Dimitri Hegemann über 20 Jahre Tresor Berlin

20 Jahre Tresor Berlin: Ein Club schreibt Geschichte…

Tresor Berlin. In der Geschichte der elektronischen Tanzmusik sowohl in Deutschland als auch Europa gilt der Tresor als einer der richtungsweisenden Clubs. In Sachen Detroit Techno sicherlich sogar DER Club schlechthin. Partysan spricht mit Dimitri Hegemann über die lebende Legende Tresor.  

Hallo Dimitri, 2011 steht bei euch ja ganz klar im Zeichen des großen Jubiläums.Tresor-Logo
Sage und schreibe zwanzig, in Zahlen 20 (!) Jahre seid ihr nun mit eurem Projekt, dem Tresor, am Start. 20 Jahre – ein Leben für Techno. Dafür möchten wir dir erstmal Respekt zollen! Echt Wahnsinn!

Wir hier in Stuttgart, die mit Neue Heimat und dem Prag aufgewachsen sind, hatten ja schon immer einen speziellen Bezug zum Tresor. Regelmäßig waren Künstler eures Labels oder Residents des Tresor bei uns zu Gast und umgekehrt.
Weißt du noch wie und warum es damals zu der Achse Stuttgart-Berlin oder Club Prag- Club Tresor kam?

Ja, ich erinnere mich. Es gab damals einen starken traffic zwischen Tresor und der Neuen Heimat. Carola Stoiber, unsere langjährige Labelchefin, war in diesem Thema Stuttgart-Berlin stärk engagiert als ich. Ich habe deine Frage an sie jetzt weitergeleitet und sie meinte: Insbesondere durch Kontakte zu Leuten wie Chrischan Sameluck, einem herausragenden Telefonverkäufer vor Ort, der für unseren Tonträgervertrieb EFA arbeitete, und zu den damaligen Stuttgarter Szene-Promotern + Partymachern und dem Rec-shop Neue Heimat/Humpty Rec Plattenladen, wanderten verhältnismäßig viele unserer Platten in die Region. Der Kontakt Tresor – Neue Heimat/Humpty (Daniel Benavente, Attuk, Tanj) intensivierte sich. Vor allen Dingen die „Engländer“ Dave Tarrida, Cristian Vogel, Tobias Schmidt, Neil Landstrumm haben die Party-Reihe Neue Heimat im Prag begleitet, spielten häufig in Stuttgart und haben auch später auf Neue Heimat veröffentlicht. Stuttgart stand auf den schrägen UK Sound. Und Humpty verkaufte unsere Platten. Auch unser früherer Records Scout Marc Snow aus Boston und Mad Max, unser Labelmitarbeiter wurden als Residents gebucht und im Gegenzug kamen Daniel Benavente und Attuk nach Berlin und haben dann auch im alten Tresor regelmäßig gespielt.

Tresor Berlin 1Besonders bekannt war ja auch immer die Achse Detroit-Berlin. Bis heute seid ihr einer der wenigen Clubs der Techno-Pioniere wie Juan Atkins, Mike Huckaby und viele mehr einladet. Auch hier würde uns brennend interessieren, wie damals schon diese Bindung zusammenkam. Schließlich war damals ja noch nix mit Facebook, Skype usw. Da war das doch sicherlich viel schwieriger, Kontakte und Freundschaften zu pflegen?

Ich war in 1988 Chicago und hatte dort bei dem Label Trax Rec einige von denen abgelehnte Demos angehört. Eine Platte mochte ich besonders und entdeckte auf dem Whitelabel eine handeschriebene Tel-Nr., die mit 313- …. begann. Ich rief an und war in Detroit. Der Deal mit der Gruppe Final Cut kam zustande. Und einer der Mitglieder hieß Jeff Mills. Den kennt man inzwischen. Ich bin dann auch mehrere Male dorthin gereist, um Detroit kennenzulernen. Man muss sich bewegen und genau dorthin fahren, wo man etwas erreichen will. Und das klappt auch. James Pennigton kommentierte mein Erscheinen damals in Detroit: Dimitri took a chance!

Tresor Berlin 2Tresor damals und Tresor heute – wo siehst du die größten Unterschiede und was war früher/heute besser/schlechter?

1991 war alles neu für uns. Der Mauerfall bot eine historische Chance für viele Kulturschaffende, die für ihre Arbeit Räume benötigten. Die Behörden ließen uns in Ruhe über Jahre und wir entwickelten aus einer bis dato historisch gewachsenen Subkultur, die heute so gelobte Kreativwirtschaft. Der wertschöpfende Austausch unter den Besuchern, das Networking ohne Internet und Handy nahm seinen Anfang. Alles war sehr spannend, es gab keinen rauhen Wettbewerb, der heute Berlin ungünstig verändert. Das Thema Geld war auch nicht das Thema. Ein anderes Beispiel:

Damals kaufte ich für die Aircondition zwei große gebrauchte Ventilatoren auf dem Flohmarkt für ca. 100DM. Dann wurden zwei Löcher in die Wand und in die Decke gestemmt, die Ventilatoren eingesetzt, mit einem elektrischen An/Aus Schalter versehen und fertig war die Aircondition. Damit erlebten wir über 15 Jahre großartige Partys.
Heute verlangt die Behörde eine Aircondition und obwohl wir überall Kostenvergleiche eingeholt haben – kostet diese Technik am Ende ca. 300.000€. Wir stottern da heute noch dran ab. Das bedeutet, einen Club legal umzusetzen kostet so viel Geld, dass Du den Plan bei genauer Kalkulation entweder sofort verwirfst oder du tust es, übernimmst dann eine große Verantwortung und dir wird klar, dass du in Zukunft keine großen Experimente wagen darfst. Der finanzielle Druck belastet enorm und engt ein. Das war früher anders. Wir haben mit wenig viel erreicht.

Wie groß ist denn eigentlich mittlerweile das Tresor Team und wer kümmert sich um was? Stell doch bitte eben dein Team mal kurz vor.

Tresor Berlin 3Im Tresor arbeiten ca. 44 fest angestellte Mitarbeiter, eine Bookingagentur betreiben wir nicht, aber das Label erfährt im Augenblick ein tiefes Refreshment. Das Team ist sehr jung, ähnlich wie unser Publikum. 2 Personen arbeiten im Booking (Diana Alagic + Alex Schulz), Paulo Reachi leitet das Label Tresor Records. Tofa und Rick Kay stehen hinter dem Licht, und Tofa gestaltet auch das Artwork bei den Flyern und der Neuen Webpage. Einer unsere wichtigsten Figuren ist Frank Quickstern, der Controller. Der muss rechnen, rechnen, rechnen. Last not least danke ich dem Team, allen von der Security, bis zu den Runnern, den unermüdlichen Barkräften, Soundleuten, der Buchführung, den Technikern und dem Hausmeister, den Kassiererinnen und den erfahrenen Nightmanagern. Ohne sie gäbe es keinen funktionierenden Tresor. Ein großes Dankeschön an Euch.

Zum Schluss noch eine letzte Frage. Oktober 2031? 40 Jahre Tresor?
Oder was meinst du – wie lange geht’s noch weiter? 

Immer. Egal wo wir sein werden. Auch auf dem Mars wird die Sehnsucht nach diesem einem Ort weiterleben. Tresor steht immer für Aufbruch, historisch betrachtet also 1990… für den Aufbruch einer neuen musikalischen Generation und er steht auch für Wiedervereinigung der Jugend von Ost und West-Berlin. Und der Tresor bleibt der Ort für die ersten Erfahrungen, sich in den Rausch zu tanzen, durch musikalischen Genuss Freiheit zu empfinden… So sagte es Karin Kruse einst im Frontpage 1995. Das reicht für ein ewiges Leben. Der Begriff Tresor ist in meiner Wahrnehmung in seinem Genre ähnlich wie der Begriff Woodstock, das sich inhaltlich in dem Streben nach Freiheit und Ungebundenheit mit der Tresorphilosophie deckt.

Vielen Dank für das Interview und noch einmal: RESPEKT! Auf die nächsten 20 Jahre!!!