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Mit Aroma im Studio

Im pulsierenden Berlin beheimatet und doch auf der ganzen Welt unterwegs, fasziniert Aroma nicht nur mit sehr liebevollen Sets und Livegigs die ihres gleichen suchen, sondern auch mit druckvoller Studioarbeit, die Tracks hervorbringt, dass einem die Freudentränen in die Augen steigen.

Technoide Klanggerüste umgarnen lockere Grooves und dezente Vocaleinsätze – Aroma steht für einen Sound der Grenzen leichtfüßig überschreitet und auf die Tanzfläche zieht. Jeder Taktschlag erzählt unweigerlich von schweißtreibenden Clubnächten voller ausgelassener Lebensfreude. Wie genau Aroma es schafft diese Vibes aus dem Nachtleben auch im Studio umzusetzen und was sie im Leben vorantreibt haben wir im folgenden Interview in Erfahrung bringen können.

Wann hast du angefangen selbst zu produzieren bzw. mit Live Equipment zu arbeiten?

Ich habe in den 90ern angefangen als DJ aufzulegen und recht schnell begriffen, dass ich meinen eigenen Sound nur finde wenn ich ihn selbst mache. Ich habe damals im Plattenladen gearbeitet und wahnsinnig viel Musik gehört und auch echt viel Spaß am Mixen gehabt, so wie das meine Freunde die HipHop Jungs gemacht haben, mit aus heutiger Sicht echt nervigen Cut Ups und solchen Spielchen. Aber auf fast jeder Platte die ich mochte gab es irgendetwas, wo ich mir dachte , das würde ich anders machen. Also habe ich mir ein paar Drummachines gekauft, einen Atari Computer und angefangen Musik zu machen. Ich hing damals viel mit den Disko B Leuten und Acid Scout rum, die haben alle Musik gemacht aber für mich war das noch ein langer Weg ich habe ja praktisch bei Null angefangen. Ich konnte ein Instrument halbwegs gut Spielen aber von Musikproduktion hatte ich keine Ahnung. Aber ich wusste von der Uni wie man sich Wissen aneignet und dann gings los.

Viele meiner Freunde haben immer gelacht wenn ich wieder irgendeine neue Roland Kiste hatte und mit der Stundenlang rumsaß und Beats gebastelt habe. Schwieriger wurde es dann als ich mir 1998 mit einem meiner ersten PCs in den Kopf gesetzt hatte Live zu spielen. Mit Windows 95 ein echt hartes Unterfangen, aber ich hatte glücklicherweise einige Nerdfreunde die mir halfen und irgendwann hatte ich dann auch von Computern eine Ahnung. Aber meine ersten Liveacts habe ich dann doch lieber mit einer Akai MPC gespielt und einigen Drummachines. Mit den Soundkarten PC Laptops war das damals echt sehr instabil. Irgendwann wurde dann alles einfacher, die Rechner schneller, das Equipment billiger, die Software besser und heute sitze ich manchmal mit einem kleinen 10 g Computer herum und mache Skizzen wo auch immer ich gerade bin. Das war immer mein Traum dass das alles mal so einfach funktioniert.

 dj_aroma_with records_web_2Wo liegen deine musikalischen Wurzeln. Wer oder was hat dich besonders beeinflusst?

Das mit den Wurzeln ist so schwer zu sagen. Fange ich  bei der Musik an, die meine Eltern gehört haben wie Neil Diamond oder waren es die 80er , also meine ersten Platten ? Da war wirklich alles dabei von Dire Straights über Kraftwerk bis zu Spliff.  Ich habe das gekauft was mir in die Hände fiel und was man überhaupt bekommen konnte. Und ich war 9 als ich meine erste Platte selbst gekauft habe wie sollte ich da Ahnung haben? Immerhin hatte ich coole Eltern und einen Plattenspieler, das hatten damals wenige Mädchen. Als Teenager mochte ich Hip Hop von Tribe called Quest bis Public Enemy und dann kam Acid Jazz. Das fand ich toll, es war irgendwie ein Gegenkonzept so zurückgenommen. Und Skatepunk fand ich auch gut, ja und Curtis Mayfield und die ganzen Blaxpoitation Soundtracks.

Aber in dem Club in dem wir damals immer waren, spielte z.B. auch Laurent Garnier, der mich bis heute beeindruckt. Techno war einfach kein Widerspruch zu den anderen Sounds. Ich erinnere mich auch an einen Sommer, in dem Westbam eine Residency in München hatte. Da war das Wort DJ noch gar nicht wichtig, aber der hat so super aufgelegt daß wir nach seinem Namen gefragt haben. Ich habe dann 2 Jahre in Italien Studiert und die waren damals echt weit vorne im House, die nannten es „Undergroundg weil es eben nicht so offensichtlich und kommerziell produziert war und das fand ich ganz toll. Eigentlich hat das den heutigen Sound schon so ein bisschen Vorweggenommen. Und wenn man heute die jungschen Italienischen Demos bekommt, die alle gleich klingen und totaler Abklatsch unseres deutschen Techno sind möchte ich die gerne mal in ihr eigenes  Archiv schicken. Was ich in den letzten 10 Jahren so auflege hat sich nur minimal verändert durch die  unterschiedliche Soundästhetik, aber strukturell ist das immer noch ziemlich ähnlich und das ist toll, weil ich einfach auf bestimmte Elemente in meinem Sound total stehe. Ich könnte z.B. nie Dubstep produzieren weil ich die Struktur völlig unsexy finde.

Trotz dieser Wurzeln öffnest Du Dich durchaus anderen Genres. Du bist nicht nur auf ein bestimmtes Genre im elektronischen Zirkus eingeschränkt. Kann man deinen musikalischen Stil überhaupt in Worte fassen?

Genres sind Schall und Rauch. Ich denke viele unterwerfen sich da so moden was gerade alle spielen, aber ich suche ja meinen Sound und das ist einfach Elektronik – Techno wie House –  Genre übergreifend weil ich schon lange elektronisches höre. Ich würde meinen Sound  Deep Techno nennen. Es ist zwar blumiger als so mancher Techno heutzutage und sicher nicht so hart, aber ich mag es schon wenn es von unten heraus derbe groovt und das ist eben dichter als bei den meisten Houseproduktionen, die funktionieren in anderen Frequenzbereichen.  Ich nehme beim Produzieren auch Instrumente und Gesang auf, das lässt es oft organischer klingen. Und ich tanze einfach gerne und ich bin immer wahnsinnig glücklich wenn perfekt abgemischter Sound auf einer guten Anlage läuft, das ist für mich wie für andere in einer warmen Badewanne zu liegen. Ich glaube irgendwann werde ich einfach deshalb mal einen Club aufmachen um das in Perfektion zu haben.

Musik ist für mich das totale loslassen und in einem Sound zu zerfließen, da muss alles stimmen. Ich bin deshalb auch echt schlimm wenn es z.B um  Mastering geht. Wenn ich das aus der Hand gebe, was ich sowieso ungern mache, dann sage ich nicht einfach nur „mach es mega lautg, ich achte auf sehr viele Nuancen, die durch das Master anders klingen als ich sie ursprünglich arrangiert habe. Das will ich aber nicht denn ich habe es ja aus einem bestimmten Grund so gemacht, z.B wenn ich etwas absichtlich total „dreckigg abmische. Ich glaube viele denken da gar nicht so darüber nach, es ist ja auch für Musik auf einer Tanzfläche total unwesentlich. Aber ich muss mit meinen Sachen am ende des Tages leben ich mache Musik zuerst mal für mich und wenn sie dann jemand gut findet -schön, aber nicht der Grund warum ich sie mache. Ich bin wahrscheinlich mein größter Fan aber auch mein schlimmster Kritiker weil ich das was ich mache gnadenlos analysiere. Aber nur so arbeitet man an seinem Sound und ich kann auch heute nach über 10 Jahren noch sagen, dass ich die Hihat auf meiner ersten Produktion immer noch gut finde.

Gib es rückblickend einen ganz besonderen Moment in Deiner Laufbahn als DJ, Live Act und Produzent?

Diesen einen Moment beim Musik machen, Livespielen oder Platten auflegen gibt es nicht. Es viele kleine, gute , wilde, langweilige, traurige, wütende, lustige, gemeinsame Momente, die einen alle irgendwie Prägen. Ich glaube das lustigste war eine illegale Party in München (!) wo die Polizei vor der Tür stand und wir drinnen mit ca. 4000 Leuten standen. Das Bier war alle, weil die Veranstalter mit ein paar hundert Leuten maximal gerechnet hatten und Wodka konnte man nur noch in Flaschen bekommen weil Softdrinks und Becher auch alle waren. Aber die Stimmung war der Hammer. Es war einer meiner ersten Gigs vor Publikum und ich hatte kaum Ahnung vom Auflegen, aber es war eine super Party. Hätte man mir das ganze vorher gesagt hätte ich bestimmt nicht zugesagt, aber ich dachte , da kommen nur ein paar Leute und viele kenne ich persönlich, das traue ich mir zu.

Ich fand auch die Loveparade immer lustig, ich habe mindestens 5 mal auf irgendwelchen Trucks gespielt und die Atmosphäre war einfach toll, da kann man gegen die Veranstaltung -zurecht-sagen was man will. Aber die Berliner Parade war für mich von 96-2001 einfach so eine geniale Atmosphäre und 96 war das auch noch nicht nur kommerziell. Ich spielte zum ersten mal 96`auf einem mega wackeligen Truck, den Melanie di Tria organisiert hatte. Da waren hauptsächlich Djanes und ich habe viele nette Kolleginnen kennengelernt was überhaupt nicht selbstverständlich war.  Später waren die Trucks größer, aber immer noch  Ausnahmezustand da oben Vinyl zu spielen.

Als Produzent habe ich mich wahnsinnig gefreut als ich in den Charts von Laurent Garnier und John Aquaviva auftauchte, weil das einfach meine großen musikalischen Helden waren. Und der wütendste Moment war, als ich mal  während einer völlig guten Party die Musik ausgemacht habe weil der Veranstalter total druff meinte die Musik sei nicht minimal genug und ich solle das sofort ändern, sonst schmeisst er mich raus. Ich habe ihm dann gesagt, dass ich mir von niemandem künstlerisch reinreden lasse. Für die Leute auf der Tanzfläche tat es mir leid, aber ich musste dass einfach tun, denn ich hatte mir immer geschworen mir von keinem Diskothekenbesitzer Ansagen machen zu lassen. Ich finde das wichtig, sonst kann ich ja gleich Charts auflegen. Phew!

Du hast auf  Audio-collective gerade ein Remixalbum veröffentlicht. Mit welchem Anspruch bist Du an das Album gegangen?

Das Remixalbum war so eine Laune. Bei Audio-Collective bot sich die Gelegenheit nachdem ich das letzte Album bei Clubstream in Schweden gemacht hatte. Wieder ein Album zu machen fehlte mir die Zeit und die Muse aber ich hatte mittlerweile soviele Remixe gemacht und auch selbst viele Remixe von meinen Tracks bekommen, dass ich das einfach mal zu einem Album zusammengefasst hören wollte. Man versteht vieles besser wenn man merkt dass es eine bestimmte Strategie zu einer Musik gibt. Und das ist auf dem Remixalbum ganz gut gelungen.

Ich habe seither schon einige neue Remixe gemacht und auch von anderen bekommen. Es ist einfach das ganz große Ding für Tanzfächen, weil es den Sound anders interpretiert. Das geht schon in die Richtung wie in der Klassik Partituren auch nur eine Struktur sind und wenn da „Andante“ steht heißt das im Barock was ganz anderes als heute. Das ist auch Remixen. Und deshalb fand ich die Idee eines ganzen Albums als Werksüberblick großartig. Apropos, ich liebe Remixen einfach es ist wie der Musik eines anderen Künstlers ein ganz spezielles Aroma zuzugeben.

 Du bist viel im Ausland unterwegs. Portugal scheint besonders große Anziehung auf Dich zu haben. Wie kommt das?

Ich bin gerne im Ausland weil ich immer neuen Input brauche. Ich lege auch viel außerhalb von Deutschland auf weil mich das inspiriert. Ich mag vor allem Orte, die kulturell so verschieden sind, dass man erstmal die Codes verstehen muss. Das spiegelt sich natürlich auch in der Art Musik zu machen wieder und da lerne ich dann daraus. Außerdem ist Musik eine universelle Sprache und ich finde es toll viele andere Herangehensweisen und Menschen kennen zu lernen. Man kann soviel entdecken, wenn man nicht nur in großen Clubs auf den bekannten Trampelpfaden auflegt.

Ich habe z.B mal auf einem Festival in Kalinigrad gespielt, das war mega beeindruckend, wie das Publikum da unterwegs ist, trotz 10 Windstärken wollten die einfach nicht gehen. Ich war der einzige DJ der noch auflegen konnte weil ich nicht nur einen Computer dabei hatte, sondern auch mit CDs spielen konnte. Am Ende hat es uns dann die Bühne über dem Kopf weg geweht. In Portugal bin sehr gerne weil ich hier mittlerweile meine zweite Heimat habe. Ich mache mit einem guten Freund viel Musik und verbringe sehr viel Zeit im Studio, weil es in Portugal entspannter ist als bei uns. Der ganze Hype ist hier einfach nicht so groß und das ist angenehm. Die Musik ist aber trotzdem toll und ich habe schon vor 3 Jahren eine Compilation mit Künstlern aus Lissabon gemacht , einer der Jungs hier sammelt gerade Tracks damit es einen Nachfolger gibt. Ich stelle da nur die Struktur zur Verfügung. Das ist eben das coole , wenn man nicht nur kommt und sich bedient, sondern auch zusammen arbeitet und etwas hinterlässt.

Mit Gutsavo Rodrigues habe ich gerade mal wieder in Lissabon eine eigene Ep gemacht, da freue ich mich auch auf den Release, er ist einer der ganz wenigen, mit denen es mir Spaß macht zusammen Musik zu machen und aufzulegen. Und witzigerweise lernen sich auch immer mehr meiner unterschiedlichen FreundInnen von weit weg untereinander kennen, ich nehme sie einfach mit. Für mich ist es ohnehin doof zu sagen Ausland oder Inland, ich bin Weltbürger bzw. Europäer und am ende denke ich auch immer gerne an mein bayrisches Dorf aus dem ich weggelaufen bin. Ja und in Berlin wohne ich auch, früher noch mehr ,aber irgendwie geht immer mehr verloren von dem was ich an Berlin mochte, der Eigensinn, die Freiräume und das rotzige.

Du legst nicht nur auf, sondern spielst samt Equipment auch live.Wie intensiv sind für Dich diese Publikumsnahen Momente im Liveeinsatz?

Live spielen ist eine runde intimer, weil ich nur mein eigenes Zeug spiele und da mache ich mich viel angreifbarer als wenn ich mich hinter fertigen und einschätzbaren Tracks als DJ verstecken kann. Viele meiner Tracks sind noch nicht ganz fertig wenn ich sie live spiele und ich produziere sie dann erst fertig wenn ich das Gefühl vom Publikum gespürt habe. Ich glaube beim Auflegen bin ich mehr der Kapitän, der genau weiß wo die Reise hingeht und beim Livespielen bin mehr Navigator und versuche einen guten Weg zu finden. Ich mag Auflegen genau so gerne wegen der Limitierung durch die Technik.  Früher habe ich das aufgebrochen indem ich mit 3 Plattenspielern Vinyl gespielt habe, dann kam Traktor und man konnte Loops auf einmal viel einfacher spielen und heute ist es eben der Nexus.

Aber egal was für eine Technik man benutzt es ist immer wichtig das optimale daraus zu holen, das bedeutet man sollte die Technolgie sehr gut kennen, durchaus auch üben und Handbücher lesen, denn dann kann man sie „hacken“ und kreativ einsetzen. Als Musiker muss man sein Instrument einfach beherrschen alleine  um zu begründen was man tut und wie man es tut. Ich bekomme immer eine Krise, wenn Leute einfach sinnlos herumfummeln und keine Strategie haben. Anderseits überfordere ich da vielleicht auch den Anspruch an EDM, weil es gibt ja auch die Ebene, dass man einfach Spaß haben will und das ist auch völlig legitim. Und diesen Limbo auf des Messers Schneide tanze ich dann immer, ob live oder DJ, es geht mir um ein musikalisches 5 Sterne Menü, das dem Gourmet genauso schmeckt wie jemandem der eigentlich nur Hunger hat.

Gibt es etwas in 2014 worauf Du Dich besonders freust?

Ich freue mich auf viele schöne Wellen,  im Ohr und unter meinem Surfbrett und auf viele aufschlussreiche Reisen, auf meine Homies in Berlin,  auf die kommenden Releases die schon fertig sind und auf schöne, fette Remixe und ich arbeite gerade an echt schönen Tracks.  Ich mag immer nicht über Projekte, die in Arbeit sind, zu reden, aber ich gestehe ich arbeite gerade ziemlich viel.

 Aktuelles gibt es immer bei mir auf der Internetseite, auch ein großes Archiv an Musik und Mixes.

Vielen Dank.