Es ist sicher nichts alltägliches, wenn sich eine DJane aus Russland in Deutschland präsentiert. Mitte Januar hatte DJ Helga aus Moskau ihre Premiere in Berlin und wir haben die Gelegenheit genutzt, Helga näher kennen zu lernen.
Es hat sich gelohnt. Nicht nur, weil Helga im 103-Club ein absolut professionelles und schön zusammen gestelltes Set ablieferte, das binnen Minuten den leeren Floor füllte, sondern auch, weil uns Olga Kucherenko, so ihr bürgerlicher Name, so einiges über die Szene in Russland erzählen konnte…
Helga, professionelle DJs aus Russland sind uns praktisch unbekannt. Gibt es dort eine fette Szene, von der wir nur nichts wissen oder steckt dort alles noch in den Kinderschuhen?
Wirklich gute DJs gibt es in Russland außerhalb Moskaus gar nicht. Und in Moskau selbst würde ich sagen sind es vielleicht fünf, die auf einem internationalen Level arbeiten. Die anderen spielen ausschließlich kommerziellen Stuff und das nicht mal gut.
Das ist nicht wirklich viel. Vermutlich sieht das dann ähnlich mager aus, was die Clublandschaft angeht…
Ja, es gibt ohne Ende kommerzielle Clubs für reiche Leute. Für progressive, minimale Technomusik gibt es dagegen nur einen Club, das Mix, aber ich denke, das ist der beste Club der Welt. Allerdings, die Szene, die dazu gehört ist nicht allzu groß und wirklich underground: So etwa 300 Leute können dort feiern. Primetime für die DJs ist etwa zwischen 6 und 9 Uhr morgens. Um 12 ist Schluss. Die Art des Feierns unterscheidet sich im Mix nicht besonders von dem, was ich bei Parties im Westen sehe.
Da hätten wir fast mehr erwartet. Vielleicht liegt das an Kazantip, der Halbinsel am Schwarzen Meer, wo eine der verrücktesten Technoparties überhaupt stattfindet eine Freak-Show ohnegleichen, nach dem, was man so hört (Alles über Kazantip bei www.kazantip.de, die Red.). Dieses Open-Air, das im Sommer immerhin einige zehntausend Besucher anzieht, scheint also nicht typisch für die Techno-Szene Russlands zu sein.
Nein, Kazantip ist wirklich etwas Besonderes und vor allem einmalig. Ich war in den letzten beiden Jahren dort und finde, es hat nichts von seinem Underground-Charme verloren. Nach wie vor spielen alle DJs ohne Gage und Techno steht absolut im Vordergrund. Ich kann auf alle Fälle raten, sich das mal anzuschauen, am besten mit Freunden. Vielleicht sogar eher im Mai zur Auftakt-Party, die mit einem Floor auskommt, bei vielleicht 5.000 Besuchern. In jedem Fall ist dort alles sehr, sehr verrückt.
Helga, heute ist Dein erster Gig in Berlin. Wie ist es dazu gekommen?
Eigentlich sollte das eine echte deepmix.ru-Party werden mit der kompletten Mannschaft. Aber alle hier an den Start zu bringen, inklusive eines Liveacts, das war dann doch zu teuer.
Bei deepmix.ru bist du Resident. Wie bist Du zu diesem Internet-Radio gestoßen?
Der Erfinder von deepmix.ru ist eigentlich Barmann im Mix. Ich spiele dort nun schon etwa fünf Jahre. Als Dimitri das Projekt startete, fragte er mich nach meinem musikalischen Input. Natürlich hab ich ihm Mixes zur Verfügung gestellt.
So reizvoll deepmix.ru auch ist, es ist nicht gerade eine Fundgrube für russische Produktionen.
Nein, wirklich nicht. Wie auch? Es gibt momentan nur sehr wenig gut produzierte Musik aus Russland. Das ändert sich sicher mit der Zeit. Auch in meinem Koffer sind ganz überwiegend Platten aus Deutschland, vor allem aus der Kompakt-Ecke.
Und heute in Berlin ist das Dein erster Besuch in Deutschland?
Nein, ich hatte schon sehr früh Kontakt zu Deutschland, genau genommen verbrachte ich meine ersten Lebensjahre hier mein Vater war als Soldat in Ostdeutschland stationiert, in der Nähe von Magdeburg. Als Jugendliche bin ich dann noch mal im Rahmen eines Schüleraustauschs nach Deutschland gekommen.
Und jetzt als Künstlerin zu Gast. Du spielst auch in New York oder in Dänemark, da scheint sich eine internationale Karriere anzubahnen.
Ja, aber das ist gar nicht so leicht. Da ist einmal das Visa-Problem. Ein deutscher DJ kann sich in der EU überall frei bewegen, ich brauche immer wieder aufs Neue Einreisegenehmigungen und teilweise auch Verpflichtungserklärungen von EU-Bürgern, die darin versichern, für alle möglichen Kosten aufzukommen, sollte ich zum Beispiel krank werden. Das macht alles teurer und bürokratischer. Aber inzwischen habe ich da so meine Routine und kann diese Dinge eigentlich recht unkompliziert lösen…
Kannst Du vom DJing eigentlich leben oder gehst Du in Moskau noch einer geregelten Arbeit nach?
Bis vor zwei Jahren hatte ich auch noch einen regulären Job, meiner Ausbildung entsprechend arbeitete ich bei einem großen Mobilfunkunternehmen in der Finanzabteilung. Jetzt gehts aber nur noch um Musik und DJing. Auflegen, organisieren von Parties, promoten von anderen Künstler… das sind so die Dinge, die ich mache.
From Russia With Love
DJ Helga
pozor!/Sophie Schwab