Pioneers Of Electronic Music Vol. 1 – Richie Hawtin

2007.11.28 Hawtin Slices

Nach den hervorragenden “Slices”-DVDs, in denen jeweils Techno- und House-Produzenten sowie Labels vorgestellt werden nun erstmals eine DVD, die einem einzigen Künstler gewidmet ist. Richie Hawtin macht den Anfang bei der neuen „Pioneers of Electronic Music“-Serie.

Maren Sextro und Holger Wick ist ein ausführliches Portrait gelungen, das sowohl für Insider als auch für Leute, die sich noch nicht groß mit dem Kanadier befaßt haben, aufschlußreich ist.

Die DVD zeichnet den Weg des zurückhaltende, schüchternen Geek aus Windsor, CAN zum außer Rand und Band geratenen Hedonisten, der während Auftritten auch als Stage-Diver von der Bühne springt und sich von der Masse durch die Venue tragen läßt (Crowdsurfing).

So erzählt er z. B. wie er erstmals Jeff Mills – damals der Radio-DJ The Wizard  in Detroit – an seine Party in Windsor buchte – und die wegfliegenden Platten des Meisters aufsammelte, um die Labels abzuschreiben.

Anderntags ging er mit einer Liste zum Plattenladen und kaufte alle Scheiben. Es kommen aber auch Derrick May und der geheimnisvolle Mad Mike (allerdings nur als Off-Stimme) zu Wort, die über Hawtins Rolle als White Kid in der schwarzen Detroit-Techno-Szene, in der er lange nicht akzeptiert wurde, sprechen.
Hawtin erzählt auch von seinen wilden Partys in Detroit, wo alle auf LSD waren und er sich wie ein Stück Plastik fühlte. Das Plastikman-Männchen wurde zu einem der bekanntesten Techno-Brands. Oder davon, wie verblüfft er war, dass die Mute-Leute zwei Stunden nach Milton Keynes reisten, um sich mit Hawtin zu treffen, der dort auflegte.

NovaMute brachte dann 93 das epochale „Sheet One“-Album heraus, eines der wichtigsten Techno-Alben der 90er. Mute-Boss Daniel Miller gibt auf der DVD ebenfalls diverse Statements zum Besten. Auch die Plus 8-Jahre mit John Acquaviva, die „Concept“-Serie (1996 veröffentlichte er jeden Monat eine Maxi, die aber kaum tanzbar waren und einige Techno-Fans verstörten), seine Entwicklung zu einem der Minimal-Helden, ein Aufritt mit Cybersonik (mit Minimal-Vorläufer Dan Bell und John  Acquaviva),  seine Industrial/Gothic/New Wave-Phase (in der er Eyeliner benutzte und auch einige Gleichgesinnte in Windsor fand, bevor er auf Techno umstieg), sein New York-Jahr, sein Umzug nach Berlin, wo er momentan Deutsch-Stunden besucht, seine kostenlosen Intros zu Beginn seiner Laufbahn für DJ Scott Gordon (er durfte jeweils so lange spielen, bis Gordon von seiner Radio-Show kam – wenn er Glück hatte, kam dieser 20 Minuten später und Hawtin durfte schon vor einer vollen Crowd spielen).

Insgesamt kommt auf dieser CD zum Ausdruck, mit welcher Leidenschaft der Meister immer noch bei der Sache da ist. Er war nicht „in it for the money“, sondern aus lauter Begeisterung. Sein Vater (der ihn mit Tangerine Dream, Kraftwerk und elektronischen Toys in Kontakt brachte), seine Mutter (die bei seinen Partys an der Kasse stand), sein Bruder Matthew (der ihn in die Kunstwelt einführte), Sven Väth (Wegbegleiter seit „Omen“-Zeiten) und Magda (die seine Sammlung digitalisierte) kommen auf dieser brillanten DVD zu Wort.

2007.11.28 Hawtin SlicesPioneers of Electronic Music – Vol. 01: Richie Hawtin (NTSC)