Nirgends in Deutschland ist die Konzentration von Polizisten so hoch wie hier in München. Wen wundert es? Ist München doch polizeiliche Ausbildungsstadt Nummer 1. Das mag ganz gut so sein, schließlich braucht man hier keine Angst haben nächtens in einer dunklen Gasse beraubt zu werden.Leider gibt es bei soviel Sicherheit auch eine Kehrseite, denn gerade im Nightlife sorgt übermässige Polizeipräsenz oftmals für einen unschönen Abend.
Viele von Euch haben von der Razzia im The Garden am Fr. 26.01. mitbekommen. Hier der Polizeiliche Pressebericht zu diesem Einsatz: Aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts München I erhielt eine Discothek in der Isarvorstadt am 27.01.2007, zwischen 01.00 und 05.00 Uhr morgens, polizeilichen Besuch. Dabei wurden insgesamt 259 Personen einer Kontrolle unterzogen. 19 davon mussten wegen verschiedener Verstöße nach dem Betäubungsmittelgesetz vorläufig festgenommen werden, 3 davon wegen Rauschgifthandels. Ein 21-jähriger Beschäftigungsloser muss noch dem Ermittlungsrichter vorgeführt werden…..den ganzen Pressebericht kann man nachlesen auf: polizei.bayern.de/muenchen/news/presse (quelle)
Um etwas Licht in den Bürokratendjungel zu bringen und um Euch Eure Rechte bei solchen Aktionen aufzuzeigen, haben wir uns einen Nightlife-Anwalt zu Rate gezogen, und einige hilfreiche Antworten bekommen.
Wer trägt die Kosten für entstandene Schäden durch die Einsatzkräfte? z.B. zerstörte Feuerschutztür (es hätte auch einen Schlüssel gegeben.)
Nightlife-Anwalt (Christopher Knerr): Wer Anlaß zu strafrechtlichen Ermittlungen gibt, muß grundsätzlich sicher auch die Kosten hierfür bzw. für Schäden tragen, die im Rahmen der Ermittlungen entstehen. Stellt sich heraus, dass die Ermittlungen unrechtmäßig waren bzw. sonst nicht gerechtfertigt waren, hätte der Beschuldigte Ansprüche nach dem Strafrechtsentschädigungsgesetz (StrEG), nach der EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) sowie einen Amtshaftungsanspruch (zivilrechtlicher Schadensersatz / Schmerzensgeldanspruch). Im vorliegenden Fall ist fraglich, ob der Grundsatz der Verhälnismäßigkeit (VHMK) gewahrt wurde, zumal die Maßnahme schon begonnen hatte, und man ohne weiteres den Clubbetreiber mit dem Schlüssel hätte hinzuziehen können, ohne die Ermittlungen zu gefährden etc. Um hierzu genaueres sagen zu können und für den Fall, dass The Garden Ansprüche geltend machen will, bestände die Möglichkeit, Strafanzeige wegen Sachbeschädigung seitens des Betreibers zu stellen und parallel dazu Amtshaftungsansprüche und/oder Ansprüche nach dem StrEG geltend zu machen.
Wie sieht die Rechtslage aus wenn unschuldige Gäste über Stunden festgehalten, und eindringlich an intimsten Stellen durchsucht werden? Kann man sich einer solchen Durchsuchung entziehen, oder sie verwehren?
RA Knerr: Grundsätzlich ist zu sagen, dass der Aufenthalt einer Person an Orten, an denen aufgrund von Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden oder aufgrund kriminalistischer Erfahrung Straftaten begangen werden, Anlaß zu einer mehr oder weniger verdachtsunabhängigen Kontrolle geben kann. Keinesfalls jedoch darf eine Person körperlich ohne weiteres durchsucht werden, nur weil sie sich an derartigen Orten aufhält. (meint: auch körperliche Durchsuchung dergestalt, dass in den natürlichen Körperöffnungen nachgeschaut wird, sinnigerweise nicht erstmal im Mund, sondern eben meist dirket im Intimbereich) Die Durchsuchung darf vielmehr nur stattfi nden, wenn eine Person Verdächtige/r ist. Verdächtig ist man, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine bestimmte Straftat bereits begangen, nicht nur vorbereitet worden ist. Es reichen aber eben nicht bloße Vermutungen oder Behauptungen. Auch hier ist es so, dass die Durchsuchung der Körperöffnungen die ultima ratio bleiben muß. Stellt sich also bei der Kontrolle heraus, dass die kontrollierte Person unverdächtig ist, darf nicht als Sahnehäubchen noch schnell im Intimbereich nachgeschaut werden, ob sie auch wirklich keine Drogen besitzt.
Welche Konsequenzen könnten wegen gefundener Substanzen auf den Clubbetreiber zukommen, auch in Zukunft?
RA Knerr: Auf den Clubbetreiber kommen voraussichtlich keine Konsequenzen zu, es sei denn, man kann ihm beweisen, dass er von Btm – Handel wusste oder diesen geduldet hat. Dies ist Sache des Einzelfalls und könnte über eine Akteneinsicht leicht geklärt werden. Natürlich ist damit zu rechnen, dass weiter Zivilstreifen den Laden im Auge behalten und Kontaktpersonen eingeschleust werden, um den Laden zu überwachen. Dies könnte aber i.d. Fall sogar im Interesse des Betreibers sein.
Zur Rechtslage
RA Knerr:
Sind die polizeilichen Maßnahmen unberechtigt gewesen, so können die Betroffenen Anzeige erstatten wegen Nötigung, Freiheitsberaubung, evtl. Beleidigung und Körperverletzung. Zivilrechtlich Schmerzensgeld und Schadensersatz beanspruchen über den Amtshanftungsanspruch und eben Entschädigung nach dem StrEG.
Zur Vorgehensweise
RA Knerr: Diese unterscheidet sich bei Männern und Frauen, wobei die Grundzüge gleich bleiben.
1.) Anwalt hinzuziehen, zumindest telefonisch (Recht des Beschuldigten auf Verteidiger in jeder Lage des Verfahrens ist verfassungsrechtlich verbürgt)
2.) Zeugen hinzuziehen, soviele wie möglich
3.) Die jeweiligen Beamten fragen, welche Rolle man in dem Verfahren spielt (unbeteiligter, Zeuge, Verdächtiger, Beschuldigter)
4.) Entsprechende Belehrungen (Zeugnisverweigerungsrecht Zeuge /Aussageverweigerungsrecht Beschuldigter) einfordern
5.) Nach konkreten Verdachtsmomenten fragen, die (angeblich) gegen einen vorliegen; davon ausgehend energisch darauf bestehen, dass keine zu weitergehenden Maßnahmen als eine Personenkontrolle Berechtigung gebenden Anhaltspunkte bestehen
6.) Dienstvorgesetzte verlangen
7.) vollständigen Namen und Dienststelle des jeweiligen Beamten erfragen, ggfl s Ausweis -zeigen lassen und notieren
8.) Ruhig bleiben und mitteilen, dass man kooperativ ist, wenn berechtigt vorgegangen wird (sonst Gefahr eines Verfahrens wg Widerstand gegen die Staatsgewalt)
9.) Gegebenenfalls darauf bestehen, dass weitere Maßnahmen auf der Dienststelle und in Anwesenheit eines Rechtsanwalts besprochen / durchgeführt werden können
10.) Darauf hinweisen, dass VHMK Grundsätze verletzt werden könnten und dass dies ein Nachspiel (Dienstaufsichtsbeschwerde, Strafverfahren, Zivilverfahren, Petition vor dem Landtag etc) haben kann/wird
Für Frauen:
1.) Frau kann verlangen, dass ein Arzt zur Untersuchung hinzugezogen wird, hilfsweise kann auch ein Angehöriger hinzugezogen werden. Hier muss hartnäckig und unbeirrt darauf bestanden werden, dass ein Arzt die Untersuchung macht
2.) Grundsätzlich gilt, dass Personen nur von Personen gleichen Geschlechts durchsucht
werden dürfen.
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