DJ Jeff Mills Techno Detroit Montpellier Orchestra

Jeff Mills > Resumé of diverse projects > Blue Potential

Die Detroit-Techno Legende Jeff Mills und das Nationalorchester Montpellier schlagen ein neues Kapitel der Technogeschichte auf und versetzen die Grenzen dieses Genres weit in den E-Bereich.

Das auf DVD und CD dokumentierte Open Air Live Konzert ist ein historischer Moment in der Geschichte des Techno.

Juli 2005: am illuminierten Pont du Gard in Südfrankreich (die grösste erhaltene Aquäduktbrücke der Antike als Kulturdenkmal) werden von Jeff Mills ursprünglich für Maxi-Singles und CDs produzierte, elektronische Titel in klassischen Versionen uraufgeführt.

Der französische Komponist Thomas Roussel hat die 15 Jeff-Mills-Tracks für ein Orchester in Noten transkribiert, Jeff Mills unterstützt das 80köpfige Nationalorchester Montpellier (Dirigent: Alain Altinoglu) auf der Bühne mit Drum Machine und Percussion.

Mit der Auswahl der Stücke wird gleichzeitig ein Überblick über Mills´ Schaffen der letzten 15 Jahre geboten. Melodische Werke wie Imagine, avantgardistische wie Medium C, Auszüge aus seiner elektronischen Filmkomposition zum Fritz Lang Film Metropolis und natürlich seine Dancefloor Hits The Bells und Sonic Destroyer.

Dieses Projekt definiert auch den besonderen Stellenwert von Jeff Mills als übergreifender Schreiber/Komponist; denn er hat diese Titel nicht ursprünglich für ein Orchester geschrieben. Die Blue Potential (=klassischen)-Versionen machen dieses auf der DVD und der CD+DVD hör- und sichtbar.

Die erste Veröffentlichung von Tresor Records war 1991 das Jeff-Mills-Projekt X-101.

Mit der Veröffentlichung von Blue Potential in und für Deutschland feiern Jeff Mills und das Label ihre 15jahrelange Verbundenheit und den ersten DVD-Release von Tresor Records.

Jeff Mills über Blue Potential
There have always been so many questions put forth about just who we humans are and how we got here. Seemingly shipwrecked on gigantic floating rocks we call continents, humans have pondered these questions since the realisation of our own existence. The more we explore these questions, the more we must ask ourselves the single most important question: the question of „why?“. Why are we here? Are we here by design or by consequence? In our busy lives, we have the few chances to occasionally look up into the blue sky. When we do, the sense of our world of blue ends when the blue fades to black (or is it really black?). There are a few of us who believe the opposite, that the human life begins just past the border of our imaginations. Whichever way you hold the truth, one thing is a commonality, we believe the answer lies beyond ourselves. So the questions persist.

The Blue Potential serves as just two of the many mysteries within our existence: the deep blue sky and the deep blue sea. Both vast universes of unknown answers to questions we’ve yet to realise. – Jeff Mills

Interview mit Jeff Mills zu Blue Potential

PARTYSAN: Im Juli 2005 hast du 15 deiner bekanntesten Werke im Südfrankreich mit dem Nationalorchester Montpellier aufgeführt. Im Making Of, das in der DVD enthalten ist, erwähntest du, dass dieses Konzert dein erster Live-Auftritt seit 1991 war. Warum ist das so?

Jeff Mills: Ich war jahrelang nicht wirklich überzeugt, dass ich die verzwickten Sequenzen, die ich im Studio produziert habe, in einer Live-Fassung wieder herstellen kann. Ich war und bin der Meinung, dass nicht nur die Sounds/Noten, die ich aussuche, live wiedergegeben werden sollten, sondern auch meine Gedanken im Moment der Entstehung. Generell komponiere ich Musik in einer “step by step“-Bewegung. Diese Bewegung kann mal zwei Minuten, mal zwei Tage dauern. Auf diese Art versuche ich, mein momentanes Gefühl in der Musik einzufangen. Dieses danach wieder live zu spielen, wäre ähnlich wie ein langer Keith Jarrett Marathon-Auftritt – außer, dass der Gedankengang hörbar wird. Als die Idee aufkam, meine Musik mit einem Orchester zu spielen, war das eine großartige Chance für mich, diese mit qualifizierten Musikern neu zu erschaffen. Eine Vorführung in „real time“ zu kreieren, klang viel attraktiver für mich als die Musik im Computer vorzubereiten.

P: Wer hatte zuerst die Idee für dieses Projekt? Du oder das leitende Team des Orchesters?

JM: Es war das Management des Orchesters, das diese Idee ins Leben gerufen hat. Der Komponist René Keoring und das Label UWE (Uncivilized World) kamen mit dieser Idee auf mich zu, nachdem ich ein ähnliches Orchesterprojekt in Berlin, initiiert durch Tresor Records, kennen gelernt hatte. Nachdem ich im Jahre 2000 einen elektronischen Soundtrack für den Film Metropolis von Fritz Lang komponiert hatte, erhielt ich Anfragen von diversen Film/Kunst Projekten, die mich auf die Idee einer Zusammenarbeit mit Orchester gebracht haben.

P: Hast du bei dieser außergewöhnlichen Unternehmung irgendwann Zweifel gehabt?

JM: Während der ersten Proben mit dem Orchester war ich etwas unruhig, denn ich brauchte Zeit, um mich an die menschlichen Elemente in meinen Kompositionen zu gewöhnen. Nachdem ich die letzten 10 Jahre mit elektronischen Maschinen gearbeitet habe, war es für mich komisch, meine Kompositionen mit winzigen Zeitverzögerungen zu hören. Bei den meisten der aufgeführten Kompositionen hatte noch niemand, von dem ich gehört habe, den Versuch unternommen, diese Tracks zu re-kreieren. Ich bekam das komische Gefühl, dass ich sterbe und gleichzeitig, dass meine Musik wieder neu entdeckt wird. Ich fühlte mich etwas hilflos, weil meine Musik genommen wurde, um andere Impressionen zu hinterlassen.

P: Wie war das Gefühl beim ersten Treffen zwischen dir und den Musikern? Erzähle uns etwas über die Atmosphäre während der ersten Proben.

JM: Überraschend, denn es gab sehr wenig Sprachkontakt zwischen mir und den Musikern. Augenkontakte und ein gelegentliches Lächeln war das meiste, was geschah. Wenn ich eine Idee hatte, musste ich sie an den Arrangeur weitergeben, der sie dann wiederum dem Dirigenten erklärte, um diese Idee dementsprechend anzupassen. Der Kommunkationsprozess in einem Orchester ist sehr uniformiert und strikt. In der ersten Probe war das Gefühl sehr angenehm, möglicherweise weil die Musiker wirklich verstehen konnten, dass ich als Komponist der Musik anwesend war und nicht nur als Techno-DJ.

P: Im Dokumentarteil der DVD, sprichst du über den starken Wind, der Probleme mit dem PA System verursachte. Wie seid ihr damit umgegangen?

JM: Unsere Bedenken über den dauernden Windzug über die Open Air Bühne bis zum Beginn der Vorstellung legten sich, da sich der Wind beruhigte. Dadurch hatten wir eine sehr angenehme Atmosphäre. Es gab weder Beschädigungen der Ausstattungsgegenstände noch andere Schwierigkeiten.

P: Gab es für dich bei den Proben oder der Vorstellung irgendwelche Momente die besonders schwierig oder extrem herausfordernd für Dich waren?

JM: Wir hatten alle das Ziel vor Augen und somit einen Plan. Es war nur eine Frage der Aufführungsform. Bei der Vorstellung war manchmal die Energie zwischen den Musikern auf der Bühne und dem Publikum fast so, als ob ich am DJ-Pult gestanden hätte.

P: Gab es jemals Diskussion über weitere Vorstellungen oder sogar ein Tourprojekt?

JM: Ja, es gibt Diskussionen über eine Tour und weitere Vorstellungen in anderen Städten. Ich möchte so oft wie möglich auftreten, aber Orchester sind Jahre im Voraus ausgebucht. Deshalb könnte es lange dauern, diese Idee nochmal umzusetzen. Wenn die Möglichkeit besteht, wieder in der Form am Pont Du Gard aufzutreten, würde ich die Chance nutzen, die Arrangements zu modifizieren und zu verbessern, um noch weiter zu gehen als wir es bei diesem Konzert erreicht haben.

P: Im Dokumentarteil der DVD erwähnt der Komponist Thomas Roussel (der deine Tracks für das Orchester in Noten transkribiert und arrangiert hat), dass das Orchester eine organische Seite in die Tracks gebracht hat, die in der elektronischen Musik oft fehlt. Wie ist dein Gefühl?

JM: Ich glaube, dass die organische Seite, die er meint, durch die rhythmische Individualität der einzelnen Musikergruppen; durch den eigenen Tonfall eines jeden Instrumentes entsteht. In diesem Fall waren es 80 Musiker. Während der Aufführung gab es eine abstrahierte Strömung des Sounds, bei der sich die Musiker durch Intuition, Interpretation, Berührung und Erinnerungsvermögen verbunden fühlen, im Gegensatz zu elektronischen Geräten, die sich miteinander durch elektrische Ladung synchronisieren. Jeder dieser Methoden der Sounderzeugung kann höchst maßgeblich sein und beide können zu jeder Zeit zusammen funktionieren. Das zu zeigen, darum ging es bei diesem Projekt.

P: Was denkst du über die Richtung der heutigen Techno Musik oder besser allgemein über die elektronische Dance Musik?

JM: Ich bin der Meinung, dass die wichtigen Eigenschaften der Elektronischen/Techno Musik zu oft ignoriert werden. Bedeutung und Substanz sind die einzigen Faktoren, die das Überleben von Elektronischer/Techno Musik über Jahrhunderte garantieren können. Ich denke, dass es nicht so wichtig ist, wie Elektronische/Techno Musik kreiert wird, sondern warum. Leider wird der größte Teil der Elektronischen/Techno Musik von der Allgemeinheit für unwichtig gehalten. Sogar die Independent Dance Music Industry selbst hat heute eine get-it-while-its-hot Mentalität. Heutzutage berichten die Journalisten routinemässig weltweit. Sie versäumen, sich kritisch auseinanderzusetzen, erhellende Fragen zu stellen. Stattdessen suchen sie lediglich nach den Argumenten, mit denen sie untermauern können, was sie selbst glauben (wollen).

Diese Form des Journalismus führt nur ein ganz kleines Stück zur Wahrheit über Elektronische/Techno Musik. Genau dieses Stigma verhindert, dass wichtige Musik an die Oberfläche kommt und wahr und ernst genommen wird. Glücklicherweise gibt es eine Armee von internationalen Elektronik/Techno Produzenten, die nicht aufgeben und nicht den derzeitigen Trends nachhängen, die dieses Genre in Richtung populärer Kommerzialisierung zu drängen versuchen.

P: Hast du noch irgendwelche künstlerischen Pläne in der Zukunft, die sich mit filmischen, orchestralen oder multimedialen Projekten auseinandersetzen?

JM: Zur Zeit produziere ich einen neuen Soundtrack für den Film „Things To Come“ (1936) geschrieben von H. G. Wells, der beim Musik- und Kunstfestival im Tate Modern in London im Jahre 2007 gezeigt werden soll. Außerdem arbeite ich an einer Soundinstallation für die Ausstellung des African Dispora-Projektes, initiiert durch die französische Filmdirektorin Claire Denis, für das Quai Branly Comptemporary Museum in Paris, Uraufführung im Juni 2006.

Ein weiteres Film/Soundtrackprojekt ist von der Dokumentarfilmproduzentin Jacqueline Caux und mir über die Detroit Electronic Music History für das Centre Pompidou im September 2006. Und für mein Label Axis arbeite ich an dem Projekt The Belief System. Dieses Vorhaben setzt sich mit der Thematik auseinander wie das menschliche Glaubens-System funktioniert. Dadurch habe ich das Glück, am jährlichen UFO Kongress in Roswell, New Mexico im Juli 2006 teilzunehmen. Und weitere Projekte sind initiiert…

2007.02.15 Jeff Mills Blue Potential

Jeff Mills > Resumé of diverse projects > Blue Potential DVD
Tresor.223 / Tresor DVD 01

INHALT DVD:
– Live Konzert
– Einführung (Tutorial) mit Jeff Mills & Thomas Roussel
– The Making Of (30.00 Min.) inkl. Interviews mit Jeff Mills, Dirigent Alain Altinoglu, Arrangeur Thomas Roussel uvm. (mit deutschen Untertiteln)
DVD ( HD ready, Sound: 5.1.)
CD/DVD Limited Edition/Special Packaging

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