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Moderat Interview mit Sascha Ring zur Tour 2014

Der Name Moderat steht für die Kooperation zwischen dem Duo Modeselektor und dem Solokünstler Apparat, die uns in den letzten Jahren durchaus wohlklingende, außergewöhnliche elektronische Musik beschert haben – moderat eben, deshalb sprechen die drei (Wahl-)Berliner sowohl Insider als auch Grenzgänger an.

Moderat gehören mittlerweile auch in ihrer Heimat Deutschland zu den gefragtesten Acts der elektronischen Musik. International steht das Trio schon seit Jahren ganz oben auf den Hitlisten, sei es für erfolgreiche Produktionen oder für ausverkaufte Konzerte.

Das erste Release war der Output einer äußerst ausgedehnten ersten Studiosession, die EP „Auf Kosten der Gesundheit“ kam im März 2003 auf Ellen Alliens Label BPitchControl raus. Bis die Labelchefin mit dem feinen Riecher für Highpotentials das erste Moderat Album veröffentlichen konnte, mussten allerdings sechs Jahre ins Land ziehen. Letzten Sommer hat das Trio das zweite Album veröffentlicht, die Tour musste nach den ersten zehn Konzerten aufgrund eines Motorradunfalls von Sascha Ring (Apparat) um mehrere Monate verschoben werden.

Inzwischen haben Moderat mehr als die Hälfte des Tourblocks gemeistert. Die nächsten Termine in Wien und Berlin sind wie das Konzert heute in Stuttgart sowie sämtliche vorangegangenen Konzerte ausverkauft. Kurz vor Tourstart hat Sascha Ring mit uns über Lampenfieber, Krücken, Theater und so manch andere Themen gesprochen, die Menschen jenseits des normalen Wahnsinns beschäftigen.

Sascha, erstmal herzlichen Dank, dass Du Dir so kurz vor Tourstart noch die Zeit für uns nimmst. Wie geht es Dir inzwischen, bist Du nach der dreimonatigen Pause nicht turbofit für die anstehende Tour?

Na ja also sagen wir so: Es könnte noch besser sein. Ich bin ja die letzten drei Monate nur zuhause auf der Couch rumgesessen, was übrigens eine ganz neue Erfahrung für mich war. Zum einen ist meine Stimme noch etwas aus der Übung, ich hab ja weder gesungen noch sonst viel gesprochen, was sich jetzt vor allem in den Vocaltrainings bemerkbar macht. Zum anderen bin ich immer noch weit davon entfernt, joggen zu gehen. Ehrlich gesagt dachte ich ja, ich krieg das alles viel schneller wieder hin aber durch die komplizierten Brüche konnte ich das Bein kaum bewegen und man glaubt gar nicht, wie schnell die Muskeln zurückgehen und erstmal wieder aufgebaut werden müssen. Und das ist ja dann leider nicht alles, Dir tut dann ja dauernd was weh, im Moment tut mir durch die Fehlbelastung der Rücken weh wie sau.

Bei der Vorbereitung zum Interview hat man mir verraten, dass Ihr doch ziemlich aufgeregt seid. Wie kommt es, dass doch auch so alte Hasen wie Ihr drei noch Lampenfieber habt?

Na ja, erstens tut man ja jedesmal etwas dafür, dass es nicht immer das gleiche ist und für die Leute langweilig wird. Das Setup für die Tour haben wir nur bei zehn Shows ausprobiert und normalerweise verändert man genau bei den ersten Konzerten noch sehr viel aber längst nicht alles und schleift das den Rest der Tour mit sich rum. Durch die Pause hatten wir die Möglichkeit, sehr viel nochmal anzupacken und starten jetzt mit einem doch wieder fast neuem Setup, das eben erstmal wieder live erprobt werden muss.

Inzwischen ist der überwiegende Teil der Konzerte ausverkauft, über leere Hallen müsst Ihr Euch also keine Sorgen mehr machen. Über was macht man sich vor einer Tour sonst noch Gedanken?

Der tolle Verlauf des Vorverkaufs freut uns klar sehr, das nimmt schon mal einiges an Sorgen ab. Außerdem sind wir super glücklich darüber, dass wir diesmal richtig viele Konzerte in Deutschland haben, bisher hatten wir ja mehr Gigs im Ausland als in unserer eigenen Heimat.

Neben dem neuen Setup beschäftigt uns dann schon auch mal, wie wir die lange Tour mit zunächst vierunddreißig Konzerten in zwei Monaten hinkriegen. Diesmal sind wir überwiegend mit einem Tourbus unterwegs und das ist schon was anderes als am Wochenende zwei Stunden zum nächsten Gig zu fliegen. Im Hotel schläft man nicht wie im eigenen Bett und im Bus sieht das nochmal anders aus. Darüber haben wir uns früher keine Gedanken gemacht, aber so mit zunehmenden Alter schlaucht einen das mehr und die Erholungsphasen werden auch länger.

Mal abgesehen von Eurem Debüt 2002 zählt man Euch mit Euren fünf Jahren an gemeinsamer Biographie als Moderat oft noch zu den Newcomern. Wie neu empfindet Ihr Euch selbst? Inwieweit sind Eure Fans über Euren Background informiert?

Für uns fühlt sich das immer noch wie etwas neues an, das ist auch gut so. Wir machen ja unsere anderen Projekte schon so lange und trotzdem man sich weiterentwickelt, bleibt es in Summe gleich. Moderat bringt uns jedesmal wieder etwas Frisches, Neues und so bleibt die Musik insgesamt super spannend.

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Was ebenfalls neu für uns ist: Wir sind eine Band und wir geben Konzerte. Das ist schon anders als meinetwegen Live Act in einem Club oder auflegen, auch das Publikum ist gemischter.

Soweit wir das verfolgen können, kennen die meisten in Deutschland bzw. Europa unsere Solo-Projekte, was aber nicht gleich von Anfang an so war. Inzwischen kommen diejenigen, die uns egal ob solo oder als Band länger verfolgen, meist auch irgendwann zur Band oder zu unseren Soloprojekten. In USA ist das nicht der Fall, hier ist Moderat wirklich was Neues und wir müssen tatsächlich die Fans komplett neu gewinnen.

Man könnte ja demnach daraus folgern, dass Moderat wie ein Pseudonym für eine andere musikalische Ausrichtung ist, vergleichbar mit diversen Projekten von Normen Cook (u.a. Fatboy Slim, Pizzaman) oder Maetrik & Maceo Plex?

Ja das gibt’s in der Technowelt heute sehr häufig, allerdings muss man meiner Meinung nach dann auch mit einem Pseudonym etwas sagen können und nicht nur wegen einer neuen High-Hat einen neuen Namen erfinden. Bei uns war das schon so, wir wollten schon lange vorher etwas gemeinsam machen, zum einen weil wir auch privat befreundet sind und einfach zusammen rumhängen wollen. Zum anderen wussten wir auch von vornerein, dass das wirklich anders klingen wird und dass wir dafür ein neues Projekt brauchen.

Mittlerweile ist Moderat unsere Band, d.h. nicht einfach Modeselektor plus Apparat, was elektronische Musik mit Gesang ergeben würde. Moderat bietet sowohl Gernot und Sebastian wie auch mir die Möglichkeit, Ideen einzubringen, die wir als eigenständige Acts entweder gar nicht realisieren können oder eben einfach nicht zur Definition des einzelnen Acts passen. Klar haben wir uns auch in den Soloprojekten ständig weiterentwickelt bzw. auch neu definiert, sonst wiederholt man sich irgendwann nur noch, was mit der Zeit schlichtweg langweilig wird, auch wenn man bei jeder Veränderung natürlich auch den Verlust der Fanbasis riskiert. Dennoch gibt es bzw. entstehen oft erst in der Zusammenarbeit zu Dritt Ideen, die für jeden alleine so nicht funktionieren.

Der Begriff „Band“ und dazu noch mit Gesang gehört ja nicht zu den Standards im Technobereich, vielmehr waren Vocals mit echten Texten lange Zeit ein No Go. Ihr drei gehört ja zu den ersten Generationen der Bewegung, was hat Euch in die eher konventionelle Ecke gebracht?

Also ich glaube, gerade weil wir alle die Phase miterlebt haben, gibt uns das jetzt die Freiheit, diese Konventionen wieder zu brechen. Wir haben alle lang genug in dunklen dreckingen Fabrikhallen gefeiert, die Anlage war zum Teil total beschissen, keiner hat sich für den DJ interessiert aber trotzdem war alles total cool. Aber die Zeiten ändern sich eben auch wieder, man kann oder will ja nicht zwanzig Jahres das selbe tun, sondern entwickelt sich auch persönlich weiter und probiert auch mal konventionelle Wege aus.

Im Vergleich zu damals seid Ihr jetzt Stars und die Teams um Euch herum sorgen dafür, dass möglichst alles passt – hat sich mit der Entwicklung Euer Umfeld, sprich Freunde etc. auch verändert?

Da gibt’s bestimmt Leute, die uns heute so nicht mehr folgen aber im Grunde genommen hat sich unser Umfeld nicht verändert. Die wenigstens sind doch im 90er Spirit stecken geblieben, sondern haben sich wie wir weiterentwickelt. In unserem Büro sind heute fast nur Freunde, die wir schon ewig kennen. Wir sind damals irgendwie zusammen gekommen und haben uns gemeinsam weiterentwickelt, das fühlt sich alles sehr organisch und familiär an. Man vertraut sich, man verzeiht sich gegenseitig viel eher Fehler, weil man ja alles gemeinsam gelernt hat. Genauso erträgt man schlechte Tage gegenseitig.

Es wäre sicherlich anders, wenn wir irgendwann mal gesagt hätten: So jetzt wir berühmt und brauchen ne professionelle Agentur. Auf einer reinen Geschäftsebene fehlt oft das gegenseitige Verständnis und sicher würde sich manches auch mal wie ein Ausverkauf anfühlen.

Ihr drei habt inzwischen die Teenie- oder Twentysomewhat Phase hinter Euch gelassen und lebt heute das, wovon viele träumen. Wie war das bei Euch mit den Träumen, habt Ihr Euch diese Karriere selbst gewünscht oder sogar geplant? Inwieweit habt Ihr es leichter oder schwerer gehabt als ein Newcomer heute?

Nee, natürlich nicht, die wenigstens Leute planen so richtig ihre Musikerkarriere. Das konnten wir ja eigentlich auch gar nicht, das passierte über die Jahre einfach und ist dann irgendwie außer Kontrolle geraten – was ja auch wiederum spannend ist. Heute ist das auf jeden Fall anders, vor allem sehr viel professioneller. Früher gab es keine Booker in dem Sinn, da sind Gigs passiert, während man heute schon viel eher den Weg planen und beeinflussen kann.

Auf der anderen Seite waren die Leute sehr viel offener für Neues. Du hattest ja vorhin gesagt, dass trotzdem die Line ups über die Jahre nicht wirklich verändert haben und für Deutschland gebe ich Dir da auch Recht. Klar gibt’s den einen oder anderen Newcomer, der sich inzwischen etabliert hat, aber in Frankreich oder England gibt es wesentlich mehr neue Namen oben auf den Flyern als bei uns. Die Deutschen gehen lieber auf Nummer sicher und scheuen das Risiko aus Angst zu scheitern. Viele haben meiner Meinung nach zu sehr die Businessseite im Fokus, d.h. die erzieherische Verantwortung von Veranstalter aber auch DJs und Labels, den Leuten neue Künstler näher zu bringen, bleibt auf der Strecke und Newcomer haben es erheblich schwerer als früher.

Wären Gernot und Sebastian jetzt dabei, würden sie sicherlich auf ihre beiden Labels verweisen, die sie eben genau deshalb gegründet haben, um unbekannten Künstlern eine Plattform zu bieten. Neben den Releases sprechen ja auch die Labelnights für sich, dort spielen fast ausschließlich neue bzw. noch bekannte Künstler.

Zur Vorbereitung des Interviews habe ich neben aktuellen Fotos auch ein paar Videos angeschaut, ehrlich gesagt erinnerst Du mich sowohl vom Äußeren als auch von Deiner Musik total an einen meiner früheren Helden aus den 90ern, der heute kein Techno, sondern Ballett- und Theatermusik macht: Cosmic Baby. Kennst Du ihn? Wenn ja, welchen Einfluss hat er tatsächlich auf Dich gehabt?

Ja klar! Das ist ein Held meiner Jugend! Ich kann mich noch gut dran erinnern, dass wir mir mit einem na ja halb angemeldeten Golf I nachts durch die Wälder gefahren sind und Cosmic Baby gehört haben. Klar prägen einen solche Jugenderlebnisse, vor allem wenn man sich nach so langer Zeit noch so gut daran erinnert.

Sein Werdegang hat interessanterweise noch mehr Parallelen: Mein erstes Debüt mit Theatermusik hatte ich bereits 2012, ich hatte für Sebastian Hartmanns Inszenierung von Krieg und Frieden (2012) die Musik geschrieben. An sich ist das ein klassisches Theaterstück, Sebastian Hartmann steht allerdings für moderne Inszenierungen, steht auch auf elektronische Musik und so kam die früher undenkbare Konstellation zustande, dass ein Techno Künstler Theatermusik macht. Der Soundtrack ist danach auch bei Mute als Platte erschienen. Du hattest ja vorhin mal gefragt, inwieweit man sich in unserem Alter Gedanken zu Alternativen macht und ich muss schon zugeben, dass ich mit Theater- und Filmmusik immer mal wieder liebäugele. Nächstes Jahr steht sogar ein Filmmusikprojekt an.

Die Platte ist ein gutes Stichwort: Eure Releases werden grundsätzlich erstmal als Vinyl veröffentlicht und kommen wenn überhaupt erst einige Zeit später auch digital raus, gibt es hierfür einen speziellen Grund?

Ja, das liegt vor allem daran, dass wir alle immer noch Anhänger des Album Formats sind, d.h. wir sammeln nicht einfach einzelne Stücke zusammen, sondern denken uns wirklich noch eine Geschichte mit einer Spannungskurve aus und so entsteht auch ein Album von Anfang bis Ende. Im digitalen Zeitalter kaufen sich die Leute ihre Lieblingsstücke und stellen eigene Playlists zusammen, das werden wir sicher auch nicht mehr ändern aber wir wünschen uns nach wie vor, dass sich die Leute unsere Alben von vorne bis hinten durchhöre und geben das den Leuten auch so mit, indem wir das Album zunächst als beispielsweise als Deluxe Edition auf Vinyl rausbringen.

Heute ist doch die frühere 12“ Maxi Massenware und vieles geht total unter oder wird nur 2-3 Wochen gespielt. Mit einem Album hast Du meiner Meinung nach eher die Chance, auch längere Zeit gehört zu werden, vielleicht über Jahre in Erinnerung zu bleiben. Zumindest wünschen wir uns das.

Lieben Dank an Dich für das Gespräch und viel Glück und Erfolg für Eure Tour. 
Anmerkung der Redaktion: Für die Konzerte in Dortmund und Bremen gibt es noch Tickets

Interview: Verena Szillat

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