Stephan Bodzin

Stephan Bodzin: Schockierend war der Zwischenstop am Züricher Flughafen.

Am 20. April war Stephan Bodzin mit der Herzblut Labelnight zu Gast im Rocker33. Vor seinem Gig hat er sich die Zeit genommen, um mit uns in einem persönlichen Gespräch über eine ganze Reihe spannender Themen zu sprechen. Hier nun das ausführliche Interview:

Du bist ja grade mal ein paar Tage von Deinem mehrwöchigen Trip aus Indien und Nepal zurück. Welche Eindrücke und Inspirationen hast Du mitgebracht?

Wir waren sechs Wochen so richtig Oldschool Backpacking in Indien und Nepal unterwegs. Eine der ganz wichtigen Erkenntnisse für mich war, dass ich Musik einfach dringend brauche. Klar war mir das schon vorher, aber wenn Du sechs Wochen keine Musik hörst, keine Musik machst und auch nicht on stageperformst merkst Du, wie Du die Musik vermisst und sie dir schon fast körperlich fehlt. Zum Schluß war es eine richtige Erleichterung, zu wissen, dass gleich am ersten Wochenende zurück in der Heimat die erste Show auf dich wartet. Mann war ich heiss auf die Show!

Ich habe die Wochen dort schon sehr genossen, die Stille, die Natur, die Menschen, das Essen, die Gerüche, der Krach und die Geschwindigkeit. Das ist schon eine ganz andere Welt, die ich so noch nicht erlebt habe, obwohl ich ja schon viel unterwegs bin.

Inspiration habe ich für das, was ich musikalisch mache, habe ich dort weniger gefunden. Ich mag den asiatischen, sehr percussiven Sound persönlich sehr und kann ihn mir auch zum Entspannen stundenlang anhören, aber es beeinflusst meinen sehr westlich geprägten Sound überhaupt nicht. Ich stehe klar auf 12-Ton und nicht auf einen irgendwas Ton, wobei ich vollen Respekt für die indische Musik habe und das auch ganz toll finde, was dort gemacht wird. Gerade die Inder stellen für mich auch ganz klare Weltspitze in Sachen Percussiondar.

Menschlich gesehen hat mich die Reise ebenfalls gut getan, man kommt auf den Boden runter und verliert dort eine eigene arrogante Grundhaltung, die man vorher im Alltag gar nicht bemerkt hat. Man kommt dann zurück in die eigene Welt und hat einfach mehr Respekt vor dem, was man hat und wo man hier leben darf.

Beeindruckend ist vor allem, wie die Menschen dort miteinander umgehen und mit welchem positiven Blick sie nach vorne schauen, obwohl es dort nichts zu sehen gibt und die Menschen dort auch sehr bescheiden leben.

Unser Guide hatte uns am Ende der Reise zu sich nach Hause eingeladen. Wir dachten, er lebt in einem Haus, tatsächlich lebte er zu viert in einem Raum, der halb so groß wie dieses Büro hier ist. Und die Familie hat sich verbessert! Man kann sich das bei uns gar nicht vorstellen und man darf gar nicht daran denken, wie die Menschen leben, die schlechter gestellt sind.

Das sind Erlebnisse, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Inwieweit hatte die Reise auch „reinigende“ Wirkung, konntest Du etwas von der Yoga-/Hinduistischen Lehre für Dich mitnehmen?

Überhaupt nicht! Ich bin in keinster Weise esoterisch veranlagt, noch habe ich den entferntesten Bezug zu irgendeiner Religion. Glauben ist was anderes, das sei jedem selbst überlassen, ich halte mich da gut raus. Klar finde ich das schön, beim Tracking durch Nepal an den Gebetsmühlen vorbeizugehen, das hat etwas Spirituelles, was mich auch berührt und man gewöhnt sich auch an die Regeln wie z.B., das man nicht rechts vorbeigehen darf, sondern nur links, aber warum das so ist: Keine Ahnung!

Jetzt bist Du ja wieder zurück…Wie wirkt für Dich der Alltag nach dieser langen Auszeit? Kommt Dir das hektische Treiben zuhausein der westlichen Welt etwas „gaga“ vor?

Die Frage ist berechtigt, da die Stille in Nepal schon was ganz anderes ist und man allen Eindrücken außer der Natur beraubt ist, aber es war genau umgekehrt! In Nepal war ich ja vor 10 Jahren schon mal, in Indien war ich noch nicht. In Jodpur und Jaypur habe ich Dinge erlebt, z.B. Menschentreiben auf Strassen, so was habe ich vorher nirgendwo gesehen oder gehört, dass es sowas gibt und ich komme ja viel in der Welt herum. Motorräder jagen mit einer unfassbaren Geschwindigkeit in engen Strassen durch Menschenmengen, nichts passiert und keiner versteht, wie das funktionieren kann und nicht ständig Menschen überfahren werden. Mich haben mehrfach Fahrzeuge und Tiere gestreift oder sogar richtig angerempelt, aber weiter ist nichts passiert, unglaublich!

Als wir dann zurückgekommen sind, kam uns Bremen wie ausgestorben vor. Man empfindet die Ordnung und die vergleichbar wenigen Menschen wie dekadenter Umgang mit Lebensraum: So viel Platz für jeden einzelnen Menschen auf der Strasse! Das ist dann so gemütlich, voll entspannt, ganz langsam und so geordnet – mit Fahrstreifen, Bürgersteigen, Blinker 😉

Schockierend war der Zwischenstop am Züricher Flughafen. Dort stehen ja Masseratis, Bentleys, teure Uhren und der ganze Luxus herum, den die Leute mal fix mit einem Fingerschnipp kaufen und sich dann nur in die Garage stellen, damit sie es eben haben. Du denkst dann nur: Mann Alter! Für das Geld eines einzelnen Motorrads könntest Du in Indien locker ein ganzes Dorf wenn nicht sogar eine Kleinstadt ein ganzes Jahr lang ernähren. Das gleiche Gefühl hatte ich vor 10 Jahren, als ich schon mal aus Nepal über Amsterdam zurückgekommen bin. Du stehst dann da und denkst: Oh Gott oh Gott, wo leben wir hier, was für eine Dekadenz und so willst Du nicht leben. Letztlich musst Du aber wissen, woher Du kommst und eben das Leben hier zu handeln haben. Erstmal erscheinen Dir unsere Probleme als null und nichtig, aber  die Verhältnisse sind eben anders und wir haben doch auch unsere Probleme.

Letztes Jahr hast Du ja mit Marc Romboy unter Luna ein fantastisches Album produziert, das in aller Munde war und viel Lob geerntet hat. Habt Ihr mit diesem grandiosen Erfolg gerechnet?

Natürlich nicht, damit kannst Du ja gar nicht rechnen. Das war eigentlich eine fixe Idee von Marc und mir, wir hatten da einfach Bock drauf und wollten das Ding einfach für uns machen und mal fünf grade sein lassen, egal ob und wie erfolgreich das Projekt wird. Und wir wollten auch mal eine Live-Show auf die Bühne bringen, unbedingt!

Wir haben dann mal so zwanzig Kollegen angefragt, ob sie Interesse hätten, mal sehen, ob und was dann wohl zurückkommt. Innerhalb von drei Tagen hatten wir zwanzig!!! Begeisterte „will ich machen, will ich machen!“ Antworten. Wir waren total von den Socken, was ist denn hier los. Bei der Resonanz von Kollegen ist mir schon echt die Lade runtergegangen, das war ein Moment, den werde ich auch nicht vergessen!

Wir haben ja auch ein größeres Konzept mit einigen Tracks und 6 oder Vinylboxen entwickelt, ich weiss ehrlich gesagt gar nicht mehr, wieviel Vinylboxen rausgebracht wurden. Das kostet ja auch viel Geld und in diesen Tagen hängt man eben auch nicht mehr an einem Majorlabel, das alles finanziert, Marc Romboy, Systematic und ich haben das weitgehendaus eigener Tasche finanziert.

Natürlich war es ein Stück absehbar, dass wohl schon Booking Anfragen und eine gewisse positive Resonanz entstehen würde, aber mit dem Ausmaß und der Größenordnung haben wir wirklich nicht gerechnet.

Das Opening der Tour hier in Stuttgart werde ich auch nicht vergessen. Wir haben so lange darauf hingearbeitet, entsprechend kleben die Eindrücke von bestimmten Momenten sowohl musikalisch als auch bildlich fest. Du hast bestimmte Situationen wie z.B. der Gang vom Soundcheck zurück ins Hotel oder das erstmal die finale Bühne oder manche Peaks der Show mit Handsup der Leute vor Augen. Zugegebenermaßen sind auch mehr Eindrücke von diesem Abend geblieben, das Konzept war für uns auch was ganz Neues und klar waren wir auch richtig aufgeregt.

Viele der Tracks von Luna konnte man ja in der Setlist der Techno-DJs finden. Insbesondere zwei Tracks wurden ja von DJs sämtlicher Couleur hoch und runter gespielt: Der Pan-Pot Remix von Phobos und der Dominik Eulberg Remix von Callisto. Du bist ja selbst ein gefragter Remixer und hast schon diversen guten Originalen zum Top Track verholfen. Was empfindet man als Produzent dabei,  wenn ein Remix noch erfolgreicher wird als das Original?

Was für eine Ehre! Mich als Produzent des Originals erfüllt das nur mit Stolz, wenn ein guter Künstler seine Interpretation abliefert und die Leute auf die Kombination abfahren, sprich das Original ist gut, man hat den richtigen Remixer rausgesucht und der hat einen guten Job gemacht. Das ist ja der Sinn eines Remixes. Man selbst hat mit dem Original abgeschlossen und nun hat der Track soviel Substanz, das er nochmal am Markt funktioniert, ist doch der Hammer, oder?

Allerdings bin ich der Meinung, dass man das nur einmal mit einem Track machen kann, öfters sollte das nicht sein.

Der Phobos Remix von Pan-Pot ist Pflicht, das gehört für mich zur Professionalität – auch wenn ich bei der Vorbereitung eines Gigs jedes Mal wieder überlege, ob ich ihn spiele. Ich hatte ihn ein paar Mal nicht gespielt und die Leute waren bitter enttäuscht, also gehört er mit ins Set und ist klar einer der Peakburner, ohne Frage.

Nach Luna und Deinen Remixen sind wir natürlich alle gespannt, was in 2012 von Dir kommen wird, kannst Du uns schon ein bisschen was verraten?

Ja!Ja!Ja! Ich war ziemlich fleissig obwohl man das draussen nicht so sieht. Eigentlich wollte ich letztes Jahr schon mein Album fertig haben. Leider kamen mir fast 10 Monate Lissabon dazwischen und ich war nur am Strand. Wir hatten das spontan entschieden, dass wir das einfach machen, sind mit meinem Auto runtergefahren und wollten gar nicht so lange bleiben. Wir hatten ein kleines Loftappartment mit einer super inspirierenden Atmosphäre, ich hatte mir da auch ein Studio eingerichtet und wollte mein Album dort fertigmachen. Morgens bin ich auch super motiviert aufgestanden und wollte in mein Studio, bis meine Frau dann meinte: Och, wir könnten doch auch zum Strand… Die Freiheit habe ich mir dann auch jeden Tag genommen und weiss das auch extrem zu schätzen, dass ich sowas machen kann.

Zurück in Bremen bin ich dann erstmal in mein altes Studio und hab festgestellt, dass das gar nicht mehr geht. Viel zu dunkel und keine passende Atmosphäre mehr. Also musste ich erstmal was passendes neues finden, dann kam die Asien Reise dazwischen. Unter der Woche arbeite ich Tag und Nacht daran, das wirklich tolle Studio fertig zu bekommen. Ich bin schon ganz heiss darauf, den Berg von Ansätzen, die ich übrigens schon zum Teil in meinen Sets verwende, plus jede Menge neuer Ideen fertig zu machen. Im August auf der Day &Night in Stuttgart werde ich ja dann auch wieder live spielen und ihr werdet ganz sicher eine Menge der neuen Tracks zu hören bekommen. Bis Ende des Jahres will ich dann endlich mein zweites Stephan Bodzin Solo Album am Start haben, von dem ich ja nun schon seit zwei Jahren rede und mit dem ich hoffentlich sehr zufrieden bin.

Das Synthapella prägt einige Produktionen von Luna und ist der Hit bei Deinen Live Auftritten. Hast Du für kommende Produktionen auch schon wieder ein neues „Instrument“ im Visier?

Tatsächlich ist das technische Konzept für einen Live-Act immer ein wenig schwierig. Ich hatte ja vielfach die Screens übertragen, bei der Luna Tour wurde das durch das iPad abgelöst, was Anfangs neu war und jetzt ein alter Hut ist. Ein paar Ideen habe ich schon, bin aber noch am überlegen, ob ich nicht auf ein visuelles Konzept gehe und analoge Controller verwende. Die Leute wissen doch, dass ich da rumdrehe, dass muss ich denen ja nicht noch zeigen. Die Leute wollen ja auch, dass ich durchdrehe, was ich ganz klar mache, ich kann das auch gar nicht anders. Dafür werde ich mir dann auch noch was ausdenken. Vermutlich werde ich bis an mein Lebensende mit meinem Laserschwert rumlaufen. Ich hatte ja auch schon mit Körpercontrollern u.ä. rumgesponnen, leider funktioniert das nicht wirklich und dann stehst Du in einem kleinen Club oder schlechtestenfalls auf einer großen Bühne und nix geht, also habe ich das auch wieder verworfen. Ich habe einen kleinen analogen Synth und den werde ich auf jeden Fall in meine Performance einbauen. Das Ding ist total oldschool, macht aber richtig Krach und dadurch, dass ich dabei nicht auf der Bühne rumhoppel, sondern total konzentriert bin, merkt jeder, dass ich das echt live verwende. Das Ergebnis werdet ihr dann auf der Day &Night im August sehen.

Dein Partner Marc Romboy hatte erst letztes Jahr einige Gigs mit einer Traktor Emulation auf einem Surface Booth gemacht. Diese Entwicklung wird ja von einigen Kollegen schon auch mal kritisch beäugt und Vinyl steht höher im Kurs denn je. Wie stehst Du zur aktuellen DJ Technikentwicklung? Was nutzt Du in Deinen Sets und Livegigs?

Ich bin ein großer Fan von Vinyl und liebe den Sound einer Platte. Wir versuchen mit Herzblut soweit wie möglich und sinnvoll, alles auf Vinyl herauszubringen. Die kommende Produktion meines hochgeschätzten Kollegen Roland M. Dill wird die erste digital only Veröffentlichung sein.

Vor einem Jahr habe ich in Argentinien ein zehnstunden Set fast rein mit Vinyl gemacht. Ich habe mir die Platten des Residents, den ich schon länger kenne, hingestellt und  ein paar Sachen von mir reingemischt. Das habe ich schon länger nicht mehr gemacht und fand es echt toll!

Rein aus logistischen Gründen lege ich nicht mehr mit Vinyl auf, habe aber damit angefangen und bin mit zwei schweren Plattenkisten rumgezogen, was klar für meine Oberarme und meinen Bauch von Vorteil war. Ich mag digitales Auflegen und finde es super, wenn man digital mit einem guten Sound performt und werde

das Set heute abend im Rocker voll digital aber mit einem analogen Controller und dem Laserschwert bestreiten.

Vor Marc Romboy und seiner Show mit der Traktor Emulation hatte ich vollsten Respekt. Persönlich mag ich das nicht, ich finde einfach, dass man eine Traktor Emulation, die ja voll digital ist, nicht auch noch projetzieren, damit die Leute sehen können, dass es digital ist.

Bis vor einigen Jahren hast Du Dich ja kaum in der Öffentlichkeit präsentiert sondern vor allem für andere oder unter Pseudonymen produziert. Wenn man Dich on stage sieht, kann man das gar nicht glauben, dass ein Vollblut Entertainer wie Du sich jahrzehnte lang im Studio verkrochen hat. Was hat Dich dazu bewegt, sozusagen aus dem Keller auf die Bühne zu kommen?  Hast Du es auch schon mal bereut?

Die Herren Romboy, Huntemann und Schumacher haben mir zwei Jahre lang in den Ohren gelegen, doch einfach mal auszulegen, es wäre ja eine gewisse Nachfrage wäre ja schon da. Das sind ja alles drei DJs, die seit Jahrzehnten auflegen und das von der Picke auf gelernt haben. Ich selbst mache Musik, seitdem ich fünf bin und lebe genau in dieser Welt als Soundtüftler, was ich auch heute noch liebe und brauche. Auf jeden Fall ich habe den dreien erklärt, das jeder von uns das macht, was er am besten kann.

In einem schwachen Moment habe ich dann doch zugestimmt und im November zu meinem damals noch guten Freund und heute Labelpartner Jan Langer so lapidar und nebenbei gesagt, das wir das doch mal angehen könnten. Zum damaligen Zeitpunkt habe ich noch nicht ein Stück in ein anderes gemixt, weder mit CD noch mit Vinyl. Ich hab zwar meine Belegexemplare abgehört, hatte aber auch nur einen Plattenspieler im Studio.

Jan Langer kam dann auch gleich zurück und meinte, er hätte ein Booking Anfang Februar in der Bar Morphin in Hamburg für mich. Na super dachte ich, jetzt muss ich ja nur noch lernen, aufzulegen. Eine Woche später kam er mit weiteren Gigs in Spanien, Kanada und Berlin an.

Mein Bruder ist seit vielen Jahren in der Region Bremen ein ziemlich bekannter House DJ ist – übrigens existiere ich in Bremen gar nicht, der Name Bodzin wird immer mit meinem Bruder verbunden.Der kann auflegen, unglaublich! Innerhalb von 2 Sekunden ist der Übergang perfekt! Mein Bruder hat mir dann innerhalb einer Woche die technischen Grundlagen des Auflegens erklärt und ich stand dann von Anfang Januar bis Ende Februar sechs Tage die Woche acht Stunden im Studio und habe von den sechzig Platten (vierzig waren von mir) eine Platte nach der anderen gemixt. Digital habe ich erst ca. anderthalb Jahre später gelernt, was ich auch nie bereut habe. Grundsätzlich habe ich einen hohen Anspruch an mich selbst, auch live. Entweder ich mache die Dinge richtig und baue auch etwas besonderes ein oder ich lasse es bleiben.

Meinen ersten Gig habe ich dann vor vollem Haus und den Kollegen Schumacher, Huntemann etc. gemacht, die klar sehen wollten, wie oft ich mich bei meinem allerersten Set verhaue. Ich habe vier Stunden mit Vinyl aufgelegt und nicht einen einzigen Patzer oder Wacklerdringehabt. Mein Bruder hatte mir vorher noch den wertvollen Tipp gegeben, dass ich meine Hand festhalte, wenn ich das erste Mal die Nadel aufsetze, damit sie nicht zittert.

Chopstick hatte mich damals gebucht und war auch vor mir dran. Mann war ich aufgeregt! Heute will ich es nicht mehr missen und kanns auch nicht mehr sein lassen, plötzlich hatte sich eine Tür zu einem zweiten Lebensabschnitt auf einem völlig neuen Planeten aufgetan!

Deine Wochenenden sind schon weit im voraus ausgebucht, Du bist ständig in der halben Welt unterwegs, was für viele beneidenswert klingt.Wie kommst Du mit den Schattenseiten wie die anstrengende Reiserei, Termindruck und wenig Schlaf desDJs Lebens zurecht? Wie entspannst Du nach den Wochenenden und wie kriegst Du das mit Deiner Familie und Freunden unter einen Hut?

Mein Umfeld hat sich dadurch auf einen sehr kleinen aber festen Kreis an Freunden reduziert. Das gehört eben auch zum Business dazu, wenn Du am Wochenende unterwegs bist, wenn alle anderen frei haben und als einziger auf der anderen Seite im Club stehst. Der Verlust oder das stark eingeschränkte soziale Netzwerk empfinde ich auch als einer der Schattenseiten meines Jobs.

Meine Familie leidet darunter wenig, außer dass ich Sonntag Abends dann doch ziemlich fertig und gestresst bin. Die Wochenenden sind anstrengend, insbesondere weil ich auch exzessiv mitfeiere. Ich versuche mittlererweile etwas weniger Alkohol und und mehr Wasserzu trinken. Ich bin schon immer 100% drogenfrei und trinke nur Alkohol, damit bin ich ganz klar ein Paradiesvogel im ganzen Business. Das hilft mir aber dabei, entspannter anzukommen. Viele werden mich der Lüge bezichtigen, weil ich ja teils on stage total durchdrehe und aussehe, als hätte ich mir sonst was eingeworfen, aber dem ist definitiv nicht so, ich bin klarer Verfechter von „Nur-Alkohohl“. Ich toleriere alles, darum komme ich auch in der Szene kaum drumrum, und ich werde auch definitiv nicht müde, solange ich spiele. Ich liebe das, was ich mache und gehe total darin auf. Aber wenn die Musik aus ist, geht es rapide runter und ich werde todmüde – der Afterhour-König bin ich deshalb nicht 😉

Spätestens Dienstag früh bin ich aber wieder derjenige, der ich auch selbst sein will. Die 1-2 Tage dazwischen weiss meine Familie, dass ich mit meiner Stimmung und manchen Aussagen nicht ganz ernst zu nehmen bin. Danach geht’s jeden Tag acht Stunden ins Studio, abends kochen wir gemeinsam, treffen Freunde und klar die Bookermeetings abends in der Kneipe.

Neben Deinen eigenen Produktionen und Gigs  hast Du ja auch noch Dein eigenes Label Herzblut, auf dem Du nicht nur Deinen eigenen Produktionen sondern auch diverse weitere bedeutende Künstler wie Nicolas Masseyeff, Pig&Dan oder Max Cooper herausbringst. In welche Aufgaben des Labels steckst Du Dein Herzblut und wie passt das heavy Business eines Labels zu einem Vollblut Musiker wie Dir?

Ja mein guter Freund Nicolas hat ein ganz ungewöhnliches, hoch qualitatives und musikalisches Album herausgebracht, das ihr ja auch super gefeatert hattet. Wider den Trends und Maintream hat das Album eine eigene Handschrift, das mussten wir einfach genau so machen.

Meine Aufgabe bei Herzblut ist rein A&R, ich suche die Künstler und die Tracks aus, höre Demos und setze den Fahrplan für das Label.

Das Business mit Labelarbeit, Management und Büro macht Jan Langer, der auch IDEAL und Monaberrymanaged. Jan ist echt der Labelgott, der macht alles parallel aber hochkonzentriert und super professionell. Es kommt nicht selten vor, dass ich gerade mit ihm über ein Thema telefoniere und parallel bekomme ich von ihm eine Mail zu einem ganz anderen Thema.

Welche neuen Veröffentlichungen Deiner Künstler hast Du für die nächsten Monate  geplant, kannst Du hier schon etwas verraten?

Mein Album wird ab August ganz klar der Schwerpunkt sein, d.h. ab Sommer gibt es vermutlich erstmal nichts. Bis dahin gibt es verschiedene Sachen, habe aber immer nur eine Vorplanung von zwei, drei Releases, so mache ich das seit jeher.

Heute kam die EP „High Five“ von Johannes Heil raus, wunderschöne EP mit drei tollen Tracks. Einer davon ist mit Ingo Boss, ein ganz schräger mega Track, der unbedingt mit auf die EP musste.

Dann kommt die vorhin genannte Produktion von Roland M. Dill, den ich sehr schätze und von dem ich letztes Jahr auch in meinen Sets immer mehrere Nummern gespielt habe. Wir bringen nur digital 6 Tracks raus, die ganz unterschiedlich sind, von sehr atmosphärisch bis zum Peak Rocker ist alles mit dabei.

Direkt im Anschluss kommt dann auch wieder auf Vinyl den meiner Meinung nach besten Track von Max Cooper überhaupt. Max ist ja eigentlich eher für melodiöse Töne bekannt, diesmal wird es ein reiner Beat Track werden, der für ihn außergewöhnlich ist, und wie aus der alten Plasticman Schule klingt. Sehr geiles Brett sage ich Euch. Die B-Seite wird ein typisch melodiöses sehr schönes Cooper Teil werden.

Mit dem Label unterstützt Du ja auch eine Jugendfussballmanschaft, des FC Union Bremen. Wie bist Du denn dazu gekommen? Und bekommen die Kids auch schon „musikalische Früherziehung“ von Euch?

Leider ist das schon seit 3 Jahren beendet. Mein Sohn hat in einer der KindermanschaftenFussball gespielt und so bin ich dazu gekommen. Ich war totaler Fan der kleinen Racker in den Herzblut Trikots und ich immer zu den Trainings und den Spielen gegangen. Als mein Sohn aus der Mannschaft ist, hat sich leider dann auch das Sponsoring erledigt.

Heute Abend beehrst Du uns im neuen Rocker33 in Stuttgart mit einer Herzblut Labelnight. Neben Dir steht Luna Semara auf dem Line up.  Noch ist wenig von ihr zu hören bzw. zu lesen, und wir sind alle sehr gespannt, wen Du hier mitbringst. Was dürfen wir von der geheimnisvollen Lady erwarten? Und worauf können wir bei Dir gespannt sein?

Luna ist meine Frau, die seit vielen Jahren mit mir mitreist und klar alle Clubs der Welt gesehen hat. Wir kennen uns schon aus meiner Zeit als Producer und früher hat sie sich immer beklagt, dass wir nie reisen, heute mault sie dann schon mal ach nee nicht schon wieder Brasilien 😉 Irgendwann hat sie angefangen, nur für sich aufzulegen, hat mit CDs angefangen und hat einen ganz tollen Musikgeschmack. Letztes Jahr in Lissabon saßen wir dann  mit den Eigentümern des Opat Cafés zusammen. Die beiden haben sie dann richtig überredet, als warm-up für Marc Romboy in Lissabon aufzulegen. Das war der Hammer, sie hat echt die Hütte abgebrannt. Das war dann gleich wieder der Anstoß für Jan Langer, gleich Bookings für Luna klarzumachen.  Wir machen das aber nicht als Pflichtprogramm, dass ich nur komme, wenn Luna auch gebucht wird, sondern wenn es den Leuten gefällt und es passt.

Bevor wir in den Urlaub gefahren sind, hat sie u.a. das Rex in Paris echt gerockt. Für mich ist das klar erstmal neu aber super toll, wenn ich sehe, wie sie da oben steht und doch ein anderer Mensch ist. Und vor allem bin ich super stolz wenn sie den Laden wie z.B. im Rex zum kochen bringt.

Wie ist denn das für Eure Kinder, wenn Mama und Papa als gefeierte DJs auf der Bühne stehen?

Ich habe ja einen Sohn aus früheren Zeiten, für den Luna schon auch die Mama ist. Der ist klar ein riesen Fan von uns beiden. Schon das Ding „mein Papa ist DJ“ war der Knaller aber das Mama und Papa Djs sind, ist natürlich der Oberhammer und alle in seiner Klasse finden das natürlich sehr cool. Melodiöser Techno ist auch bei den Teenies immer noch angesagt, z.B. Extrawelt und Dominik Eulberg sind bei den Jüngeren schon ziemlich beliebt.

Last but not least: Du bist ja regelmäßig bei uns in Stuttgart, zuletzt auf der Day &Night im August 2011. Was verbindest Du – außer Autos – mit Stuttgart?

Die Day &Night ist für mich ein sehr wertvolles, ausgewogenes und qualitativ hochwertiges Konzept, das finde ich wirklich sehr gut und steht bei mir auch immer aufm Plan, Eure Bookings werden auch nicht abgesagt.

Ansonsten verbinde ich mit Stuttgart als erstes Martin Eyerer und sein Porsche. (Anm.: Martin hat seinen Porsche wegen seines Umzug nach Berlin verkauft hat). Wir sehen uns sehr selten, manchmal in Frankfurt in der Lounge. Ansonsten hat Euer Ländle hervorragendes Essen und wunderbare Weine. Außerdem war der Bühnenbildner, der mir als 19jähriger Komponist meinen ersten bezahlten Auftrag verschafft hat, ein Schwabe. Das war einen Theaterproduktion in Kärnten. Den habe ich kaum verstanden und bin sehr froh, dass ihr beide hier Euch so zurückhaltet.

Ach ja und dann klar Autos, Lehmann, Rocker33, das frühere Colibri. Damals habe ich viel weniger harten Techno und viel melodiösere Tracks gespielt, z.B. die Rekorder Tracks.

Warum war nach 10 Tracks eigentlich Schluß?

Das war schon immer klar und geplant, dass nach 10 Platten Schluss ist. Die „0“ war ein Kompromiss, aber danach war endgültig Schluss. Eine 11 wäre nie drin gewesen und wir fanden das auch super, dass wir 10 Platten gemacht haben und erst hinterher verraten haben, wer dahinter steckt. Das die Tracks so erfolgreich wurden, hätten wir ja gar nicht ahnen können. Das war für uns schon super krass, was da abgegangen ist und damals wurden auch noch viel mehr Stückzahlen verkauft. Nur um in alten Zeiten zu schwelgen: Als Rekorder on top war, war ich mit 25-30% an den Top 50 beteiligt, also mit 10.12 Produktionen. Wahnsinn!

Meine Vinyl Sammlung ist riesen groß und fast schon ein Lebenswerk. Von meinen eigenen Produktionen habe ich ganz stringent immer ein eingeschweißtes Paket mit 5 Exemplaren, die stehen alle nebeneinander im Regal.

Tausend Dank für Deine Zeit!

www.stephanbodzin.com
www.plantage13.com

Interview: Verena Szillat und Raphael Dincsoy