markus kavka

Hang the DJ von und mit Markus Kavka. Halb-Gott vor dem Kickerkasten.

Markus-Kavka-Wenn der Name Markus Kavka fällt, denken die meisten Otto-Normalos an den MTV-Moderator. Und diese Assoziation hat man zu Recht, nach jahrelanger MTV-NEWS-Guckerei ist das nun mal unvermeidlich, oder? Doch mittlerweile weiß jeder Hillbillie: Markus ist nicht nur ein eloquenter Szene-VJ vor der MTV-Kamera oder ein Halb-Gott vor dem Kickerkasten. Nein. Er ist einer der begehrtesten DJs elektronischer Clubmusik, bringt die Disko-Rooms zum Platzen und beschert den Clubbesitzern mehr als nur die Miete.

 

Markus, Du bist ja sichtlich ein viel beschäftigter Mann bei MTV. Gerade, weil Du auch sehr viel unterwegs bist, um aufzulegen – sei es mit Julietta oder on your own – frage ich mich, wie du das gebacken kriegst. Gibt es da zeitlich keine Probleme, wenn Du bei MTV in Produktionen steckst? Findet man da als DJ für das Auflegen überhaupt noch Platz im Terminkalender?

 

Markus Kavka: Also der Vorteil ist, dass ich selten am Wochenende arbeiten muss. Eigentlich passiert das nur im Sommer bei Festivals, aber ich weiß dann vorher, wo ich rumtourdeln muss. Und ansonsten: Klar, ich bin Montag bis Freitag mindestens 10 bis 19 Uhr bei MTV in dem Laden und das bedeutet dann natürlich für mich, dass ich schon so 6 ½ Tage die Woche habe. Ich habe aber Fortschritte gemacht in Punkto Zeitmanagement. Das war früher nicht so meine Lieblingsdisziplin, aber jetzt ist sie das notgedrungen, weil ich das mit dem Auflegen machen will. Es ist ein Spitzenausgleichsport zu Mainstream, zu MTV, zum geregelten Bürojob.

Du stehst bei MTV nicht nur vor sondern auch hinter der Kamera. Du bist sozusagen Produzent und Moderator in einem. Welche Sendungen wachsen auf deinen Mist?

Also die MTV-NEWS. Das ist mein Ding. 20 Years on MTV und 25 Years on MTV war mein Ding. Rockzone ist mein Ding. Dann die ganzen Live-Produktionen von Rock am Ring oder die Übertragungen von den MTV-AWARDS. Brandneu habe ich eine Zeit lang gemacht und Spin, das es jetzt nicht mehr gibt. Jetzt gerade produzieren wir wieder ein neues Format. Es ist immer auch so ein Kommen und Gehen, weil eben viele Formate nur über einen bestimmten Zeitraum laufen. Das ist wie eine Wellenbewegung. Also zeitweise moderiere ich fünf Shows gleichzeitig, dann sind es nur zwei – je nach dem.

Dass man da noch Zeit hat als DJ zu performen – also: Puh! Soweit ich weiß, legst du aber auch nur auf, nicht wahr? Also Du produzierst selbst keine elektronische Musik, oder? Mir ist auf jeden Fall noch nichts zu Ohren gekommen.

Nee, also das ist dann wirklich so die Sache: Da fehlt mir die Zeit. Leider.

Verständlich. Was mir allerdings unverständlich und schon öfter zu Ohren gekommen ist, sind nörgelnde Clubber, die anscheinend Techno mit dem Löffel gefressen haben und deine DJ-Fähigkeiten bemängeln. Meistens sind die dann aber auch noch Gast auf deiner Performance. Da kann man manchmal nur noch den Kopf schütteln. Nun, für diese „Mixnazis“, so hast Du in einer Kolumne geschrieben, sei es „natürlich ein gefundenes Fressen, wenn der…“ – ich zitiere Dich jetzt selbst – „… Spacko von MTV nicht mal in der Lage ist richtig aufzulegen…“

Tatsächlich machst Du keinen Wheel daraus, dass Du nicht der beste Techniker bist. Wenn ich mich richtig erinnere, war der Titel für diese eine Kolumne von Dir „Hang the DJ“. Glaubst Du, dass solche Nörgler sich eher selbst daran aufhängen, dass ihnen deine Sets rein technisch nicht gefallen, gerade dann, wenn sie trotz ihrer Nörgelei deine Shows besuchen? Sollten eigentlich nicht diese Nörgler, gerade weil sie ja Besucher deiner Club-Gigs sind, lieber anständig feiern anstatt zu meckern?

(… lacht)
Na ja, das kann ich ihnen nicht befehlen. Aber es ist ja auch so, wenn 1000 Leute auf ein Rockkonzert gehen, dann stehen unter diesen 1000 Leuten 800 potentielle Musiker, die dem Gitaristen genau auf die Finger schauen, wenn er sich verspielt und sagen: „Kann ich besser!“

Natürlich weiß ich, dass ich viele Bookings oder überhaupt meine ersten Bookings nur über meinen Namen bekommen habe und nicht, weil ich jetzt so ein totaler Mix-Crack bin. Aber so eine Party – wenn sie funktioniert – ist ja eine Sache des Gefühls. Das ist ein Austausch zwischen DJ und Publikum. Ich bin ja auch schon im leicht fortgeschrittenen Alter und habe eben ganz zwangsweise ein enormes musikalisches Wissen angehäuft. Also das ist ein Fundus, der mich in die Lage versetzt so ganz instinktiv zu wissen: Wann spiele ich welche Platte und welche Platten kaufe ich mir überhaupt und lege sie auf. Wenn man sich darauf einlässt und eben versucht das Gefühl so ein bisschen zu teilen und einfach feiern geht, weil man eine gute Zeit haben will, dann funktioniert das auch.

Wenn man aber so ein bisschen Stock im Arsch hat oder zwei – einen längs einen quer – dann hat man natürlich mit meiner Performance ein Problem. Aber das nehme ich in Kauf. Genauso ist es ja auch mit allem anderen, das ich mache. Ich bin nicht im Fernsehen, weil ich ein ausgewiesen technisch perfekter Moderator bin. Mein Deutsch ist mangelhaft, weil ich aus Bayern komm. Das hört man auch immer wieder zwischendurch.

Meine Ausdrucksweise ist nicht so gut, dass ich die Tagesschau oder eben bei einem Privatsender eine Primetime-Abendshow moderieren könnte. Dazu polarisiere ich einfach zu sehr. Genauso funktioniert das mit dem Auflegen auch. Also das ist eben schon sehr persönlich und wenn man sich auf mich als Person einlässt, dann funktioniert das, aber wenn man mich als Person ablehnt, dann hat man natürlich eine schlechte Zeit – bei meinen Texten, bei meinen Radiomoderationen, bei meinen Fernsehmoderationen und beim Auflegen.

Die Auswahl der Platten bei deinen Sets lassen auf jeden Fall nicht zu wünschen übrig.
Von Matt O´Brien und seinem Rekid-Vinyl „serotone radio slave rmx“ bis zum M_nus-Release namens „baby kate remixes“ von Heartthrob ist da alles Elektroide vertreten, das rollt und antreibt. Als DJ muss man gut informiert sein, welche Platte kommt und geht. Hast Du manchmal Angst da den Faden zu verlieren?

Nee, weil dazu ist einfach mein privates Interesse an Musik zu groß. Also ich verbringe schon mindestens zwei, drei Stunden im Plattenladen jede Woche und ich verbringe mindestens eine Stunde am Tag am Rechner mit irgendwelchen MP3-Files und höre mir an, was es so neues gibt. Ich interessiere mich eben total dafür. Ich will das. Für mich ist Musik eben extrem wichtig in meinem Leben.

Klar geht mir auch viel durch die Lappen, weil auch einfach so wahnsinnig viel rauskommt, aber ich kann jetzt auch nicht behaupten, dass ich immer die totalen Hammerplatten ganz von selbst erwische. Es ist wie alles andere auch eine Geschmacksfrage. Wenn andere Leute meine Playlist lesen, denken die sich: Das ist ja total von vorgestern – oder kennen es gar nicht. Was weiß ich.

Du bist oft mit Julietta vom Harry Klein Club München unterwegs. Steckt da mehr dahinter? Gibt es da in ferner Zukunft vielleicht mal ein Projekt mit euch beiden?

Wir sind schon sehr lange befreundet und tatsächlich ist es so, dass Julia – genauso wie ich – immer mal zwischendurch darüber nachdenkt etwas zu produzieren. Die Julia hat aber unterm Strich noch ein bisschen mehr Zeit als ich. Ich glaube, von Julia werden wir bald was hören. Hoffe ich.

Ich habe dich vor sieben Jahren einmal als Gast im Ultraschall in München angetroffen. Julietta legte zu dieser Zeit oft im Schall auf. Hast Du sie damals in München schon näher gekannt?

(… zeigt demonstrativ mit dem Finger auf mich)
Es kann sogar gut sein, dass ich Julia auch an dem Abend kennen gelernt habe. Das war irgendwie so erster Weinnachtsfeiertag 1999. Wir haben uns damals über meinen Booker Peter Flemming kennen gelernt und den kannte ich wiederum, weil der früher auch in Nürnberg gewohnt hat und den Klamottenladen gemacht hat, bei dem ich immer eingekauft hab. So kam das dann alles zusammen in München.

Wenn man mit alten Elektro-Hasen über das legendäre Schall redet, hat meistens jemand davon eine interessante Geschichte zu erzählen. Gibt es ein Erlebnis, an das Du dich erinnerst? Eine wahre Begebenheit im Schall? Mit Markus Kavka!

Ach tausende… (Markus überlegt lange und schweigt)

(Ich unterbreche sein Schweigen)

Irgendwas Lustiges?

(Markus Kafka gibt keine Antwort. Es ist so ruhig, dass man fast hört, wie der Wind mit der Scheißhaustür spielt. Ich versuche ihn zu einem Geständnis zu animieren und erzähle von meinen Abenteuern in diesem Club.)

Also ich bin zum Beispiel mal vom Raum 8 in das Flokati, den damaligen Chilloutroom gegangen und da saß eine blonde Schönheit in Dessous, die sich auch noch Playboyhäschenohren aufgesetzt hatte. Und abgesehen davon, dass ihre Modelmaße schon genügend Aufmerksamkeit erzeugten, hielt sie sich in vortrefflicher Manie ständig die Nase zu. Also das war schon ein sehr exklusiver Fall von Fashionvictimism. Schamlos genossen hab ich das natürlich trotzdem.

Ja, solche Anblicke gab es natürlich immer wieder. (Markus grinst) Woran ich mich heute noch erinnere ist, dass meine damalige Freundin – das war auch so 2000, 2001 – und ich essen waren. Es gab irgendwie Tagliatelle mit Spinat und Champignons oder so…

(Ich plappere mal wieder rein)

Lecker.

(nickt mit dem Kopf) … und wir haben uns eben ganz schön weggeschossen an dem Abend – also sie ein bisschen mehr als ich noch. Irgendwann habe ich sie vom Ultraschall dann eben nach draußen geleitet und original an der Kasse wurde es ihr eben so dermaßen schlecht, dass die meinem Booker, dem Peter, der damals noch gar nicht mein Booker war sondern nur ein Bekannter, so dermaßen vor die Füße gekotzt hat – aber wirklich so dermaßen.

(Markus fegt mit der Hand von links nach rechts, um eine imaginäre Spur des Mageninhalts zu signalisieren) Das kannst du dir ja bestimmt vorstellen: Die Tagliatelle mit Champignons, die irgendwie gerade mal vor zwei Stunden in den Magen gewandert sind, wie die aussehen! Das war natürlich ein Haar sträubender Auftritt. Aber ich habe dann ganz auf treu sorgenden Freund gemacht, habe ihr alles weggewischt – die Haare aus dem Gesicht und so – und dann aber heimiwitzka! Raus da!

2001 bist Du von München nach Berlin gezogen. Hatte das mit deiner MTV-Karriere zu tun? Oder war das eine private Entscheidung?

Ich bin 2001 nach Berlin, weil dann eben mit der betreffenden Frau Schluss war und ich irgendwie raus musste aus unserer gemeinsamen Wohnung. Sie konnte die Stadt nicht verlassen – das war Köln damals – und da habe ich mir gedacht: Drauf geschissen, dann ziehst du eben jetzt schon nach Berlin. Es war ja auch irgendwie klar, dass MTV irgendwann kommen würde – zwar später als geplant, aber 2003 war es ja dann soweit.

Du wohnst in Berlin direkt im Wrangelkiez, also zwischen dem Schlesischen Tor und dem Görli. Was empfindest du für diesen Kiez? Kreuzberg ist ja für die meisten mehr als ein Bezirk, eher wie eine grundsolide Liebe zu einer versoffenen Künstlerin.

Markus Kavka: Also ich mag Kreuzberg eben, weil es wie für so viele, die sich in den 80ern auf Klassenfahrt begeben haben, die erste Anlaufstation in Berlin war und deswegen war mir das vertraut. Ich mag Kreuzberg auch deswegen, weil es da tatsächlich ein paar schöne, grüne, ruhige Ecken gibt und ich mag Kreuzberg, weil es nach wie vor überhaupt nichts Mittelmäßiges oder Spießig-Bürgerliches hat. Na ja, zwischendurch ist es zwar mal ein bisschen… (Markus lacht) … unangenehm da, aber…

(Ich unterbreche Markus)

Also kann man von keinem liebevollen Verhältnis zwischen Kafka und Kreuzberg reden, wenn Du sagst, dass es mittlerweile ein bisschen unangenehm dort ist?

Nö, also ich hab auch nicht vor aus Kreuzberg wieder weg zu gehen. Ich fühle mich da pudelwohl und finde die Leute da cool. Also ein anderer Stadtteil kommt da nicht in Frage.

Wie findest Du, hat sich die Elektro-Szene in Berlin über die Jahre weiterentwickelt?
Stichwort: Klangforschung. Ist da wirklich etwas vorangegangen? Oder stagnierte das wegen dem Minimal-Trend?

Das hat schon stagniert. Auf den Minimalzug sind eben alle aufgesprungen. Der Vorteil von Berlins Clubszene – egal ob man jetzt auf Minimal steht oder nicht – war ja, dass es immer Alternativen gab und die waren eben dann eine Zeit lang nicht da, weil alle etablierten Clubs die DJs durchgereicht haben. Da haben immer die gleichen Leute aufgelegt. Jetzt ist es aber so, dass es ein paar neue Clubs gibt, die da schon ein anderes Programm fahren.

Du sagst, einige Berliner Clubs steuern da mittlerweile dagegen – kann es sein, dass die Szene um den Minimal-Tick dort langsam zurückgeht?

Ja, aber das ist ja ganz normal. Man kann ja immer die Uhr danach stellen. Wenn was so und solange angesagt war – jetzt hier im Bereich der elektronischen Musik so ein bis zwei Jahre – dann ist meistens wieder Schicht. Dann kommt wieder was Neues.

(Ich sehe auf die Uhr)

Es ist jetzt schon kurz vor Eins. Wie ich sehe tickt nicht nur für Minimal die Zeit. Ich will dich nicht länger aufhalten, da du jetzt gleich an die 1210er musst. Danke Markus und viel Spaß noch.