neue eigene Stücke: Back Up mit dem Sänger Oh No, das geht in Richtung HipHop. Den Track Pflug hingegen haben wir atmosphärisch angelegt, es ist also nicht alles Zufall. Solange emotional etwas passiert, haben wir unser optimales Ziel erreicht. Die Reise geht von Blues, Country und Folk von The Meters, Tony Joe White und John Holt Ende der Sechziger bis zu präsentem, modernem Downbeat-Sound.

Woran liegt es, dass Sie zwar den Wienern Peter Kruder & Richard Dorfmeister musikalisch nahe stehen, doch lange nicht so bekannt sind?
Das liegt sicher daran, dass Peter Heider und ich nicht sonderlich extrovertierte Typen sind. Doch wir können uns nicht beschweren, wurden als DJ-Team bereits nach Australien, Singapur und in die USA gebucht. Momentan ist es zwar wieder etwas ruhiger geworden, doch im Herbst und Winter beginnen wohl wieder die Touren.

Die beiden Alben brachten Ihnen DJ-Auftritte auf der ganzen Welt ein. Sind Sie beide gelernte Plattenaufleger?
Meine musikalische Sozialisation begann mit Ska und Rocksteady in den Achtzigern, Anfang der Neunziger legte ich in der Erlanger Bar Transfer Blues, Rock´n´Roll und obskure Musik aus den Fünfziger und Sechziger Jahren auf. Über Umwege kam ich zum Dub und schließlich Reggae. Da ich ein bisschen was bewegen will in der Szene, veranstaltete ich schon immer auch Parties. Bereits 1996 holte ich zum ersten Mal den damals noch unbekannten Kölner Reggae-Sänger Gentleman nach Nürnberg, 2000 startete ich die nach wie vor existierende Reggae-Party More Fire in der Desi. Peter hingegen hat eine klassische Musikausbildung in Schlagzeug und Klavier.

Was erwartet den Clubbesucher bei einem Abend mit dem Boozoo-Bajou-DJ-Team?
Um alle Geschwindigkeiten und Gefühlslagen in der Musik auflegen zu können, wollen wir als Boozoo-Bajou-DJ-Team immer sehr lange auflegen, nicht einfach nur zur Prime Time. Das ist immer zu sehr ein Korsett. Die meisten DJs sind Puristen und legen den Stil auf, den sie auch produzieren. Die tun sich leichter, sie werden in ihrer Szene herumgereicht. Wir hingegen sind musikalisch nicht festgelegt, müssen immer auf Publikum hoffen, dessen Toleranz gegenüber unserer musikalischen Bandbreite groß ist.

Gibt es diese Offenheit in Nürnberg?
Ja, die gibt es. Wir machen uns rar in der Stadt, doch es gibt auch eine Partyreihe mit Namen Juke Joint, die wir zusammen mit Holger Watzka in verschiedenen Locations in Nürnberg veranstalten. Im Mai fand diese in der Desi statt und wir konnten ganz viele Schubladen ziehen, das Publikum ging mit.

Der nächste Juke Joint findet am 23. September im K4 Zentralcafé, Königstraße 93, Nürnberg, statt. Ursprünglich bezeichnet das Wort eine Art Wochenend-Hang-Out-Spot in der Mississippi-Region, an dem hauptsächlich Blues-angelehnte Musik gespielt wird.

Juke Joints gibt es schon seit dem vorvergangenen Jahrhundert, sie dienen auch als Treffpunkt für die vornehmlich schwarze Landbevölkerung, die zu laut gespielten und sich immer wiederholenden Blues-Riffs in Meditation verfallen.