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Dapayk: Ein Album sollte für mich aus einem Guss sein!

Der Berliner dapayk, bekannt als Produzenten von avantgardistischem Minimal-Sound und Betreiber des Labels Mo’s Ferry hat brand aktuell sein neues Album „Devil’s House“ veröffentlicht. Im Zugedessen hat er sich einigen Fragen von uns gestellt.

Du scheinst irgendwie Tag und Nacht an Tracks zu sitzen, nach dem “Black Beauty”Album im Herbst 2007 und deinem Marek Bois Techno-Longplayer im Frühjahr 2008 kommt nun schon wieder ein Album von dir. Wie grenzt du deine verschiedenen Projekte voneinander ab? Was machst du produktionstechnisch anders?

Das sind für mich immer komplett eigene Projekte! Beendet man eines, beginnt man mit dem nächsten! Viele der Tracks des aktuellen Albums entstanden bereits bei der Arbeit zu „Black Beauty“. Marek Bois ist mein Techno-Alter-Ego, bei Dapayk&Padberg spielen wir mit Pop und melodischeren Ansätzen. Dapayk solo ist meine Egoistenspielwiese! Hier kann ich mich austoben und am meisten rumprobieren. Mir war es wichtig, direkt nach dem minimaleren Marek Bois Album etwas komplett Gegensätzliches zu bringen, um die Grenzen noch zu untermauern. Bei der Produktion stelle ich mich auf einen bestimmten Sound ein. Wenn ich weiß, heute steht ein Track für Dapayk solo an, nehme ich mir die Zeit und suche nach Sounds, die genau zu diesem Act passen würden und lege los. Die Produktionsweisen sind bei mir am Ende fast immer immergleich. Ich arbeite viel mit Samples, Fieldrecordings, natürlich auch mit Plug-Ins und Hardwaregeräten. Ich denke, die Kombination all jener Komponenten macht den Sound aus.

Was hat dich dazu bewegt, das aktuelleAlbum als Quasi-Mix CD anzulegen, anstatt Einzeltracks zu kompilieren?

Ein Album sollte für mich aus einem Guss sein! Man transportiert immer mehr als nur eine Auswahl von acht bis zehn Titeln. Ein Act kann auf einem Album seine Bandbreite zeigen und dem geneigten Zuhörer auch neue Türen aufstoßen. „Devil‘s House“ ist keine Mix-CD! DieTracks sind durch Skits und längere Anfänge getrennt und verbunden. Ich wollte es ermöglichen, die CD in einem Ritt durchhören zu können, ohne den Faden zu verlieren. Leider geht der Zusammenhang in den digitalen Verkaufsplattformen verloren. Die Leute picken sich einfach den Titel raus, der ihnen beim ersten Hören am Besten gefällt und zerfleddern so den Albumaufbau. Häufig sind es abernicht die eingängigen Tracks, die ein Album besondersmachen!

Wie siehst du die Entwicklung in der Musikbranche? Inwieweit bist du mit deinen Labels betroffen?

Auch bei uns sind die Verkäufe in den letzten Jahren kontinuierlich weniger geworden! Das ist bei allen Labels so. Ich denke, die Branche schrumpft sich gesund; zumindest ist das meine Hoffnung! Es ist für uns als Label viel schwieriger zu kalkulieren, was sich verkauft und was nicht. Da scheint es keine Richtlinie zu geben. Bei der ungeheuren Releaseflut setzen sich Experimente schwerer durch. Die Leute kaufen halt, was am besten geht bei der Masse. Ich sag mir aber immer, wenn ich schon weniger verkaufe, dann aber auch nur noch Musik hinter der ich 100% stehe! Ich hatte immer kleine Kompromisse eingebaut; Titel, die für eine bestimmte Zielgruppe gedacht waren. Das ist jetzt anders! Das ganze Album ist ein Egotrip! Früher hätte ich mir das nicht getraut, aber man wird älter und der Horizont weitet sich.

War es eine gute Entscheidung von der ruhigen Provinz nach Berlin zu ziehen?

Berlin macht viele Dinge einfacher! Das Reisen ist leichter und man bekommt schnell Kontakt zu anderen Leuten mit den gleichen Interessen. Auf dem Lande ist das anders, jeder kocht so sein Süppchen und denkt, er ist der Coolste, nur weil er im Dorf der einzige DJ ist. In Berlin ist man einer von Tausenden. Dennoch musste ich auch lernen, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Vielleicht war ich zu blauäugig, aber erst in Berlin habe ich gelernt, wie sehr Geschäft und „Techno“ zusammenhängen. Nach außenwirkt das alles immer idealismusgetragen, am Ende wollen 90% nur cool sein und Kohle scheffeln.


Also ist Berlin nicht die Technowelthauptstadt?

Doch, ich denke schon! Egal wo ich bisher hingekommen bin, die Leute wollen im Berlin-Style feiern. Ichmeine, Amsterdam, Tokio, Moskau, San Francisco etc.sind alles großartige Städte mit eigenem Stil. Die Leute schauen dennoch nach Berlin und kopieren, was sie für typisch halten. Manchmal zu viel! Das ist schade! Wenn man bedenkt, die Parties in Berlin sind fast immer gleich. Überall läuft so ein Querschnittsound. Ist auch klar, dieVeranstalter müssen ihre Läden voll bekommen und bieten daher das an, was funktioniert. Die Touristen gehen dann dahin, wo es funktioniert und am Ende wird das Funktionierende immer wieder wiederholt. Innovation ist da eher zweitrangig. Dabei schaut alles auf Berlin. Aber ich habe das Gefühl, dass es gerade wieder besser wird und die Talsohle durchschritten ist. Ein paar Läden probieren wieder rum. Eines der Aushängeschilder für Berlin ist M_nus!

Was hat es mit M_nus auf sich?

Ja, das ist so ein Gag! Mir macht es Angst, wenn Sachen auf einen Sockel gestellt werden und niemand mehr Fragen stellt! Es ist fast schon Blasphemie, wenn man sichüber M_nus nicht positiv äußert. Wir haben daher diese kleine Verarsche mit M_ANUS laufen. Das darf man nichtfalsch verstehen, ich hab nichts gegen die Leute oder die Musik von M_nus, mir gefallen nur bestimmte Geschäftsmethoden einfach nicht! Muss man silberne Halsketten mit dem Labellogo anbieten, Vinyl in Interviews totschreien und dann den ganzen Backstock noch einmal in Großauflagen nachpressen. Muss man eine Ökokampagnestarten und auf digitale Wege pochen, nur weil man Teilhaber bei Beatport ist? Das ist mir alles zu kommerzlastig! Da geht es nur noch um Kohle! Das sind alles reineMarketingstrategien! Ich hab in Techno immer andereDinge gesehen als eine schnelle Geldquelle. Ich kann mich über Superstarkults und Ideen wie „The Cube“ nur lustigmachen, ändern kann ich es eh nicht! Erstaunlicherweise bekommen wir hierzu viel Feedback à la „Endlich sagt’s mal einer!“, speziell von anderen Künstlern.

Dir steht der DJ also zu sehr im Mittelpunkt?

Ich hätte nichts dagegen als DJ nicht gesehen zu werden, um nur die Musik wirken zu lassen, nur leider tanzen dieLeute meist in deine Richtung und reagieren auf dich. Die Crowd reagiert auf die Kombi Gesicht/Sound viel mehr als nur auf Sound. Dieser Starkult ist wohl einfach notwendig.

Ich kann es aber immer noch nicht haben, wenn Acts auf die Bühne kommen, als erstes übers Mikro sagen: „Hallo, wir sind’s!“ und alle müssen abgehen. Wenn sie nichts sagen und die Leute wegen des ersten Tons ihrer Musik durchdrehen, ist das doch viel ehrlicher! Soll man diese Leute schon feiern, nur weil sie tatsächlich für Geld aufgetaucht sind? Generell kann mir gute Musik vonHypes kaputt gemacht werden! Das kann ich leider noch nicht abstellen. Ich bemühe mich schon sehr Sound und dessen Präsentation zu trennen, aber wie oft denke ich:„Wäre das woanders rausgekommen, hätte es niemandeninteressiert!“.

Derzeit schießen Liveacts wie Pilze ausdem Boden. Es gibt kaum noch Parties, auf denen nur DJ’s spielen. Was ist für dich ein guter Liveact? Beispiele?

Ich mag Liveacts, die schwitzen, die mit den Leuten mitgehen und auf die Crowd reagieren können. Live acts, die in die einzelnen Elemente ihrer Tracks eingreifen können und einen schönen Bogen an Sounds bieten. Ich hab diese reinen Genreacts nie wirklich verstanden. Techno bietet eine unglaubliche Fülle an Sounds, ein Liveact kann daviel ausloten! Grundsätzlich finde ich aber einen Computer-DJ der fremde Tracks im Beatsync spielt peinlicher als einen Liveact, der seine eigenen Titel komplett am Stück spielt. Beides ist aber eben auch nicht cool und mir fallen leider mehr Negativbeispiele als Empfehlungen ein.

Bringt die digitale Welt mehr Vor- oder Nachteile?

Das Problem mit der digitalen Welt ist, dass viele Beschränkungen wegfallen. Das ist einerseits gut, andererseits haben alle Zugriff auf die gleichen Tracks und Programme; am Ende klingen alle gleich. Wenn man früher in einen Plattenladen ging, bekam man nur eine bestimmte Bandbreite, in einem anderen Laden eine andere. Ein DJ aus Argentinien spielte andere Platten als einer aus Potsdam.Heute haben alle die gleichen Scheiben, die sie in den gleichen Charts kaufen und der individuelle Stil geht verloren. Das ist das gleiche bei den Musikprogrammen.Wenn es hoch kommt, arbeiten 90% der Technoproducer mit den gleichen drei Programmen und das klingt dann auch so.

Deine Labels Mo’s Ferry, Fenou und Rrygular gelten als Sonderlinge. Wie wählt ihr dieMusik aus?

Es ist schon komisch, nicht jeder DJ spielt die Mo’s Ferry-Platten, aber sie funktionieren immer gut, wenn sich einer mal traut! Wahrscheinlich liegt das daran, dass sie einfach soundlich rausstechen und nach zwei Stunden Standard-Minimal einfach jede Abwechslung willkommen ist! Wir releasen eigentlich nur noch Acts, die wir persönlich kennen und deren Weg wir schon eine Weile verfolgen. Wir haben einen Künstlerstamm, dem wir vertrauen und der uns vertraut. Das reine Businessding wäre nichts für uns! Unsere Künstler wissen recht gut, was uns gefällt und wir lassen ihnen die Freiheit sich auszuprobieren.

Dein Tourplan bringt dich auch dieses Malwieder in unsere Region und auch sonst bistdu oft im Stuttgarter Umland unterwegs. Liegt das einfach an den Bookinganfragen oder kommst du persönlich gerne hierher?

Ich hatte immer ziemlich gute Gigs im Schwabenland. Im Ciné Colibri war ich ja fast zweimal im Jahr. Ich mag die Stimmung auf den Parties sehr: die Leute sind offen und wollen feiern, nicht einfach nur zu Minimal-Gebimmel abhängen. Ich musste nie groß überlegen, was ich spielen werde, die Leute gehen einfach ab! Abgesehen davon ist das Essen im Ländle großartig und das schon allein eine Reise wert!

Anti-Drogen-Frage…

Es gibt genug Beispiele älterer Acts, die über Jahre konsumierten und bei denen sich das in der Gesundheit und im Charakter niedergeschlagen hat. Es ist traurig mitanzusehen, dass Techno und Drogen in manchen Köpfen zusammengehören. Ich hab das nie vestanden! Als Techno Anfang der 90er nach Thüringen kam, wusste man von den Drogen. Ich wäre aber nie auf die Idee gekommen,welche zu nehmen, um die Musik besser zu verstehen. Mich hat das alles schon so weggeflasht! Wenn man so will, hatte Techno in der Provinz fast etwas Unschuldiges. Wenn dann heute ein 22-jähriger, aber angesagter Technoproduzent,auf einer Party zugedröhnt zu mir kommt und meint: „Hier nimm die, dann verstehst du wie schräg deine Musik ist!“, finde ich das traurig!