Smalltalk Brian Sanhaji

INTERVIEW – BRIAN SANHAJI

 

Hallo Brian, erzähl uns doch bitte erstmal ein bischen über Deine familiären Wurzeln und wo Du bis zu diesem Zeitpunkt gelebt hast.

Ich wurde in Frankfurt am Main geboren. Mein Vater ist Marokkaner, meine Mutter Deutsche. Von meinem zwölften bis sechzehnten Lebensjahr lebte ich in Hanau, zog dann wegen meinem damaligen Lieblingsclub “Omen“ wieder nach Frankfurt, und lebe seitdem hier.

Wie ist Deine Leidenschaft für die elektronische Musik entstanden? Gab es da einen oder mehrere auslösende Momente?

Der auslösende Moment war ein Prodigy Konzert im Jahr 1996. Ich hörte und produzierte zu dieser Zeit vor allem Hip Hop, als aber dann Prodigy nach einem großartigen DJ im Vorprogramm loslegten, war ganz klar dass für mich ab diesem Tag nur noch Techno angesagt war.

Wodurch hebt sich Techno Deiner Meinung nach von anderen musikalischen Stilrichtungen ab?

Das ist gar nicht mehr so einfach zu beantworten. Viele andere Styles klingen heutzutage auch sehr elektronisch, so dass es schwierig ist da die Grenzen zu ziehen. Ich fand an Techno anfangs so reizvoll, dass es absolut keine Regeln gab und man seiner Kreativität freien Lauf lassen konnte. Außerdem fand ich immer gut dass es vollkommen egal war wie man aussah und sich gab – es ging nur um die Musik und den Vibe. Inzwischen ist das alles etwas anders, aber am Anfang war das so.

Welche anderen musikalischen Styles haben Dich vor Deiner Tätigkeit als Produzent und Live Act beeinflusst?

Den ersten bleibenden Eindruck hat bei mir ein Depeche Mode Album meiner Mutter hinterlassen. Da war ich sechs Jahre alt. Später waren es dann erstmal Hip Hop- und Rap-Artists wie Dr. Dre, Public Enemy oder Run DMC.

Nenne bitte fünf Künstler, egal aus welchem musikalischen Genre, die Dich auf die eine oder andere Art und Weise inspiriert haben.

In chronologischer Reihenfolge würde ich sagen: Depeche Mode, dann ausgelöst durch sein Album „Black And White“ Michael Jackson, später ACDC, Metallica und dann wie gesagt absolut alles von Prodigy. Das war der Auslöser. Da ging es los mit Techno. Adam Beyer im Omen, Speedy J. der sofort eine Vorbildfunktion einnahm und natürlich Chris Liebing. Wenn ich heute etwas hören will, das mich richtig flasht, dann höre ich mir etwas von Timbaland an.

Gibt es einen Musiker oder Act den Du gerne mal remixen würdest? Prodigy Wenn Du ein einziges auswählen müsstest, welches Album würdest Du mit auf eine einsame Insel nehmen?

Prodigy “The Fat Of The Land”

Wie siehst Du die Entwicklung der Elektronischen Musik? Gibt es etwas das Dir eventuell Sorgen macht? Oder gar etwas was Dir Hoffnung macht?

Im Moment finde ich es richtig schlimm, dass die Spartenaufteilungen bei großen Online Stores nicht mehr stimmen, und dass man unter der Rubrik “Techno“ Sachen findet die gar kein Techno sind.

Mich nervt dass man unter Techno oft Trance findet, dass viele auf einen Zug aufspringen, einfach andere kopieren, und dadurch alles zu einem einheitlichen Brei wird. Was mich heute an Techno stört, und warum ich zu hause gar kein Techno mehr höre, ist dass vieles einfach nicht originell ist. Unter den endlos vielen Releasen ist es ziemlich schwer die wirklich guten Sachen zu finden.

Durch das Kopieren anderer, angesagter Artists und das Benutzen der gleichen Programme mit den gleichen Sounds, geht die Originalität oft verloren. Wobei man auch sagen muss, dass es Ausnahmen gibt, Leute die richtig gute Sachen machen.

Man sagt Dir nach, dass Du oft die ganze Nacht in Deinem Studio verbringst, morgens schläfst und nachmittags direkt wieder ins Studio gehst. Warum bevorzugst Du die Nacht zum arbeiten, und woher schöpfst Du die Kraft für diesen anstrengenden Lebensstil?

Ich bin ganz einfach ein Nachtmensch. Ich mag es nachts zu arbeiten wenn es dunkel und ruhig ist, wenn alle anderen schlafen, keiner mich anruft und ich ungestört meiner Arbeit nachgehen kann. Tagsüber mache ich meinen Bürokram, oder kann auch mal etwas mastern, aber alles wobei Kreativität im Spiel ist, macht mir nachts einfach mehr Spaß. Techno gehört für mich letztendlich in die Nacht.

Du hast zusätzlich zu Deinem Label Enable Recordings vor Kurzem noch ein weiteres Label namens Sonata Music gestartet. Kannst Du uns bitte ein paar Worte zu Deinen beiden Labels sagen?

Wie der Name „Enable“ schon andeutet ging es bei diesem Label darum, mich und was ich musikalisch ausdrücken wollte zu „verwirklichen“.Da mir bei anderen Labels alles immer zu lang dauerte, wollte ich ein eigenes Label bei dem ich selbst bestimmen konnte was, wann rauskommt. Stilistisch war das Ganze deshalb auch nicht so festgelegt.

Sonata Music war zuerst als rein digitales Label geplant, um die Einschränkungen zu umgehen die bei Vinyl-Releasen bestehen und den Prozess der Veröffentlichung verlangsamen. Ich konnte etwas produzieren und wusste dass es in zwei Wochen auf dem Markt ist. Sonata Music war also die Weiterentwicklung meiner Labelarbeit um Wartezeiten zu umgehen und alles noch schneller am Start zu haben.

Sonata soll auch tendenziell etwas ruhigeren, groovigeren Techno herausbringen. Enable Recordings soll im Grossen und Ganzen für straighten Techno stehen. Das Label war ursprünglich als meine persönliche Plattform gedacht, hat sich dann aber auch anderen Künstlern und Stilrichtungen geöffnet. Nächstes Jahr werde ich deshalb ein Label namens “Sanhaji” gründen, auf dem ich dann tatsächlich nur meine eigene Sachen rausbringen und keinerlei Experimente machen werde.

Neben Deinen Tätigkeiten als Produzent, Live Act und Labelinhaber machst Du für zahlreiche, namhafte Auftraggeber sowie für CLR und Spinclub Recordings (SCR) das Mastering sämtlicher Release. Wodurch unterscheidet sich der Job des Masterings von den anderen, und welche dieser Tätigkeiten liegt Dir am meisten am Herzen?

Schwer zu sagen, da ich genauso gerne mastere wie Musik mache. Wenn ich das eine zu lange mache, vermisse ich das andere. Beim Mastering geht es darum den optimalen Sound zu erreichen, beim Musik machen geht es halt um die optimale Musik. Live spielen macht auch sehr viel Spaß und ist sehr wichtig um die Tracks zu testen. Im Club zu stehen und die Reaktionen einer Crowd auf meine neuesten Tracks zu sehen, das ist natürlich super. Einerseits habe ich mich schon immer sehr für die technische Seite am Musik machen interessiert, andererseits bin ich auch einfach ein Feiertyp, das ergänzt sich also ganz gut.

Du hast in letzter Zeit oft zusammen mit Chris Liebing oder im Rahmen seiner Spinclub Veranstaltungsreihe gespielt. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Ich würde mal sagen wir wohnten in der gleichen Gegend und hatten ähnliche Freunde. Als ich meinen ersten Release auf dem Label „Triebtäter“ hatte, spielte Chris im Palazzo und ich gab ihm die Platte als er gerade auflegte. Er legte sie auch prompt auf und mochte sie offensichtlich. Da ich musikalisch gut in sein Vorprogramm passte, wurden wir dann oft zusammen verbucht. So kam ich schließlich zu CL Booking. Eines Tages hatte ich in meinem Studio Komplex einen Raum zu vermieten, den Chris dann für sein neues Studio mietete. Seitdem waren wir Studio Nachbarn und lernten uns natürlich besser kennen.

Was bedeutet es Dir Dein Album auf dem legendären CLR Label zu veröffentlichen?

Das ist das Allergeilste. Ein Traum. CLR war für mich schon immer das beste Techno Label. Ich hatte noch nie einen Plattenspieler, habe aber jeweils alle neuen Vinyls von CLR gekauft! Der Inbegriff eines Techno Labels.

Kannst Du uns bitte ein paar Worte über das Konzept dieses vielseitigen Albums sagen?

Ich wollte etwas Originelles machen und dabei mehrere Stilrichtungen auf einem Album verwirklichen. Eigenständig sollte es sein, und nicht zu mainstreamig. Ich wollte zeigen dass ich außer straightem Techno auch noch andere Styles produzieren kann.

Warum hast Du Dich entschieden der Album CD noch eine weitere CD mit dem durchgehenden Album-Mix, den Tools und den Loops hinzuzufügen?

Die Tools und Loops habe ich hinzugefügt, da ich in den letzten Jahren hunderte von Tracks angefangen habe, die ich nie zu Ende geführt habe. Diese Loops habe ich alle in der Entstehungsphase des Albums gemacht und in meinen Live Sets benutzt. Deshalb fand ich, dass sie irgendwie dazu gehören. Es sind zwei Ableton Dateien. Einmal 150 Loops, zu verwenden als DJ Tools, und eine weitere Datei mit Sounds zum selbst produzieren. Ich spiele sogar mit dem Gedanken mal eine eigene Sample CD zu produzieren

Warum der Titel “Stereotype”?

Der Name Stereotype ist eine Reaktion auf die Vorurteile die es über mich gibt. Alle Leute die denken ich würde nur harten Techno machen, werden sehen dass es sich bei dieser Ansicht um einen authentischen “stereotype” handelt.Der Track “Stereotype” wiederum steht auf eine Art für den Track den ich schon immer mal machen wollte, ein Sound mit dem ich mich identifizieren kann.Der Titel birgt also einen gewissen Widerspruch. Auf der einen Seite steht er für genau das was er wörtlich ausdrückt, auf der anderen Seite verneint die Musik auf dem Album diese Bedeutung mit aller Kraft.

Gibt es einen Ratschlag oder Tip den Du Anfängern im Bereich Produktion mitgeben möchtest?

Der erste Ratschlag der mir einfällt ist: Kauft Euch einen Rechner und einen Hardware Synthesizer an dem Ihr rumschrauben könnt! Dann schaut ob es wirklich etwas für Euch ist. Wenn man außer einem Rechner nichts hat, kann man zwar auch Musik machen, aber ich bin der Meinung dass das intuitive Arbeiten mit Hardware es vereinfacht wirklich originelle Ideen umzusetzen.

Es macht einen Unterschied ob man ein Instrument anfasst oder aber mit der Maus auf dem Bildschirm herumfährt. Die Musik sollte nicht von dem Angebot der Plug-Ins und der Software Synthesizer bestimmt werden, sondern in erster Linie von Euren eigenen Ideen. Ihr solltet versuchen Euren ganz persönlichen Sound zu kreieren um Euch von der Masse abzuheben.

Was sind auf professioneller Ebene Deine Pläne für die Zukunft? Was wäre Dein Traum?

Ich lebe meinen Traum bereits. Ich mache Musik, mache das Mastering für großartige Produktionen, habe eigene Labels, spiele live – mache also wirklich genau das worauf ich Lust habe. Ich wünsche mir einfach dass dies so weiter geht.

Dürfen weibliche Fans noch hoffen, oder bist Du bereits in festen Händen?

Ich bin single, kommt ruhig vorbei – bin allerdings 16 Stunden am Tag im Studio 😉