Scratch Massive macht nie das, was von ihnen erwartet wird und keiner beschwert sich!
Das war bereits bei ‚Enemy & Lovers’ im Jahr 2003 der Fall, der Geburts-LP von Scratch Massive und E-Gitarren und eindeutige Rockelemente beinhaltete zu einer Zeit, in der elektronische Musik in aller Munde war.
Im Jahr 2007, nachdem die Rückkehr des Rocks von allen anerkannt wurde, machte sich das Duo mit ‚Time’ auf zu neuen Ufern. Ihre zweite LP, für die sie Moritz Von Oswald, dem deutschen ‚God of Techno’, engagiert haben, war eine furchtlose Achterbahnfahrt durch 10 Jahre Techno Faszination mit ekstatische Dancefloors und dem Geruch von Schweiß gemischt mit Substanzen verschiedenster Partytreibstoffe.
Noch immer allen Erwartungshaltungen trotzend, haben Scratch Massive ein bisschen in der Vergangenheit gegraben und ‚Nuit de Rêve’ (Nacht der Träume), ihr neues Album, als Reise zurück in die Ära 84-86, genau am Puls der Zeit, gestaltet. Zu jener Zeit, in der das zukunftsträchtige 80er Musikgenre aus der Asche der Punk-Anarchie empor stieg und die Demokratisierung und Popularisierung der Synthesizern einläutete und somit die Grundlage für die zukünftige Popmusik, wie wir sie heute kennen, legte.
Obwohl der Titel des Albums – ‚Nuit de Rêve’ oder ‚Nacht der Träume’ – sehr an die naiv optimistische Poesie der neue Welle erinnert, sind die Komponenten der Ära, wie Melancholie und Schwermut, sehr präsent. Als ob die Spieler dieser musikalischen Schlüsselzeit aufgehört haben, an die Versprechen einer glorreichen Zukunft zu glauben.
‚Nuit de Rêve’ hat eine üppige Eröffnung mit schweren und eisigen Synthesizern, die wie ein Soundtrack zu einem John Carpenter Film klingen. Die Töne stehen: dieses Album wird sich entfalten, wie das Skript eines imaginären Films. Es beginnt mit Koudlam, dem Außenseiter der Elektronischen Musik, der seine Stimme dem rohen Techno Stück ‚Waiting for a Sign’ leiht, einem kompromisslosen Club Track, indem der Touch von Scratch Massive enthüllt wird und Wunder wirkt.
‚Take Me There’ unterstützt von dem wahren achtziger Idol Jimmy Sommerville, der uns auf eine lang anhaltende Kamerafahrt nimmt, bei der wir ihn dabei beobachten mehr Inspiration aus den Communards zu ziehen als Bronski Beat.
‚Break away’ mit naiven, verführerischen und A-ha-artigen Elektroschleifen, kanalisiert die trivialste und oberflächlichste Seite der 80er Jahre kurz bevor die erhabene Stimme von Daniel Agust (von Gus Gus) Einzug erhält und einen nachhaltigen Eindruck mit ‚Paris’, einer langsamen eindringlichen Spur, der Gänsehaut-Feeling verursacht, hinterlässt.
‚Golden Dreams’ geht weiter in diese dunkle Odyssee und wir können Zeuge werden, bei dem was am Besten als imaginäres Zwiegespräch zwischen Jean-Michel Jarre und Vangelis bezeichnet wird; und dann kommt der düstere Track ‚Closer’ – featuring Cloé – der uns einlädt einen schlafwandelnden Spaziergang durch unmoralische Träume zu starten.
Und dann der Schnitt zur nächsten Szene. ‚Nuit de Rêve’ mit seinen falsch-naiven Lyrics, vorgetragen auf Französisch, fühlt sich an wie ein frischer Hauch würziger Luft bevor der Schluss mit den beiden Krachern ‚Follow Me’ und ‚Secrets’ eingeleitet wird. Dieses Echo des Album Openers lockt uns wieder heraus mit stampfenden Beats, eisigen Synthesizern und düsteren Harmonien.
Das große Finale.
Scratch Massive – Dazed & Confused Podcast by Scratch Massive
Die stärke dieses Albums liegt in dem Fakt, dass Scratch Massive kopfüber in die Vergangenheit getaucht sind, während sie ihre Füße fest auf dem Boden der Gegenwart gelassen haben. Und sie haben es auch geschafft, die Fallstricke zu umgehen, in die Künstler bei solchen Projekten in der Regel geraten. ‚Nuit de Rêve’ ist weder ‚à la’ record’, noch die verwässerte Reproduktion, die in großen Mengen durch die jüngste Faszination für die achtziger Jahre produziert werden.
Es ist einfach ein melancholisches Album im edelsten Sinne dieser Worte, das gegründet ist im nostalgischen Zustand des Denksinnes und nicht nur in der Nostalgie einer Ära, in der Experimente und die ersten Synthesizer das Konzept des Pops für immer veränderten.
Die makellose Bilanz für unsere Zeit: ein schreckliches 2011er Album, das in den 80er spielt!
Scratch Massive
„Nuit De Rêve“
Pschent Music
@AMAZON.de
Track Liste:
1: Pleine Lune
2: Waiting For A Sign feat Koudlam
3: Take Me There feat Jimmy Somerville
4: Break Away
5: Paris feat. Daniel Agust
6: Golden Dreams
7: Closer feat. Chloe
8: Nuit de mes reves
9: Follow Me
10: Secrets