Smalltalk Alex Bau

Alex Bau`s Tourtagebuch. Heute: Bekiffte Holländer oder einfach nur dumme Deutsche?

Hm, es ist schon manchmal nicht leicht zu entscheiden was in diesem meinem Tourbook stehen soll und was nicht. Am liebsten würde ich standig nur lustige Anekdoten zum Besten geben und mich mehr oder weniger künstlich über blöde Zufälle, noch blödere Umstände oder ganz einfach meine eigene Blödheit aufregen, aber ich find`s irgendwie „blöd“ alles und jeden Mist gleich an die große (Facebook-)Glocke zu hängen, vor allem weil Du sicher schon genug damit beschäftigt bist, deine Twitter-Inbox von sinnfreien Nachrichten so manch anderer Kollegen zu befreien, wenn sie übertrieben formuliert mit wirklich jedem noch so unbedeutendem Mist die virtuelle Umwelt verpesten.

Na ja, da hat er ja jetzt schon mal gut vorgelegt, der Bau, und da drängt sich die berechtigte Frage auf: Was hat er uns denn dann so mitzuteilen, was wertvoller sein könnte, als alles das, was er also so nichtig und klein erachtet nur weil er ab und zu über den Wolken die grenzenlose Freiheit genießt (Quizfrage, die mit einer CD meines letzten Albums frei Haus belohnt wird: welchen Liedermacher habe ich da gerade zitiert…)?

Ok, es geht um folgendes Thema das mir seit meinen letzten beiden Gigs nicht mehr aus dem Kopf geht: Sind Holländer die besseren Raver weil sie potentiell bekifft auf Partys gehen dürfen, oder macht unser deutsches (Bildungs)-System die Partyszene kaputt?

Kürzlich war ich in Holland zu Gast bei Awakenings, ein echt tolles Festival, und nicht nur dort, nein eigentlich immer freue ich mich ganz besonders auf Holland weil bei den Käseköpfen immer so eine megaentspannte Atmosphäre auf den Events, egal ob Rave oder Club, herrscht. Ja, klar, ich weiß schon was jetzt kommt, und vielleicht trifft das auf so manchen Holländer ja auch zu 🙂

Klar wird man relaxter wenn man mal einen Dübel nicht in die Wand klopft sondern was anderes damit macht, aber trotzdem ist da irgendwie ein viel grundlegenderer Unterschied zu vielen anderen Ländern zu erkennen.

Ok, sie nerven mit ihren Wohnwagenrennen auf der Autobahn, sie glauben nur sie können Deutsch, und sie kriegen leichter Sonnenbrand, aber auf keiner Tanzfläche der Welt braucht man einen Wohnwagen, zum Reden ist es eh zu laut und ich habe noch keinen Holländer vom Strobo einen Sonnenbrand kriegen sehen.

Nein, im Ernst, ich habe den Eindruck die sind alle immer viel entspannter, lächeln öfter und „breiter“, und gehen einfach viel lieber steil als aggro und irgendwie sind alle Clubs und Raves so gut besucht daß man sich denkt „Wie können in einem Land mit gefühlten 572 Einwohnern denn 4000 alleine hier in dieser Halle steil gehen – Deutsche können es nicht sein, so positiv wie die alle um die Wette grinsen“.

Und dann stehe ich ein paar Tage später auf der Geburtstagsfeier meines ehemaligen Residentclubs und denke mir „Geile Idee zur Feier des 13. Clubgeburtstages mal die Classics der letzten 13 Jahre ganz klassisch auf Vinyl darzubieten“, und noch fast in derselben Sekunde, als ich mich umdrehe, denke ich mir „Ja, Alex, träum weiter…“ als ich einen 16-Jährigen auf einer Bank kopfüber dahinvegetieren sehe während die 3 Liter Bier schwallweise wieder aus ihm herausquellen, die er notgedrungen in 45 Minuten in sich hat hineinkippen müssen, weil er um Mitternacht draußen von Mama ja wieder abgeholt wird.

Jede Hoffnung war spätestens dann zunichte, als ich so einem Vollpfosten zum sechsten Mal (kein Witz) erklären mußte er solle sich nicht am Bühnentisch anlehnen oder dagegenlaufen, weil sonst die Nadeln springen und alle anderen Feiernasen dadurch im Tanzdrang jäh unterbrochen werden. Dafür wird man dann noch angepampt und es werden einem Schläge angedroht.
Oh mann, was läuft da schief?
Wo ist die gute Erziehung geblieben?
Schon mal ne Schule von innen gesehen?

Wie ich halt so bin habe ich jetzt, mit ein paar Tagen Abstand, wieder mal meine eigene Theorie zu diesem Thema, und die gliedert sich in zwei wesentliche Aspekte auf: erstens ist das alles mal wieder der eindrucksvolle Beweis, wie schwachsinnig unser Staat versucht auf seine Schäfchen aufzupassen. Das Rauchen wird verboten in de Clubs, damit sich dann Anwohner drüber beschweren können wenn sich draußen vor dem Laden die Raucher unterhalten während sich drinnen gleichzeitig Minderjährige mit Erlaubnisschein eines Erziehungsberechtigten die Lampe vollschütten.

Super gemacht – vor allem weil man jetzt ja durch die „Lärmbelästigung der Anwohner“ das perfekte Argument hat die Sperrzeit auf 2 Uhr zu verlängern wie unlängst z.B. in Regensburg geschehen! Da sag selbst ich als Nichtraucher:

Lieber Sebastian Frankenberger, du Profilneurotiker, kannst ja jetzt weg aus Passau (wo Du gefährlich lebst, weil es gar nicht mal so weit weg ist von meinem Wohnort…) nach Regensburg ziehen, auch wenn es dort mit dem Studienabschluß wohl genauso wenig klappt wir schon bei deinem ersten Versuch – denn jetzt leiht Dir keiner mehr Skripte und läßt Dich an Lerngruppen teilnehmen, denn da wird geraucht!

Oh je, ich schweife ab, sorry!
Es ist ja ok irgendwo eine Grenze zu ziehen, das würde ich auch sofort unterschreiben wenn es um den Teil der gefährlichen Substanzen geht, die in welcher Form auch immer mit Kriminalität untrennbar verbunden sind, aber in anderen Ländern, deren Namen ich jetzt nicht erwähnen will weil ich ihn nach der Einleitung weiter oben gar nicht mehr erwähnen muß, funktioniert das komischerweise alles viel besser trotz einer um Lichtjahre liberaleren Einstellung.

Ich sage Euch, das ist alles ein abgekartetes Spiel und ne ganz miese Tour, ein Feldzug gegen das Nightlife, und das Schlimme ist, daß es scheinbar immer mehr Dumpfbacken gibt denen nichts besseres einfällt als genau diese Vorurteile bestätigen: Zu viel Alk, sich nicht unter Kontrolle haben, Leute aufmischen. Bravo!

Das ist dann die direkte Überleitung zum zweiten Teil meiner Theorie, und die zeigt einfach mal wieder daß es nicht für jeden „Nightliferookie“ empfehlenswert ist einen auf dicke Hose zu machen und gleich in der Championsleague (sprich: auf elektronischen Events) mitspielen zu wollen.

Soll heißen: Bevor Du, lieber 16jähriger „Hose-in-die-Socken-Stecker“, das nächste mal den DJ blöd anmachst weil der Dir mal die Ohren langzieht weil du offenbar zu der Zeit, als Plattenspieler noch der Standard und deren Bedienung eine echte Kunst waren, noch Aufzug im Rückenmark deines Vaters gefahren bist oder bestenfalls in die Windeln geschissen hast, schau Dir lieber mal an wie devot und beobachtend damals deine große Schwester oder dein großer Bruder sich da langsam von ganz unten aus der Kreisklasse nach oben gearbeitet haben bevor sie dann irgendwann zu Recht haben behaupten können ein Teil der „Szene“ zu sein. Überleg dir mal, warum es Undergroundclub und nicht Undergrounddiskothek heißt,

Du Plage beim kultivierten Aus- und Abgehen!
Sauf Dich tot auf dem anderen Floor oder der anderen Party, wo ihr Euch dann gegenseitig die Fresse polieren, und so gleich zwei Probleme auf einmal aus der Welt räumen könnt: Du deinen Kontrahenten und er dich! Denn was mir immer wieder auffällt: bleiben wir „Technos“ unter uns, gibt`s eine ganze Reihe von diesen Problemen überhaupt nicht, oder täusche ich mich da?

Also: Don`t mess with Techno!

Mehr wahre Worte, derbe Stories und Unglaublichkeiten aus dem Tourleben eines hart reisenden DJs findet ihr hier.