Weniger ist mehr, dass weiss auch Richie Hawtin. Ganz nach diesem Motto erweitert er den Minimalismus in der elektronischen Musik und wird damit gross.
Als Protagonist der „Second Wave of Detroit Techno”. Gut, dass Richie als er klein war, mit seinen Eltern von Detroit nach Kanada auswandern musste. Dort war es ihm nämlich scheinbar zu kalt, um mit seinen Schulkameraden die Sandkisten zu rocken. Gut so, denn während seine Kumpels zu Rock’n’Rollern mutierten, sass Richie vor dem Rechner seines Vaters und begann sich für Elektro zu interessieren.
Und als die anderen ihren ersten Sandkuchen gebacken bekommen, bekommt Richie schon seine ersten Aufträge gebacken. Denn schon mit 15 überschritt er nicht nur soundtechnische Grenzen (legal), sondern auch die Staatsgrenze von Detroit (illegal). Wo er sich dann in den Techno- und Houseclubs der Stadt von den Beats herumtreiben liess. Zwei Jahre später ist er dann auch schon selbst Resident-DJ im Shelter.
Während seine Sandkistenrocker Butter und Salz, Kuchen und Malz mixen, mixt er House und Techno mit Industrialsounds, von Nitzer Ebb oder Skinny Puppy. Und wenn er mal nicht in the House sondern zu Hause war, hörte er im Detroiter Radio die Sendung eines Underground Dj’s namens „Wizard” (Jeff Mills), und bald darauf konnte er auch schon seiner eigenen Radioshow lauschen.
1990 gründet Plastikman mit seinem Kumpel John Aquaviva das Label „Plus 8”, auf dem Kenny Larkin, Dan Bell, Speedy J, FUSE und State of Mind releasen. „Plus 8” bekommt eine Pluseins für minimalen, eigenwilligen Techno, dessen Sperrigkeit neue Türen öffnet. Im selben Jahr wird seine erste Single „Elements of Tora” veröffentlicht und während seiner Veröffentlichung von „Spastik”, die uns alle zu fröhlich tanzenden Spasties machte, legte er monatlich in Europa auf. In den Jahren 93 und 94 veranstaltete er derbe Parties, wie Hard, Harder, Heaven&Hell, Mayday 1&2, Lodge und Spastik.
Diese Parties waren die Samen für einen Garten Eden des Electronic im mittleren Westen Amerikas. Seine Shows waren und sind eine Synthese von Mann und Maschine. Seine Sounds ein Fleckerlteppich, auf dem man mindestens so abgehobene Trips wie Adam aus dem Wunderland machen kann. „Like Plasticine” verwandeln sich die Leute unter Richie’s Fuchteln. Immer wieder modeliert er sie neu.
„Ich möchte frei sein und alles organisch fliessen lassen” und das tut Richie auch, wenn er seine Plastikmännchen mit seinen Sounds zum Schmelzen bringt. In den tiefen Räumen, die seine Musik schafft, nimmt er die Leute mit auf eine Reise. „Es ist eine Art Hypnose”. Guru Richie hat die Menschen, die ihm lauschen, im Griff und lässt sie bestimmt nicht fallen. Nein, er nimmt uns an der Hand und führt uns durch ein bittersüsses Land.
Sein Land. Da wo alle Schwammerl Punkte haben und die Wolken nicht nur im Morgengrauen rosa sind. „Wie ein spannender Film hat die Reise Höhen und Tiefen”. Man spaziert Gedankenberge hinauf und fällt in die tiefsten Täler seiner Seele. „Die guten Technomusiker geniessen es, eine schöne Zeit zu haben, können aber dahinter schauen”. So heisst seine neueste Platte auch „Electronic Adventure” und jeder der will, kann diese mitmachen.
Zu ihrer Rechten sehen Sie sprechende Ohren, zu ihrer Linken schmeckende Augen. Kosten Sie von unseren Farben und gehen sie im Meer der Klänge unter… Überfordert? Dann entspannen Sie sich doch im Whirlpool der blubbernden Bässe. Der Plastikman ist das maximale Vergnügen des Minimalismus! [KZ] Richie Hawtin‘s neues Album „DE9 / Transitions“ ist ab sofort im gut sortierten Handel erhältlich.