Ein Alpendorf im Ausnahmezustand. Hotels voller Raver, am Dorfplatz eine bombastische Open Air Bühne, Parkhaus und Sporthalle umfunktioniert zu Indoor-Stages für angesagte Acts der elektronischen Subkultur, bis hoch zum Gipfel auf 2000 Meter wird gefeiert: Das ist RAVE ON SNOW!
Seit 25 Jahren veranstalten die PARTYSANen diese einst noch recht münchnerische vorweihnachtliche Sause, ihr origineller Veranstaltername ist abgeleitet vom Münchner Magazin für Techno-Subkultur PARTYSAN. Als der PARTYSAN Ablegern in ganz Europa, sogar Bangkok, zum stärksten Medium der wachsenden Technoszene wird, registriert man auch woanders dieses allererste Technofestival, allen voran der TV-Sender VOX. Er füllt mit Live-Aufnahmen unter dem Motto Rave Around the World seine Sendepause.
Anders als heute, war ein elektronisches Festival damals kein Selbstläufer. Bei Zeitschriften ist es umgekehrt.
Gegründet wurden die PARTYSANen von Bob Shahrestani und Thomas Kleutgen. Beide sind bis heute die Macher hinter Rave On Snow. Auf dem Münchner Alabamagelände, nach dem auch eine Jugendsendung des Bayrischen Rundfunks benannt wurde, entstand Anfang der 90er ein kleines, aber fast weltumspannendes Netzwerk: Der PARTYSAN.
Das Eventmagazin für die Techno-Kultur wuchs auf 20 Regionalausgaben, bis Bangkok, Liverpool, Sydney und Ibiza. Die Mitschnitte seiner Festivals Rave On Snow und Rave & Cruise flimmerten jahrelang nach Mitternacht in Dauerschleife über deutsche Fernseher: Es sind die ersten Aftermovies der Welt, von den ersten Techno-Festivals der Welt!
Bob Shahrestani:
„Wer mit Techno zu tun hatte, kam um den PARTYSAN nicht herum. 1997 schickte sogar Thailands Musiksender Channel V ein Filmteam zu Rave On Snow!“
Die Macher Bob Shahrestani und Thomas Kleutgen, sind es bis heute. Eine ziemliche Ausnahme bei Festivals, die von Megakonzernen wie CTS oder LiveNation reihenweise aufgekauft werden.
Gefunden haben sich Shahrestani und Kleutgen durch die gemeinsame Arbeit beim legendären Musik-Zirkus „Die Macht der Nacht“. Bob arbeitete dazu noch für Münchens erste wöchentliche Technoveranstaltung im Brennpunkt des damaligen Münchner Nachtlebens Schwabing – im nicht minder legendären BaBaLu. Gemeinsam starteten sie mit Techno & House Veranstaltungen – damals ein Novum in Bayern.
Zur Bewerbung ihrer Veranstaltungen gründen sie den PARTYSAN.
Die witzige Wortschöpfung aus Underground(kämpfer) und Party ist selbsterklärend, zumal in Verbindung mit dem Maskottchen, der Parodie eines Ravers mit großen Pupillen und Vogelnest-Frisur. Das neuartige Pocketformat, spaßbetonte Inhalte und die unkonventionelle Gestaltung durch den heute in Los Angeles erfolgreichen Designer Marc Posch eroberte München im Sturm und prägt die Musikszene.
Bereits 1993 wagt sich das Team, das sich „Die PARTYSANen“ nennt, an mehrtägige Raves, nicht ohne Risiko: „Festivals“ sind da noch Sache der Musikindustrie und ihrer Rockfestivals. Aber die Münchner sind pragmatisch und verzichten auf das Wort Festival. So kündigen Flyer und PARTYSAN-Anzeigen das erste Techno-Musikfestival nur als Rave an: RAVE ON SNOW, 14.-16. Januar 1994, 210 D-Mark für Musik, Busfahrt ab München, Unterkunft, Frühstück.
„Wir haben viel rumgesponnen. Eine alte Burg führte zum Burgfrieden-Festival, ein Sonnenblumenfeld zum Sunflower-Festival. Beides ging in die Hose. Aus einer Connection zu einem Reisebüro entstand Rave’n’Cruise. Das zum Beispiel hatte Erfolg.“
60 Teilnehmer: Das erste Rave On Snow Festival ist kommerziell wenig erfolgreich. Aber befreundete DJ’s musizieren für lau, die angemietete Diskothek als Festivalstage war billig, und alle hatten ihren Spaß. Ob ein einzelnes Projekt ertragreich ist oder nicht, ist in diesen Zeiten der Subkultur nicht so wichtig, und so findet Rave On Snow 1995 wieder statt. Diesmal mit bedeutenderen Produzenten der elektronischen Clubmusik und immerhin 200 Gästen. Der Termin ist nun das Wochenende vor Weihnachten, wie bis heute.
Am Rande: Ebenfalls 1995 plant Marek Lieberberg ein Techno-Sommerfestival: „Rave am Ring“. Das Projekt scheitert, weil sich die elektronischen Künstler geschlossen gegen die Vereinnahmung durch „die Rocker“ stellen (Nik Schär) – heute undenkbar. Das nächste elektronische Festival entsteht erst 1997 mit der NATURE ONE. Veranstalter Nik Schär verwendet zur Abgrenzung von den eintägigen Nature One Raves erstmals das Wort „Festival“.
1996 entwickelt Grafiker Marc Posch das Logo für die nächsten 9 Jahre: Das Maskottchen mit Snowboard. Und VOX bietet seine Sendepause nach Mitternacht an. Die PARTYSANen sagen zu, trotz überschauberer Vorjahreszahlen. Diesmal kommen filmreife 2.000 Gäste. Der VOX-Loop heißt RAVE AROUND THE WORLD.
1997 kommen 6.000 Gäste, 1998 gibts die erste Rave On Snow-Compilation, 2001 ist die Marke von 10.000 Partypeople erreicht, viel mehr geht bis heute nicht. Die Enge des Alpen-Sacktals und Vorschriften setzten die Grenze.
Bis 2008 gehört Rave On Snow zum PARTYSAN, erst 2009 wird es GmbH.
Dem PARTYSAN als Zeitschrift geht es da schon nicht mehr so gut: Anfang der 2000er werden die meisten Regionalausgaben nach und nach eingestellt, 2014 verschwindet mit dem Berliner Magazin die letzte Redaktion. Die Website PARTYSAN.net ist seitdem die letzte Medienpräsenz der Marke die die Anfangsjahre von Techno mit begleitet hatte.
Shahrestani und Kleutgen, inzwischen Berliner, führen eine erfolgreiche Marketing- und Veranstaltungsagentur unter anderem als Partner der Berliner Verkehrsbetriebe BVG oder für den weltberühmten Techno-Club Kater Blau. Mit den Veranstaltungen Thaibreak, Berlin, Beats & Boats und zahlreichen anderen Events sind sie der Branche und auch der Szene treu geblieben.
Rave On Snow ist für beide eher Hobby als Job, wie früher.