2007.08.13 Ryan Crosson

Ein Live-Act hoch²: M_nus-Mann Ryan Crosson aka Berg Nixon.

2007.08.13 Ryan CrossonRyan Crosson ist momentan in allen Ohren – der Live-Act, dem nachgesagt wird, wie kein anderer in Richtung Klangforschung zu performen, hat auch jedes Recht dazu.

Berg Nixon, so wie er bei M_nus und Co seine Inches preisgibt, ist kein normaler Live-Künstler, der zwischendrin mal zwischen seiner Hardware und Ableton ein bisschen zwischenschraubt. Da steckt bei genauerem Hinblick mehr dahinter: Sound-Innovation mit Eigenleben mal Live-Improvisation als Selbstverständlichkeit.

Ein Live-Act zumQuadrat.

 

Ryan, Du bist in Metro-Detroit aufgewachsen. Die meisten Leute, die Detroit nur von den Medien her kennen, haben ein sehr naives und kollektives Bild von dieser Stadt: Verfallene Häuser, keine Perspektiven, Arbeitslosigkeit hier und Kriminalität da, und, und, und… Und natürlich das große Sympathie-Plus, dass sie als Geburtsstadt Technos gilt. Was ist Detroit für Dich? Mehr als das?

Bis heute habe ich mein ganzes Leben in Detroit verbracht. Die Innenstadt ist zwar mit keiner mir bekannten Großstadt vergleichbar, besitzt jedoch ihren ganz eigenen Charme, der sich einem wohl nur erschließt, wenn man in Metro-Detroit aufgewachsen ist. Und meiner Meinung nach gehört die Musik aus Detroit zu der besten in Nord-Amerika. Egal, ob elektronische Musik, Hip-Hop, Jazz oder Rock, die lokale Szene steckt voller Talente.

 

Du hast einen sehr markanten, eigenen Stil, den andere Live-Acts meiner Meinung nach derzeit verfehlen. Für tief wummernde Kompressor-Bässe ist Detroit ja bekannt, aber das ist bei dir noch lange nicht alles. Deine Rhythmik ist sehr perkussiv und treibt voran, vor allem polyrhythmisch. Und: Deine Sounds haben regelrecht ein Eigenleben und situieren sich weder nach Takt noch nach eigener Metrik. Das ist vom Stil ungefähr vergleichbar mit einer Mischung aus improvisiertem Jazz und contemporary music  nur dass das eben minimale Techno-Sounds sind. Wie hast Du diesen Stil entwickelt? Zuhause gesessen und Klangforschung betrieben?

Ich habe nie Musik studiert oder hatte professionellen Unterricht – mal abgesehen von einem Jahr Saxophon. Ich habe einfach viele Platten gehört, anderen Künstlern beim Performen zugesehen und mich dadurch selbst weiter entwickelt. Ich habe allerdings immer noch nicht herausgefunden, wie ich all die Sounds, die in meinem Kopf herumschwirren, zu Tönen machen kann, aber ich arbeite jeden Tag daran. Es dauert halt seine Zeit.


Du hast ja gerade gesagt, dass du auch mal Saxophon gespielt hast. Ist das der Grund dafür, dass Du als Live-Act so virtuos mit Tönen umgehst? Ich mein, Du benutzt deine Live-Devices ja auch wie ein Instrument.

Ich weiß nicht, ob man wirklich sagen kann, dass ich mein Equipment wie ein Live-Instrument benutze. Aber ich liebe es, aktiv zu sein, wenn ich auftrete und Clips und Samples spontan durchzumischen, soweit das möglich ist. Mit meinem Controller zwischen den MIDIs hin und her zu wechseln, ist sehr wichtig, denn das gibt mir die Möglichkeit, Sachen schneller zu verändern, wodurch ich meine Performance immer etwas anders gestalten kann als die vorgehende.

 

Ich hab Dir mal ein bisschen über die Schulter gekuckt, als Du live performed hast. Technisch ist Dein Live-Acting nicht dieses typisch lineare Muster, das man von anderen kennt. Du arbeitest zusammen mit dem Ableton Operator und deiner Midi Controller Hardware eher wie mit einem Cube, also einen quadratischen Würfel aus Improvisation und Virtuosität. Da ist nichts wie am Fließband vorprogrammiert und durchgeplant – da wird zwischen den Midis hoch und runtergescrollt, ein Sound ausgewählt und improvisiert. Findest Du, dass sich vergleichsweise andere Live-Acts ein Live-Acting zu einfach machen?

Letztendlich kommt es darauf an, welche Vorlieben man als Live-Act hat und ob man die Bequemlichkeit bevorzugt. Ich liebe es eher, herumzuspielen und zu experimentieren, denn das macht die ganze Sache sehr viel spannender und unterhaltsamer. Das hält mich dann ja auch selbst auf Trapp – es entertained mich sozusagen selbst. Ich muss mich dadurch sehr konzentrieren und kann den Leuten deswegen hoffentlich auch eine bessere Show bieten. Und meine Sets beinhalten viele Loops von unfertigen Tracks – durch Herumprobieren komme ich auf verschiedene Kombinationsmöglichkeiten, die eventuell später im Studio einen kompletten Track ergeben.

 

Kann man sich überhaupt noch einen Live-Act nennen, wenn man ein „Live-Set“ vorprogrammiert und stur ablaufen lässt? Ist das nicht irgendwie fehl am Platz?

Das mag schon so sein, wenn man alles in einer vorher festgelegten Reihenfolge ablaufen lässt. Aber nur weil man sich 200 Clips ins Ableton geladen hat, heißt das nicht, dass man alle in genau dieser Reihenfolge von vorne nach hinten und von oben nach unten abspielen muss. Es kommt auch darauf an, wie man diese in das Programm lädt. Manche Leute verändern die Clips/Samples, manche schrauben viel an den MIDIs und spielen die Melodien anders und wieder andere legen den Focus auf die Plug-Ins, um die Sounds zu verändern. Letztendlich kommt es doch nur darauf an, dass gute Musik gespielt wird.

 

Mal vom Thema Berg Nixon als Live-Act zu Ryan als Studio-Produzent. Deine letzten 12-Inch-Releases waren neben ein paar Mixes von beispielsweise Miss Fitz und Troy Pierce die Box Escape EP auf M_nus und Gotham Road bei Trapez, beides 2006. Und jetzt? Du bist momentan ja nur noch unterwegs, um nonstop zu performen. Hast Du noch Zeit fürs Studio? Was kommt als nächstes von Dir?

Ich arbeite an einer weiteren M_nus EP und würde zudem gerne diesen Herbst ein komplett selbst geschriebenes Album veröffentlichen. Diesen Spätsommer bzw. im frühen Herbst erscheinen zwei EPs, an denen ich beteiligt bin. Eine mit Lee Curtiss und eine mit Seth Troxler. Bei der Einen handelt es sich um eine Compilation namens Tesh Club, die über Spectral Sound heraus kommt. Die Andere ist eine Remix EP auf Dumb Unit.

 

Beretta Grey Music, Detroit, ist ja als erstes aufgefallen, welches Potential Du hast. Nicht viel später, 2005, war dann dein Label-Signing mit Say So auf dem Kölner Trapez. Hat Riley Reinhold in Dir sofort eine Errungenschaft für Trapez gesehen? Oder war das eine längere Geschichte als Neuling bei ihm unterzukommen?

Nein, es gab da überhaupt keine Probleme. Riley ist jungen Künstlern gegenüber sehr hilfsbereit und ich schulde im viel Dank für das, was er für mich getan hat.

 

Nun, Du hattest ja erst 2 Jahre davor  also 2003  angefangen überhaupt selbst Musik zu produzieren. Das ging sehr schnell Richtung Professionalität bei dir. Hat dir da wer bestimmtes unter die Arme gegriffen, als du anfingst zu produzieren? Also gab es da einen Mentor aus Fleisch und Blut oder nur einen musikalischen Einfluss und Ryan, den Autodidakt?

Wenn es darum ging, Musik zu schreiben, hatte ich nur mich selbst. In Sachen Equing, Premastering oder wenn es galt, mehr Tiefe in einen Song zu bringen, verdanke ich meinem Freund Brian Kage, dem Chef von Beretta Grey, sehr viel. Er hat mir in den letzten Jahren Unmengen beigebracht und er ist immer offen und interessiert daran, sich meine neuen Tracks anzuhören und mir zu helfen, meine Soundqualität stetig zu verbessern.

 

Oder drehen wir mal den Uhrzeiger noch ein bisschen weiter zurück: Wie bist du überhaupt auf den Gedanken gekommen elektronische Musik aufzulegen, zu produzieren und live zu spielen?

Ein paar Kumpels hatten Turntables auf einer Houseparty. Ich war gerade 18 oder 19. Es sah so aus, als ob das Spaß machen würde und da ich die Musik mochte, entschied ich mich dafür, es auch mal zu versuchen. Ich hatte damals keine Ahnung von dem, was ich tat!

 

Du hast mal in einem Radio-Interview auf Detroit Sessions gesagt, dass dich Richie Hawtin und Stewart Walker damals sehr beeinflusst haben. Hättest du dir damals träumen lassen irgendwann auf Richies Label M_nus zu landen?

Niemals! Es ist schon unglaublich, wie viel sich innerhalb von ein paar Jahren verändern kann.

 

Wie bist Du letzten Endes dort eigentlich hingekommen? Hat M_nus sich von selbst für dich interessiert – ich mein, Du hattest als Detroiter ja auch ein Heimspiel – oder hast du Hawtin ein Demo geschickt?

Ich half auf ein paar der Control Partys in Detroit aus und lernte dort Clark Warner und Richies alten Manager, Tim Price, kennen. Ich glaube nicht, dass sie wussten, dass ich da schon bei Trapez gesigned war und ich wollte auch nicht über dieses Thema sprechen. Es hätte ja so geklungen, als würde ich nur aus diesem Grund mit ihnen zusammen arbeiten wollen. Das wollte ich natürlich nicht. Eines Tages habe ich schließlich Magda ein paar Tracks über Instant Messenger geschickt und Rich kurz darauf eine CD zukommen lassen.

 

Das M_nus-Resultat sieht man ja deutlich vor Augen, wenn man deine Dates checkt. Du warst die letzte Zeit viel in Europa unterwegs: Deutschland, Frankreich, Schweiz, Italien, Spanien. Wo genau war deiner Meinung nach dein schönstes Cluberlebnis seitdem Du auf Tour bist?

Das war zweifellos die Cityfox Party in Zürich am 2. Juni diesen Jahres. Ein unglaubliches Soundsystem und eine enthusiastische Partycrowd. Ich liebe es, neben Leuten zu spielen, die ich bewundere. In diesem Fall waren es Margaret Dygas und Sonja Monear, was den Abend für mich noch spezieller gemacht hat. Außerdem war die Cityfox Crew sehr gastfreundlich und großzügig. Ich kann es kaum erwarten, im Herbst wieder zu kommen.

Leon Mabu // 13.08.2007