Anthony Rother Electro Live Act

Anthony Rother – Sex mit Maschinen

Anthony Rother Electro Live Act OffenbachDer Offenbacher Produzent Anthony Rother präsentierte mit „We are Punks“ jüngst eine Werkschau seines 2003 gegründeten Labels Datapunk und wird am 29.September auf der vom Partysan präsentierten Party im Berliner Tresor live spielen. Nur zwei von ca. 1000 guten Gründen, sich mit ihm in seinem Offenbacher Studio zu treffen.

 

Partysan: Du hast ja nun einen Haufen Alben veröffentlicht, teilweise auch unter Pseudonymen, gibt es da eins, das dir besonders viel bedeutet, zu dem du einen größeren Bezug hast als zu anderen?

Rother: Na ja, die Alben waren bzw. sind natürlich immer auch sehr zeitbezogen, aber ich bin eigentlich mit allen stark verbunden. Also es gibt da jetzt kein Album, welches ich explizit rausnehmen würde. Sie sind alle wichtig. Wenn man jetzt zurückblickt, ist mein erstes („Sex with the Machines“, Anm. d. Red.), damals noch auf Kanzleramt, natürlich das wichtigste für meine Karriere gewesen, weil es mich auch international bekannt machte. Dann sicherlich auch „Simulationszeitalter“ und „Hacker“, wegen den damals noch untypischen deutschen Vocals in der elektronischen Szene.

Ich hatte gerade kurz die Pseudonyme angesprochen, da gab’s ja einige, konkret mal eine kurze Frage zu Little Computer People, welches ja sehr erfolgreich war. Wie kam es zu diesem Projekt?

Ich hatte 1998 die Maxi gemacht, und weil der Sound ja eher C64-Style war, hatte ich da ein Pseudonym gewählt…tja, und knappe vier Jahre später habe ich dann dieses Album gemacht, weil ich noch mal Bock auf diesen Sound hatte. Dazu muss ich sagen: Ich würde das heute auch nicht mehr machen mit diesen Pseudonymen. Irgendwann habe ich beschlossen, dass ich alles auf mich „vereine“ und überall Anthony Rother draufschreibe, um nicht jedes Mal in eine andere Rolle zu schlüpfen. Da haben sich dann auch zu Beginn einige Leute drüber aufgeregt, weil sie dann eine Platte gekauft haben, auf der Rother stand, es aber ein eher Soundtrack- bzw. ambientorientiertes Album war, nur weil sie vorher halt, was man ja eigentlich machen sollte, nicht in die CD reingehört haben (lacht). Aber unter dem Strich bin das halt alles ich!

Wo soll’s mit Datapunk eigentlich hingehen? Neue Künstler? Mit „We are Punks“ gab’s ja schon eine Art Vergangenheits-, Gegenwarts- und Zukunftsbewältigung auf drei CDs…

Also ich meine, diese „We are Punks“-Geschichte ist ja so auch ein relativ neues Format, weil da quasi, wie du schon sagst, nur der Datapunk-Sound compiliert wurde, im Dezember gibt’s dann eine Volume 2, wo dieses Konzept weitergeführt wird. Künstler die man kennt, unbekannte Künstler, exklusive Tracks…Und was den Sound für die Zukunft betrifft…Ich sag es mal so: Es gibt auf dem Markt natürlich einen Haufen gute Musiker, aber nur wenige Produzenten, die auch vom Sound auf mein Label passen…Naja, und es sind oft auch gerade unbekannte Künstler, die sich mit dem Label auseinandersetzen und diesen Sound auch produzieren, und deshalb gab bzw. gibt es da auch so viele weniger bekannte Künstler bei uns.

Genau, wenn ich da so an Gregor Tresher denke, der startet schon ziemlich durch momentan…

Ja stimmt, das ist so ein Beispiel…Und ich habe schon immer versucht, auch junge Leute in diese ganze Musiksache einzuführen, wenn ich der Meinung war, das sie gute Tracks produzieren; ich habe da einfach wenig Berührungsängste. Damit fing ich auch schon früh an, denn es waren ja damals auf Psi49net schon etliche Künstler mit Tracks auf den Compilations vertreten, die kaum jemand kannte; einfach auch, um ein wenig gegen den Strom zu schwimmen. Denn was nützt es mir, ständig von den „Großen“ die Tracks abzurufen, und die dann zu veröffentlichen, das finde ich irgendwie langweilig, zumal die meisten eh eigene Labels haben.

Und allzu „spendierfreudig“ sind die meisten da auch nicht, weil sie halt die eigenen Labels bedienen müssen. Bei den unbekannten ist es da dann eben genau umgedreht, die richten ihren Sound dann eher nach den großen Labels. Und wir kriegen da halt echt manchmal Tracks von jungen Künstlern, die du dir anhörst und denkst: „Das gibt’s doch gar nicht! Noch nie von dem gehört, absolut frisch und dann so ein Sound.“ Das ist dann auf jeden Fall ’ne geile Sache, die dann mit auf ’ne Compilation zu packen. Und genau das macht mir so viel Spaß, so wird halt auch die Zukunft von Datapunk aussehen: Neue Leute aufbauen und mit denen dann zusammen den Weg gehen, um diesen Sound weiter zu realisieren.

Wobei…wenn ich so an Fixmer, Boys Noize oder Bodzin denke, das sind ja alles gewisse Größen mit eigenen Labels, wie kommen solche Konstellationen zustande?

Die schicken mir tatsächlich, wie alle anderen auch, ihre Demos hier her. Vielleicht weil sie meinen, es passe besser zu uns als zu deren eigenen Labels. Ich muss dazu sagen, wir bei Datapunk akquirieren auch keine Künstler! Sicher gab’s hier und da schon die eine oder andere Remixanfrage, aber auch nur, wenn der Kontakt zu Datapunk eh schon da war…

Wie kommt man überhaupt auf einen Labelnamen wie Datapunk?!

Den Namen hab ich so 1996 für mich „entdeckt“, da wollte ich in meinem jugendlichen Leichtsinn mal ’ne Filmproduktionsfirma starten, und da 2003 diese puristische Electro-Sache mit Psi49Net eh so gut wie durch war, brauchte ich einen Namen für das neue Label, da die „Back Home“ zu dem Zeitpunkt ja schon fertig war…Und der Name passt auch irgendwie total, weil „Data“ ist ja was sehr technisches, und „Punk“ was sehr emotionales, revolutionäres und ich fand diese Kombination einfach passend.

Da du grad Psi49Net ansprichst, ich will jetzt nicht von Vernachlässigung sprechen, aber von Labels wie Stahl und Psi49Net hört man ja kaum noch was…Gibt’s da spezielle Gründe?

Also Psi49Net gibt’s ja als solches eh nicht mehr, dafür hab ich ja jetzt PsiCity. Du musst dir das mal so vorstellen: Ich hab ja jetzt einige Mitarbeiter, nur damals, als ich Datapunk gestartet habe, musste ich noch alles allein machen, angefangen bei der Promo, die ganze Labelarbeit, alles was halt so anfiel, und nebenbei dann auch noch Tracks produzieren…Ich hab quasi von morgens bis abends das Label gemanagt, um dann nachts zu produzieren. Zu der Zeit ist ja auch „Popkiller“ entstanden, also ich hatte manchmal echt tierische Augenringe und dachte, ich schmeiß’ alles hin!

Aber ich hatte einfach so eine Vision von dem Ganzen, und da ich ja nur einer war, musste ich das ja allein verwirklichen. Tja, und dann hatte ich eben keine Zeit mehr, mich um diese anderen Labels zu kümmern. Also kurz gesagt: reiner Zeitmangel. Aber jetzt fangen wir wieder an, auf Stahl wird’s was geben, die ganzen alten Psi49Net werden auf PsiCity neu gemastert und rereleast. Ich denke da eventuell sogar über eine Compilation nach, so was wie die „We are Punks“, nur halt auf PsiCity, da gab’s ja schon mal eine so um 2002, da werden dann die ganzen Klassiker drauf sein.

Wo wir grad bei deiner Zeit sind. Wie ist eigentlich deine Remix-Politik? Ich meine, da waren ja mal ’ne Zeit lang ein ganzer Haufen, und jetzt seit dem „1982“-Mix so gut wie nichts mehr…

Na du weißt ja, wie das in dem Business ist. Wenn du mal eine Zeit lang richtig heiß bist, dann kommen sie aus allen Löchern und wollen einen Remix von dir. Und das war so der Zeitpunkt. Ich hatte auch Bock auf remixen, hatte quasi einen Lauf, wenn man so will… Und mit dem 1982-Remix für Gigolo ist das ja noch mal eine andere Geschichte, denn ich hatte den Mix hier für mich fertig gehabt und hatte dem Hell, als der mal hier im Studio war, das einfach mal vorgespielt und dann hat der den rausgebracht, weil der den einfach gut fand. Ja, und dazu kommt auch noch, dass ich ja fast 12 Monate kein Studio hatte, weil ich da ewig dran gebaut habe, deshalb war der Output auch extrem niedrig. Aber das war auf eine Art auch gut so, denn nach dem „Super Space Model“ 2006 hab ich mich irgendwie auch schon sehr verausgabt.

Was trieb dich eigentlich gerade zum Electro, ich meine, als du anfingst, war ja Techno und Rave voll das Ding. Was bedeutet Electro für dich?

Sicher, war das damals das Ding, nur ich hatte da so meine Probleme mit dem Sound, also es gab da schon ein paar Technostücke, vorwiegend die Sachen aus Detroit usw., die fand ich ganz klasse, aber den größten Teil des Techno habe ich immer abgelehnt, weil ich ihn persönlich entweder zu hart oder zu monoton fand. Und ich weiß gar nicht, ob ich das so beurteilen darf oder kann, aber ich glaube schon, dass der Zugang damals zu dieser Musik schon extrem in den Drogen, die konsumiert wurden, lag. Und da ich zu diesen Drogen und dieser Art zu feiern keinen Bezug hatte, konnte ich halt auch mit der Musik nicht wirklich was anfangen.

Wobei ich auch denke, wenn man da im Nachhinein drüber nachdenkt, und sich das mal genau anguckt, dass der größte Teil dieser Musik auch eher namenlos ist, nur die Highlights wie beispielsweise Jeff Mills, gibt’s halt heut noch, und daran erkennt man dann auch das wirklich musikalische. Und in den Medien wurde dieses Techno-Ding immer so heraufbeschworen und künstlich vermarktet, dass mir das richtig auf den Geist ging. Da gab’s dann regelmäßig so ab 1995 in den Magazinen Runden mit den „Urvätern“, in denen darüber diskutiert wurde, wo Techno heute steht, obwohl diese ganze Geschichte eigentlich längst tot war aus meiner Sicht.

Und dann kam so 1997 die Elektrowelle angerauscht und ich habe gesehen, dass die Medien versucht haben sich dieses Elektro auch zu krallen und als Unterkategorie ihres propagierten Techno zu verkaufen. Und da hab ich mir gedacht: Nicht mit mir, das könnt ihr gleich wieder abhaken, und habe dann versucht, an jeder Ecke diesen Begriff Electro zu prägen und halt auch ein wenig zu informieren; einfach weil ich nicht wollte, das man am Ende den Begriff noch so weit benutzt und behauptet es sei Techno. Im Grunde also alles Marketing von mir, nur halt vom Herzen, wenn du verstehst! (grinst)

Nochmal kurz zum „Marketing“, da fällt mir spontan „Electroclash“ ein, was ja 2003 total am Ende war, und obwohl du auch in diese Schublade gesteckt wurdest, hast du damals „Popkiller“ gemacht und wider Erwarten einen Riesenerfolg damit gehabt. Hattest du das beim Produzieren gespürt oder war das volles Risiko?

Also ich hatte das schon im Bauch irgendwie. Ich meine, zu der Zeit gab’s ja überall nur diesen Hardtechno, ich möchte das böse Wort „Schranz“ gar nicht in den Mund nehmen, dann haben viele Clubs geschlossen, man sagt ja wegen der Euro-Umstellung, aber ich denke auch das die Musik sehr dazu beigetragen hat. Ich meine, wer hört sich solche Musik an? Wer geht jedes Wochenende weg und tut sich solch monotones Geballer an? Da gehen dann auch weniger bis keine Mädels mehr hin, weil denen das zu doll ist, und wo keine Frauen sind, wollen auch keine Männer hin und irgendwann ist der Club halt am Ende. Und als ich dieses Album gemacht habe, hab ich gemerkt: Mensch, da hast du jetzt was, das ist total anders, ich finde das total geil; entweder das wird was oder nicht, verstehst du? Und als ich dann gemerkt habe, es funktioniert, war ich natürlich extrem froh!

Du hast ja schon mit der Creme de la Creme im Studio gesessen bzw. geremixt, gibt es da noch einen Traum, mit wem du mal was machen möchtest?

Na ja, klar! Ich würd’ schon gern mal mit so einem richtigen Weltstar ins Studio gehen, ohne da jetzt konkrete Namen zu nennen, weil das ja auch oft wechselt. Filmmusik wäre auch mal was, worauf ich Bock hätte…

Ja, ich hab da mal was von einem Vorbild John Carpenter gehört?!

Ja sicher, das ist auch etwas, wo ich herkomme. Diese ganze Filmsoundtrack-Sachen, das habe ich schon als Kind gemocht und am Anfang versucht, mit der elektronischen Musik zu vermischen…Diese Soundbilder kann man grade auch auf Stahl sehr gut raushören. Also von daher wäre das schon eine große Sache, mal mit einem Riesen-Popstar zu produzieren, einfach in einem vollkommen anderen Kosmos unterwegs sein, und das dann mit meiner Musik und meinem Wissen verbinden, das würde mich schon sehr reizen!

Thema Liveact, du bist ja bekannt dafür, mit ’ner Menge Maschinen unter dem Arm anzureisen, warum so viele Gerätschaften?

Hast du vorne beim Büro die ganzen Cases gesehen?

Ja, schon. Hab mir gedacht, dass da ein paar zu deinem Equipment gehören…

Alle!

Im Ernst?! Das waren doch locker sieben Kisten oder? Und auch nicht gerade klein…

Rother: (lacht)

Ich hab’ dich ja auch schon live spielen sehen, aber du weißt ja als Gast nie, was der Künstler da selbst mitbringt…

Ja, bei mir geht’s tatsächlich bis hin zu den Tischen…Was ich da schon erlebt habe in den letzten Jahren, ich hab’ teilweise auf so Bierbänken oder RedBull-Bartischen meine Geräte aufgebaut und bin teilweise kaum an die Regler gekommen, und irgendwann hab ich mir gesagt, jetzt reicht’s, und hab mir eigene klappbare Unterlage bei einem Online-Campingversand bestellt…

Und was sagst du in dem Kontext zu, ich nenne sie mal, „Laptop-LiveActs“?

Ich weiß was du meinst…Das ist natürlich so ’ne Sache (grinst). Ich weiß ja nicht, ob das den Leuten, die so „live“ spielen wirklich Spaß macht auf diese Weise oder sie evtl. nicht mehr „beherrschen“…Das ist ja so die Sache: auf der einen Seite ist es eine Dienstleistung, die man da macht, klar…Aber wenn man wirklich mit Herz an die Geschichte geht, kann man mir nicht erzählen, dass es dieser Person gefällt, da kaum Einfluss auf den Sound zu nehmen. Ich denke, das sich diese Leute irgendwo selbst den Spaß an der ganzen Sache nehmen, wenn sie da jedes Wochenende auf der Bühne wie hinter ’ner Glasscheibe sitzen…Schwieriges Thema…Denn ich sag’s mal so: das, was ich da bei einem Liveact jedes Mal auffahre, kann man sich ja, wenn man anfängt, erstmal alles gar nicht leisten. Als das so langsam aufkam damals, hatte ich zu diesen Dingen auch eine sehr negative Meinung, aber ich sage mir, die Leute kommen gerne zu meinen Shows.

Da du ja am 29. September auf unserer Party im neuen Tresor spielst, darf natürlich eine Frage nicht fehlen. Was fällt dir zum Tresor ein? Und was dürfen unsere Leser an dem Abend von dir erwarten?

Naja, der Tresor, generell das Label, ist natürlich, wie soll ich sagen…Das ist eine richtige Geschichte! Allein die Verbindung Berlin-Detroit…Der Tresor hat sehr den internationalen Charakter von elektronischer Musik aus Deutschland gefördert, extremst möchte ich meinen… Im alten Club war ich selbst, glaube ich, nur zwei Mal gewesen, aber an dem Punkt waren wir ja schon, die Musik ist einfach nicht wirklich mein Ding gewesen, zu hart einfach, da passte ich nie so recht rein…Aber oben lief ja auch ab und an Electro.

Aber als ich die Bilder vom neuen Tresor gesehen habe…Ich hab gedacht, ich bin im RoboCop…! Das Set, was ich in der Nacht spielen werde, wird (natürlich) teilweise Electro sein, je nachdem wie die Leute an dem Abend drauf sind, ich muss mir da die Energie spontan aus den Menschen ziehen…Auf jeden Fall viel Vocoder, meine ganze Datapunk-Palette, Klassiker…Tja, einfach schauen, wie das Publikum dort sein wird, ich habe echt keine Ahnung, wie das neue Tresor-Publikum ist.

Berlin ist ja schon immer schwierig gewesen, besonders intellektuell sozusagen (lacht)! Man hatte immer so ein wenig Angst gehabt früher, in Berlin zu spielen, weil man immer das Gefühl hatte, jemand prüft hinter dir, ob die Musik auch grad „cool genug“ ist für Berlin. Ich hab sie immer „Techno-Polizei“ genannt. Aber das hat sich in den letzten Jahren dort schon sehr verändert, was mich wiederum sehr glücklich macht, so das ich mich auf den Gig freuen kann!