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Gema auf dem Prüfstand. Die Enquete-Kommission des Bundestages will grundlegende Änderungen.

2007.05.03 clubkontext platten gema

Den Schutz des geistigen Eigentums gibt es seit Goethe.

Ihm gelang 1825 für sein Werk eine „Ausgabe letzter Hand“ und damit so etwas wie das erste Urheberrecht. Über die Wahrung des Urheberrechts und artverwandter Rechte wie das Nutzungsrecht wachen in Deutschland die Verwertungsgesellschaften, wirtschaftliche Vereine, unter der Kontrolle des Patentamts.

Sie erbringen damit eine den Staat entlastende Tätigkeit, die vor allem den Urhebern zugute kommen soll. Wer Worte, Bilder oder Musik öffentlich aufführt, wird von den Verwertungsgesellschaften zur Kasse gebeten, weil die Urheber keine Möglichkeit haben, selbst alle Kanäle zu kontrollieren. Jedes Jahr kommen so rund 1,1 Milliarden Euro zusammen.

Die Zukunft der Verwertungsgesellschaften in Deutschland wird derzeit in der Enquete-Kommission des Bundestages intensiv diskutiert. „Niemand zweifelt die Daseinsberechtigung der Verwertungsgesellschaften an“, sagt Gitta Connemann (CDU), Vorsitzende der Enquete- Kommission, die auch das Thema auf die Tagesordnung brachte. Trotzdem müsse die Arbeit der Gesellschaften überprüft werden, weil die Europäische Union zunehmend Transparenz, Effizienz, Mitbestimmung und Kontrolle dieser Gesellschaften kritisiere.

„Pseudodemokratisch“
Die größte und zugleich bekannteste deutsche Verwertungsgesellschaft ist die Gema. Seit etwa 100 Jahren wahrt diese „Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte“ mit Sitz in München und Berlin die Interessen der Komponisten, Texter und Verleger. 60 000 Menschen sind in der Gema organisiert, 334,506 Millionen Euro hat sie im Jahr 2004 an ihre Schützlinge ausgeschüttet. Ungefähr der gleiche Betrag, so Gema-Vorstandssprecher Jürgen Becker in der Kommission, gehe an Berechtigte im Ausland, 14 Prozent schluckt die Verwaltung (allein die drei Vorstände kassieren zusammen pro Jahr mehr als eine Million Euro). So kommt die Gema auf ein jährliches Haushaltsvolumen von etwa 800 Millionen Euro.

Trotz dieser augenscheinlich positiven Bilanz knackt’s im Gebälk der Gema. In den November- Nachrichten des Vereins ist ein Artikel von Jörn Pfennig, selbst Komponist und Texter, zu lesen, der die Struktur der Gema als „pseudodemokratisch“ anprangert. Zentraler Punkt seiner Kritik ist die Dreiteilung der Gema-Mitglieder. Denn obwohl Vorstandssprecher Becker in der Komission sagt, dass die Gema „eine Basisdemokratie“ sei, in der die Vorschläge „aus den Tiefen der Mitgliedschaft“ umgesetzt würden, sehe die Realität meist anders aus.

Zentrales Entscheidungsgremium der Gema ist die Mitgliederversammlung. Zu der haben – außer dem Vorstand – allerdings nur fünf Prozent der Mitglieder Zutritt. Diese so genannten „ordentlichen Mitglieder“, etwa 3000 an der Zahl, haben dort jeweils volles Stimmrecht. Die „außerordentlichen Mitglieder“, etwa 6000, und die 51 000 „angeschlossenen Mitglieder“ haben keinen Zutritt zur Mitgliederversammlung und dürfen nur 34 Delegierte in die Versammlung entsenden.

Wer zu welcher Gruppe gehört, darüber entscheidet das Aufkommen, das die Mitglieder pro Jahr mit ihren Werken erzielen. Komponisten und Textdichter werden ordentliches Mitglied, wenn sie insgesamt wenigstens 30 677,51 Euro binnen fünf aufeinander folgender Jahre sowie 1840,65 Euro per annum in vier Folgejahren einspielen. Das ist die höchste Stufe der Mitgliedschaft.

Die niedrigste ist die des angeschlossenen Mitglieds, das jeder Urheber werden kann. Die außerordentliche Mitgliedschaft unterscheidet sich von der angeschlossenen Mitgliedschaft nur in einem Punkt: Sie stellt eine Vorstufe zur ordentlichen Mitgliedschaft dar. Zudem müssen Urheber für die außerordentliche Mitgliedschaft mindestens fünf Veröffentlichungen nachweisen.

Dieses zahlenmäßige Gefälle von fünf Prozent „oben“ und 95 Prozent „unten“ hält Pfennig für ungerecht. Denn mit der Unterscheidung der Mitglieder werde nicht nur die von Becker beschworene Basisdemokratie ausgehebelt. Die Sozialleistungen der Gema bleiben den ordentlichen Mitgliedern vorbehalten, die restlichen Gema-Mitglieder können nur in Ausnahmefällen von Rente und Sterbegeld profitieren.

Der Justiziar der Gema, Stefan Müller, erklärt die Teilung der Mitglieder damit, dass die kleine Zahl der wirtschaftlich erfolgreichen Urheber nicht von der Mehrheit der weniger Erfolgreichen beherrscht werden soll. Das sieht auch Pfennig nicht vor. Seine Idee ist, die nur außerordentlichen Mitglieder ebenfalls zur Mitgliederversammlung zuzulassen und so mehr direkte Beteiligung in den Verein zu bringen.

Besonders heftig kritisiert Pfennig, dass die „Oberen“ in der Gema über den Rest der Mitglieder, „vor allem aber über sich selbst“ bestimmen. In der Mitgliederversammlung werden Verteilungsmodalitäten, Ausschüttungen, Pensionen und auch die Eintrittsschwelle in den „erlauchten Kreis“ geregelt. Bemerkenswert ist, dass die ordentlichen Mitglieder knapp 63 Prozent der Tantiemen, im Jahr 2004 immerhin 210,431 Millionen Euro, unter sich aufteilen. Dazu Becker: „Weil sie ordentliche Mitglieder sind und das erwirtschaften. Weil sie erfolgreich sind. Das ist das Repertoire, das gespielt wird.“ Der rechtlich abgesegnete Verteilungsschlüssel sei keine Willkürhandlung.

Post von oben
Pfennig kritisiert weiterhin, wie mit den Begehrlichkeiten der angeschlossenen Mitglieder umgegangen wird. Auf der Versammlung der angeschlossenen Mitglieder habe er gefragt, wie sich die Gehälter der drei Vorstände auf die einzelnen Köpfe verteilen. Das, so antworteten die anwesenden Vertreter des Vorstands, müsse er auf der Mitgliederversammlung erfragen. Also ließ er sich zum Delegierten wählen und besuchte die Mitgliederversammlung. Dort stellte er die gleiche Frage, aber ohne eine Antwort zu erhalten. Daraufhin schrieb er einen Gema-kritischen Artikel im JIM-Paper – und bekam prompt elektronische Post vom Vorsitzenden des Gema-Aufsichtsrats, Christian Bruhn. Dieser E-Mail-Verkehr liegt uns vor.

Im JIM-Paper hatte Pfennig dem Aufsichtsrat Bruhn unterstellt, dass er außer „gelegentlicher Sesselfurzerei“ nichts zu bieten habe und reduzierte ihn in seinem künstlerischen Schaffen auf seine wohl bekannteste Komposition: die Milka-Melodie.
Das erzürnte Bruhn so sehr, dass er Pfennig mit einem nicht weiter definierten „Nachspiel“ drohte. Die ganze Sache schaukelte sich dann im verbissenen E-Mail-Verkehr ein bisschen in die Bissigkeit hoch, bis Pfennig (ob zufällig oder nicht, auf jeden Fall aber in CC) am 16. Februar 2006 eine Mail vom Aufsichtsrat-Mitglied Peter Hanser-Strecker erhielt, die eigentlich an Bruhns gerichtet war. Daraus ein Auszug, der es in sich hat: „Querulanten sind immer Mini-Minoritäten, sie sind das ungebetene Salz in der Tagessuppe. Am besten begegnet man ihnen dadurch, das man als Karawanenleiter einfach weiterzieht. Bellende Hunde bleiben pinkelnd zurück.

Ich bin mir sicher, dass Ihr jetzt ganz heiß auf die folgenden Erwiderungen und Antworten und Verbal-Entgleisungen seid. Aber darüber breiten wir jetzt mal den Mantel des Schweigens. Auf jeden Fall hatte dieser Mailverkehr zur Folge, dass die Gedanken Pfennigs in den Gema-Nachrichten abgedruckt wurden. Und das wiederum hatte einen gehörigen Einfluss auf die Diskussionen und Fragen in der Enquete-Kommission. Pfennig sei Dank, der als stetig bellender Hund für ziemlich viel Aufmerksamkeit gesorgt hat.

Aber wo soll die Reise hingehen?
Wer sich das Wortprotokoll und die Statements der Enquete-Kommission aus dem Internet herunter lädt und sich durch stapelweise Papier frisst, bekommt einen ungefähren Eindruck. Zunächst mal scheint es der gemeinsame Wille zu sein, dass das Deutsche Patent- und Markenamt (die Aufsichtsbehörde der Verwertungsgesellschaften) in dieser Funktion personell verstärkt wird. Im Moment arbeiten hier fünf Menschen in der entsprechenden Abteilung, Untersuchungen dauern dementsprechend lange und die Aufsichtsfunktion ist dementsprechend gestört. Die Gema selbst scheint daran interessiert zu sein, dass sich am Image des Vereins etwas zum Positiven ändert. Zwar sind alle Abläufe rechtlich abgesegnet, aber in ihrer Struktur zu altbacken, als dass sie der künstlerischen Realität des neuen Jahrtausends noch gerecht würden. Außerdem wird diskutiert, ob es sinnvoll ist, weitere Verwertungsgesellschaften am Markt zuzulassen.

Parteien sehen Handlungsbedarf
Im Herbst gibt die Kommission Empfehlungen an den Bundestag, die bisherigen Statements sprechen eine klare Sprache. Monika Griefhan, SPD-Vertreterin in der Enquete-Kommission, will die Position der quasi stimmlosen Masse stärken: “Die wirtschaftlich schwächeren Urheber sind nicht weniger wertvoll für das kulturelle Leben in Deutschland, oft sind sogar gerade sie es, die mit besonders innovativen Ideen die Musikszene bereichern und Entwicklungen vorantreiben. Deswegen ist es wichtig, dass innerhalb der Gema ernsthafte Überlegungen angestellt werden, wie das Verhältnis in den Urhebervertretungen zukünftig verbessert werden kann.”
Auch der FDP-Vertreter Christoph Waitz sieht Reformbedarf: “Mit Rücksicht auf die Quasi-Monopolstellung der Gema in Deutschland wäre es sinnvoll, die Aufnahmevoraussetzungen für ordentliche Mitglieder zu erleichtern. Das kann durch eine Verkürzung der Wartezeit von bislang fünf Jahren und eine Reduktion der Mindestaufkommen erfolgen.” Das, kombiniert mit Änderungswünschen der CDU-Frau Connemann, könnte die demokratische Struktur der Gema nachhaltig beeinflussen. Die Vertreterin der Grünen wollte sich nicht zum laufenden Verfahren äußern.

Die Gema (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte) ist eine Verwertungsgesellschaft, die in Deutschland die Aufführungs- und Vervielfältigungsrechte von denjenigen Komponisten, Musikern und Verlegern von Musikwerken vertritt, die in ihr Mitglied sind.
Wer Musik öffentlich aufführt, abspielt oder vervielfältigt, muss eine Gebühr an die Gema zahlen, die diese abzüglich der Verwaltungskosten an die Berechtigten ausschüttet.