„Show me your Teamgeist“, lautet eine Textzeile, die der Hamburger Rapper „Das Bo“ auf dem aktuellen Album der Berliner Techno-Produzenten „Lexy & K-Paul“ zum Besten gibt….Wenn man so will.
Das besagte Stück heißt „The Clap“ und ist versteckt in einem „bunten Reigen schöner Melodien“, wie der Produzent K-Paul das Album „Trash Like Us“ beschreibt. Dieser von Das Bo beschworene „Teamgeist“ ist in der langen gemeinsamen und doch getrennten Geschichte von Rap und Techno ein Stück Neuland: Ein Rapper nimmt einen Track mit Techno-Produzenten auf, das Stück wird sogar in den Clubs gespielt. Der dem Rap typische Sprechgesang umrankt hierbei die geraden Beats des elektronischen Viervierteltakts und macht eine ebenso gute Figur wie im gebrochenen oder verschleppten Hiphop-Rhythmus. „Mit einem Rapper ein Stück zu produzieren, war eine der interessantesten musikalischen Erfahrungen, die ich bisher gemacht habe“, sagt K-Paul, der schon seit den frühen 90er Jahren Musik macht.
Rapper, so meint K-Paul, gehen noch viel minimaler an die Komposition eines Stückes heran, als das Techno-Produzenten üblicherweise tun. Und das, obwohl der Minimalismus in der Klangstruktur das modernste Stilelement der elektronischen Club-Musik ist.
„Wir haben bei der Arbeit im Studio oft lange Diskussionen ausgefochten, wie wir nach dem Break jetzt weiter machen wollen“, berichtet K-Paul von der Arbeit an „The Clap“. Dabei trafen die Klang-Vorstellungen von Rap- und Techno-Liebhabern aufeinander. „Es gibt eben einige Sounds in der elektronischen Musik, die jeden durchschnittlichen Hiphopper sofort verprellen. Da musste ich manchmal intervenieren, auch wenn ich von Produktionstechnik an sich nicht viel Ahnung habe“, ergänzt Das Bo.
Mit diesen verprellenden Sounds meine er vor allem die dem Techno-Trance und Acid eigenen Klang-Strukturen, zum Beispiel eine schnarrende und quietschende Klang des wohl klassischsten Analog-Synthesizers und Step-Sequenzers TB 303. „So was widerspricht gänzlich den Hörgewohnheiten von Rap-Fans. Da wäre der Track sofort unten durch“, sagt Das Bo.
Der Rapper berichtet, dass Ziel von „The Clap“ gewesen sei, ein Stück für beide Szenen zu produzieren, das auch auf Tanzfluren von Hiphop- und Techno-Clubs funktioniert. „Ich denke, das ist uns auch ganz gut gelungen“, urteilt Das Bo.
Im Gegensatz zu Das Bo, der mit Gastauftritten in anderen Genres seiner musikalischen Herkunft im Grunde treu bleibt, haben die die in den vergangenen Jahren ihren Stil komplett umgekrempelt.
Angetreten sind sie im Jahr 2000 als Hiphop-Combo mit dem Album „Bitte ziehen Sie durch“, auf dem Nachfolger „Noch 5 Minuten, Mutti“ fand sich mit „Limit“ schon der erste Elektro-Kracher, und mit dem nicht mehr ganz so aktuellen Longplayer „Aufstand im Schlaraffenland“ bekennen sie sich im Jahr 2006 klar zur elektronischen Musik – allem voran mit der Hit-Single „Remmidemmi (Yippie Yippie Yeah)“. Das Stück wurde schnell zum Club-Hit, geliebt von Hiphoppern, Techno-Fans und auch den Independent- und Alternative-DJs.
Auf diesem Album ist übrigens auch wieder Das Bo als Gastmusiker vertreten, der im Track „Prost“ musikalisch mit den Deichkindern anstößt. Und hier einen starken Hiphop-Einfluss einbringt. Philipp, einer der Deichkind-Sänger, erinnert sich noch gut, wie es kam, dass sich die Band von Hiphop in Richtung Techno bewegte: „Wir hatten einfach die Nase voll davon, dass Rap in Deutschland immer eine mehr oder minder gute Kopie von US-Rap war. Wir haben nach einer neuen Plattform gesucht.“ Und da sei Techno der „kleinste gemeinsame Nenner“ gewesen, auf den sich die aus den unterschiedlichsten Musikrichtungen kommenden Deichkinder einigen konnten. „Außerdem sind die Produktionsweisen von Rap und Techno identisch. Die Musik wird meist am Computer zusammengebaut, nicht live eingespielt.“
Diese computergestützte Produktionsweise ( „Wir sind alle musikalische Stümper und spielen eigentlich keine Instrumente“) kommt den Deichkindern entgegen. „Wir haben darin eine Möglichkeit gefunden, Bestehendes zu zerstören und neu aufzubauen.“ Deshalb haben sie den herkömmlichen Rap mit seiner Song-Struktur beibehalten, aber den Klangkosmos modifiziert. „Wir arbeiten immer noch sehr stark mit Rap-Gesang, zeichnen den Zuhörern mit Sprache Bilder und rufen Erinnerungen und Phantasien wach. Aber die Musik, die das Gerüst bildet, ist definitiv eher Techno als Hiphop.“ Und weil jede Musik-Richtung auch ein Etikett braucht, nennen die Deichkinder ihren Stil „Tech-Rap“.
Dieses revolutionäre Musikkonzept ging schon vor einigen jahren auf: Bereits „Limit“ war ein achtenswerter Erfolg in den Clubs und dem damals noch starken Musik-Fernsehen. Der kommerzielle Erfolg von „Limit“ habe damals aber nicht den Ausschlag gegeben, in dieser Richtung weiter zu arbeiten. „Der Rap-Track ,Bon Voyage‘ hat sich damals noch viel besser verkauft. Das war ja mitten im deutschen Hiphop-Boom, von dem wir aber eher genervt waren. Deshalb stand uns der Sinn danach, auf der Techno-Plattform neue Wege zu gehen.“
Ein Schritt, den Das Bo nicht in Erwägung zieht: „Ich bin einfach mit Leib und Seele Rapper. Ich liebe diesen Lebensstil und die Musik. Ich kann mir für mich selbst gar nichts anderes vorstellen.“ Dass er trotzdem als Gast-Star bei Lexy & K-Paul sowie Deichkind zu hören ist, sei eher aus persönlichem Kontakt zu den Künstlern entstanden. „Es hat mich einfach gereizt, was mit denen aufzunehmen, weil das gute Typen sind. Musik machen ist für mich auch immer eine persönliche Sache.“
Seinem Image in der Hiphop-Szene schaden die Gastbeiträge nicht. „Die Leute aus der Szene wissen, dass ich schon immmer mein Ding gemacht habe. Und wer so oberflächlich denkt, dass man aus seiner Szene nicht rausdarf, bekommt die Impulse aus anderen Genres meistens nicht mit.“ Und so können sich die Fans „vom Bo“ schon im Oktober über ein neues Album freuen, wie er verrät. „Wie es heißen wird, weiß ich noch nicht. Aber ich habe die Liste der möglichen Album-Titel schon mal auf 50 reduziert.“
Für Deichkind war der Umschwung zu Techno eher ein Segen. „Das hat unser Profil deutlich geschärft. Jetzt gibt es etwas, das uns definiert.“ Deichkind verkaufe zwar viel weniger Platten als zuvor, dafür kommen viel mehr Menschen zu unseren Konzerten. Jetzt kann man sagen, dass wir richtige Fans haben, die auf unseren Style stehen.“ Deichkind habe durch die Neuorientierung gewiss Anhänger aus dem puristischen Hiphop-Lager verloren, dafür aber jede Menge neue Fans dazu gewonnen. „Eben diejenigen, die sich nach einem neuen Stil und neuer Musik gesehnt haben.“
Diesem neuen Stil will Deichkind auch treu bleiben. „Wir arbeiten auf jeden Fall weiter in dieser Richtung, das ist für uns der richtige Weg.“ Mehr als 200 Mal haben sie im vergangenen Jahr ihre TechRap-Show gespielt. Jetzt soll’s erst mal ruhiger um Deichkind werden, um dann im nächsten Jahr wieder zu kommen. Mit einer neuen, noch wilderen Tech-Rap-Show.