2007.01.09 Christopher Just

Christopher Just > Alte Wiener Schule: Der Term Techno ist vollständig rehabilitiert.

2007.01.09 Christopher JustChristopher Just spielte zu NDW-Zeiten bereits Gitarre. Er studierte fünf Jahre lang Mode, bevor er für ein gutes Jahr „ernsthaft“ die Hochschule für angewandte Kunst in der Meisterklasse für Malerei besuchte.

Als der Österreicher „den ersten Technotrack“ seines Lebens hörte, kehrte er der Malerei ebenfalls den Rücken. Just tauscht die Pinsel gegen Sampler, 303 & 909 und arbeitet nebenbei in einem Plattenladen. Von dort aus erobert er als „Ilsa Gold“ (zusammen mit DJ Pure) die Rave-Szene. Als Christopher Just produzierte er bereits früh für Cheap oder Ilsa Gold und gründete sein eigenes Label Petra. Beim Überfliegen seiner Diskografie kann einem schwindelig werden: Zu viele Namen, Titel und Labels. Deshalb die erste Frage:

Partysan: Wer ist Christopher Just?

Christopher Just: Die schwierigste Frage gleich zu Beginn. Das herauszufinden überlass ich lieber dem folgenden Interview. Ich bin gespannt, zu welchem Ergebnis du kommst.

Was ist das für ein Gefühl, wenn man vor knapp zwanzig Jahren einen Track produziert hat, der heute noch als erstes genannt wird, wenn man dich vorstellt?

Der Track, mit dem ich zumeist als erstes in Verbindung gebracht werde, ist zweifellos „Disco Dancer“. Das ist also noch keine 20 Jahre her.

Mit der Anspielung war der Track „Wenn der Toni mit dem Polster…“ gemeint. Es ist auffällig, dass dieser Track mindestens genauso häufig wie Disco Dancer genannt wird. Ist das nicht merkwürdig?

Das habe ich selbst ins Rollen gebracht, indem ich diesen Track in meiner Biografie als meinen ersten veröffentlichten Titel präsentiere. Den Song selbst hat jedoch niemand jemals gehört, außer vielleicht eine Hand voll Leute in Wien im Jahr 1986 bei der Radiosendung, zu der ich ihn eingeschickt hatte.

Ein gelungener Schachzug. Somit bleibt der „Disco Dancer“ der Track, der Christopher Just auszeichnet. Warum, außer, dass es eine Hymne wurde, ist das so?

Sicherlich aus dem Grund, weil er mich, meine Arbeitsweise und meinen musikalischen Ansatz am besten charakterisiert. Deshalb berührt mich das auch nicht unangenehm, zumeist auf diesen Titel angesprochen zu werden. Das bin ich.

Du hast ja schon früh Musik gemacht. Wieso der Wechsel von der Modeschule zur Malerei und zurück zur Musik?

Das ist die pure Lust am Ausprobieren. Klar war mir nur, dass ich nicht einen nine-to-five Job hinter irgendeinem Schreibtisch machen wollte. Das Thema Mode erledigte sich aufgrund der in Österreich eher bescheidenen Möglichkeiten von selbst, die zusätzliche Oberflächlichkeit der Modeszene bescherte mir eine Hinwendung zur Malerei. Vom inzestuösen Kunstbetrieb angeekelt, kam ich zurück zur Musik.

In den ganzen Jahren hast du kreativ schon einiges gemacht, ist rückblickend Musik letztlich für dich die beste Möglichkeit der Kommunikation?

Auf jeden Fall. Mit keinem Medium, außer der Schriftstellerei, kann man mit relativ geringem Aufwand verhältnismäßig viele Leute erreichen. Das war mir immer ein Anliegen: mich mitzuteilen, eine Diskussion auszulösen, zu provozieren.

Was dir bisher durchaus gelungen ist. In deiner Biografie ist zu lesen: „Ich beginne auszugehen, Alkohol zu trinken und Affären mit Frauen zu haben…“. Das hört sich so an, als ob dein Leben vorher in geregelten Bahnen verlief. Was ich mir nicht so recht vorstellen kann.

Wenn du meine Biografie gelesen hast, wird dir der zeitweise manchmal leicht persiflierende und überzeichnete Unterton nicht entgangen sein. Der Satz „Ich beginne auszugehen, Alkohol zu trinken und Affären mit Frauen zu haben…“ steht für einen generellen Wendepunkt in meinem Leben – weg von der Künstlichkeit, hin zum eigenen Erfahren, Rock ´n´Roll eben.

Meint „Künstlichkeit“ eine Art von angepasst sein?

Unter „Künstlichkeit“ verstehe ich in diesem Zusammenhang Erfahrungen aus zweiter Hand. Dinge, die man gelesen oder gehört hat, sich auch auf gewisse Weise damit identifiziert, ohne es jedoch selbst erlebt oder erfahren zu haben. Irgendwann kommt der Augenblick, in dem man dann bestimmte Ideen verifizieren möchte, um zu sehen, ob das dann wirklich so ist, wie man es sich vorgestellt hat.

Kommen wir mal mehr zum Musikalischen: Welches sind deine Projekte und wie unterscheiden die sich untereinander?

Ilsa Gold war der Ursprung. Sons of Ilsa die Fortführung von Ilsa Gold ins Absurde. Gerhard hat die Aussage, dass auch dumme Menschen „intelligent Techno“ machen können. Roy Edel ist die Prophezeiung, das Techno mit Volksmusik verschmilzt. Punk Anderson war der Neuanfang mit Rückbesinnung an die 80er. Mit Acid Joseph schließt sich der Kreis: Es darf wieder an der 303 gekurbelt werden. Die 90er sind zurück.

Welches Pseudonym ist das Alter Ego zu Christopher Just?

Jedes meiner Pseudonyme ist ein Alter Ego. Das ist jeweils ein Teil von mir, den ich zur jeweiligen Zeit hervorheben will. Ist dieser Teil dann ausgereizt, lege ich das Pseudonym ab, es langweilt mich. Christopher Just hingegen ist meine „Haute couture“ Linie, ein Klassiker von Beginn an. Hier versuche ich konstant qualitativ zu bleiben, üble Scherze haben hier wenig verloren.

Okay, dann ist doch was dran an der Phrase zur Erholung von Raver-Land“ u.a. Platten für Cheap zu machen. Das ist ein Statement.

Sicherlich. Ich möchte dadurch mein „mich nie zu einer Szene zugehörig“-Gefühl betonen. Im Gegenteil, sobald sich eine Szene festigt und dadurch nur mehr die in ihr geltenden Codes und Regeln akzeptiert und sich dadurch selbst einschränkt, fühle ich mich abgestoßen.

Aber wie erklärst du dir eigentlich, dass du auf so richtungsweisenden Labels wie Cheap und Gigolo jeweils zu den ersten Produzenten gehörst. Du aber trotzdem nicht konstant da weiter releast.

Ich bin ein schlechter „follow up“ Schreiber, wenn ich eine Idee entwickelt und dem Publikum unterbreitet habe, so ist in meinen Augen damit für mich die Arbeit erledigt, ich hab da (leider) nicht die Konsequenz das bis zum „Geht-nicht-mehr“ auszureizen und bin sehr schnell gelangweilt. Oft muss ich dann was komplett konträres machen. Meistens nicht zur Freude der jeweiligen Labels…

Und warum hast du dein eigenes Label Petra gegründet? Da musstest du doch nachlegen…

Petra, benannt nach meiner damaligen Freundin, war meine Rückkehr zurück zu Techno im „UR-sprünglichem“ Sinn, aus dem Wunsch heraus, wieder gute, harte Musik hören zu wollen. Gabba hatte zu diesem Zeitpunkt die Lager längst gespalten, auf der einen Seite die 200bpm-Prolls, auf der anderen Seite die nach Schönklängen lechzenden Trance-Schlümpfe. Ich fühlte mich in keiner der beiden Szenen wohl, und hegte mit Petra die Hoffnung, den originalen Zustand der Technoszene wieder herstellen zu können.

Stichwort „UR-sprünglich“. Ist zwar Definitionssache, aber Detroit ist in meinen Augen gar nicht so hart, sondern eher monoton, funky…

Ja, ich habe bei Petra nicht den gesamten Detroit Sound reflektiert, sondern eher spezielle Stücke von Underground Resistance wie Punisher oder Sonic Destroyer und die würde ich doch in die Kategorie „hart“ einordnen. Genau das war die Härte, die ich vermisst hatte. Funky, wie du richtig sagst, zu einem gewissen Grad sogar „disco“, eben soulful…

Hast du dort deine straightesten Platten rausgebracht?

Das ist immer eine Definitionssache, was zu welcher Zeit „straight“ ist, Petra muss man natürlich auch mit einem kleinen Augenzwinkern betrachten. Dennoch war der Ansatz Techno, was zu dieser Zeit beinahe einem Schimpfwort gleichkam, wieder salonfähig zu machen, ein straightes Anliegen.

Ist Techno aus deiner Sicht wieder salonfähig?

Der Term Techno ist vollständig rehabilitiert. Mittlerweile hält sich niemand mehr zurück, seinen Musikstil als Techno zu bezeichnen, wenn dem so ist.

Wenn man deine Diskografie liest, könnte man meinen, dass du die Hits mal so nebenher produzierst?

Die so genannten Hits passieren mir eher, es ist nicht so, dass ich im Studio sitze und sage; „So, jetzt mach ich wieder mal einen Hit“. Oft bin ich selbst überrascht, welche Tracks dann auf Anklang stoßen und welche eher unter „ferner liefen“ bleiben.

Hast du ein Gefühl dafür, welche Energie/Potenzial in so einem Track steckt?

Im Moment des Produzierens vermute ich beinahe in jedem Track dieses Potenzial, sonst würd ich sofort mit der Arbeit daran aufhören, man versteigt sich da natürlich auch oft in etwas. Rückblickend, nach einigem Zeitabstand kann man dann aber erst sagen: „das war ein guter, das eher nicht…“

Hat die Platte „Pulsingers Nacht“ in Wien nicht mächtig Wellen ausgelöst?

Den Sturm im Wasserglas. Klar war Pulsinger nicht gerade begeistert, dass er in Holland und Italien wegen dieses Titels mehr Berühmtheit erlangte als durch eigene Produktionen, er hat mich dann auch in ein paar Medien gedisst, aber das war die damalige Zeit – man führte musikalische „Scheingefechte“. Heute sind wir alle reife, alte Männer und lächeln über die Sturm- und Drangzeit.

Wäre „Jeans & Electronic“ eine Erklärung, dass du deiner Zeit voraus bist, bzw. deine Produktionen nicht immer richtig verstanden werden?

Das glaube nicht. Jeans & Electronic ist einfach sehr zeitlos und da der Originalrelease eher sehr verhalten promotet wurde, kannten die meisten Leute die Platte einfach nicht. Es war wahrscheinlich einfach der richtige Zeitpunkt, um dieses Album dem Publikum erneut anzubieten.

Die bei Combination Records erschien. Somit wäre auch der Bogen zu deinem aktuellen Album geschlagen. Aber vorher noch eine Frage: Wieso hat es von 97 bis 2005 gebraucht, bis das nächste Album erschien?

Weil ich in dieser Zeit nicht das Bedürfnis hatte, eines zu machen.

Wie kam der Titel des Albums zustande?

Roland Flick ist eine real existierende Person, die ich letztes Jahr bei einem Mexikourlaub kennen gelernt habe. Flick, ein von seinem nicht erfolglosen, aber ausschweifenden Leben sichtlich gezeichneter und gebrochener Mann und seine Geschichte verkörpern einen Teil von mir, den ich durch eben diese Begegnung erkannte und von dem ich mich im vielleicht letztmöglichen Moment verabschiedete. Diese Erfahrung war mir so wichtig, dass ich das Album nach ihm benannte. 1527 war übrigens seine Zimmernummer.

Und musikalisch? Ist das Album, im positiven Sinne, eine weiterentwickelte Petra-Kompilation?

Nein, zu Petra hat das Album keinerlei Bezug, weder soundmäßig noch von der Idee her. Es gibt eher Parallelen zu „Jeans & Electronic“. Bei diesem Album ging es mir darum, wieder zur „reinen“ Musik zurückzukehren, ohne Schmäh, ohne doppelten Boden. Ich wollte einfach Songs machen, nach denen mir gerade ist, die sich aufeinander beziehen und sich gegenseitig erklären. Deshalb auch Album, wären es lauter autonome Dancetracks, hätte ich sie getrennt auf mehreren 12″es rausgebracht. Ich schaltete während der Produktionszeit den „Tänzer“ in meinem Kopf weg und wollte mich hier nicht mit der Problematik „geht das jetzt ab oder nicht“ auseinander setzen. Man kann zu bestimmten Tracks zwar durchaus tanzen, aber das war nicht mein wichtigstes Anliegen.

Im Zusammenhang mit dem Track Popper wurde Christopher Just, als der „unverschämt gut gelaunte Klingelton-Retrorocker bezeichnet, der uns in das Reich des kollektiven Wahnsinns“ treibt. Andere, wissen schlicht und einfach nicht, worauf dieser Mann überhaupt hinaus will. Hier hast du die Möglichkeit es zu sagen.

Wie schon erwähnt. Die Diskussion aufrecht erhalten: Was geht, was ist too much…? Meine Provokationen sind ja nicht destruktiv sondern sollen die anderen anregen.

Dann wünschen wir dir und uns weiterhin Provokationen, damit uns in den nächsten Jahren der Diskussionsstoff nicht ausgeht und wir uns an deinen Tracks erfreuen können.

Vielen Dank für das Interview.

2007.01.09 Christopher JustInterview

Christopher Just > Alte Wiener Schule

Von Olaf Olsen Schweizer.